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Beschlussvorlage (Anschlussunterbringung von Flüchtlingen)

                                    
                                        Beschlussvorlage
Amt: 30
Biendl

Datum: 07.12.2016 Az.: 103.53

Drucksache Nr.: 339/2016

Beratungsfolge

Termin

Beratung

Kennung

Abstimmung

Haupt- und Personalausschuss

16.01.2017

vorberatend

nichtöffentlich

Gemeinderat

30.01.2017

beschließend

öffentlich

Beteiligungsvermerke
Amt
Handzeichen

50

60/603

Eingangsvermerke
Oberbürgermeister

Erster Bürgermeister

Bürgermeister

Haupt- und Personalamt
Abt. 10/101

Kämmerei

----------------------------

Rechts- und
Ordnungsamt
--------------------

Betreff:

Anschlussunterbringung von Flüchtlingen

Beschlussvorschlag:

1. Der Gemeinderat beschließt die folgenden Grundsätze für die Unterbringung von
Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung in Lahr:
 Die Stadt wirkt daraufhin, dass Flüchtlinge möglichst selbstständig Wohnraum finden.
 Soweit eine Unterbringung durch die Stadt erforderlich ist, soll diese bevorzugt in Wohnungen erfolgen.
 Angestrebt wird eine dezentrale Unterbringung mit einer ausgewogenen
Verteilung im Stadtgebiet und den Ortsteilen.
 Auch bei zunächst durch die Stadt untergebrachten Personen wird auf eine
zügige Überführung in reguläre Mietverhältnisse hingewirkt.
2. Für die Unterbringung der im Jahr 2017 zur Anschlussunterbringung anstehenden
Personen mietet die Stadt jeweils nach Bedarf Wohnungen für längstens zwei Jahre
an. Als Mietpreis wird maximal die sozialhilferechtlich angemessene Miete bezahlt.
3. Mittelfristig soll im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus auch anteilig Wohnraum
für Flüchtlinge geschaffen werden.

BERATUNGSERGEBNIS

Sitzungstag:

Bearbeitungsvermerk

 Einstimmig  lt. Beschlussvorschlag  abweichender Beschluss (s. Anlage)
 mit Stimmenmehrheit

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthalt.

Datum

Handzeichen

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Begründung:
I. Allgemeines zur Unterbringung von Flüchtlingen
In Baden-Württemberg findet die Unterbringung von Flüchtlingen in einem gestuften Verfahren statt. Zunächst kommen Flüchtlinge in die sogenannte Erstunterbringung. Träger dieser
Einrichtungen ist das Land Baden-Württemberg, vertreten durch die Regierungspräsidien. In
der Erstunterbringung bleiben Flüchtlinge im Regelfall maximal sechs Monate. Hier erfolgen
Registrierung, Gesundheitsuntersuchungen und die Stellung des Asylantrages. Laut Koalitionsvertrag von Bündnis 90/Die Grünen und CDU ist beabsichtigt, zukünftig das gesamte
Asylverfahren während der Erstunterbringung abzuwickeln und dann nur die Personen mit
Bleiberecht direkt auf die Gemeinden zu verteilen. Bis wann dies umgesetzt wird, ist nicht
bekannt und wird auch maßgeblich von den Bearbeitungskapazitäten des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestimmt werden.
Bis dahin werden Flüchtlinge nach der Antragstellung für die Dauer des Asylverfahrens i.d.R.
aber für maximal 24 Monate in die vorläufige Unterbringung weiterverteilt. Diese liegt in der
Verantwortung der Landratsämter und Stadtkreise als untere Aufnahmebehörden.
Nach Abschluss des Asylverfahrens bzw. nach Ablauf der 24 Monate kommen die Flüchtlinge in die Anschlussunterbringung. Diese ist zeitlich nicht begrenzt und dauert so lange, bis
die Flüchtlinge in der Lage sind, sich selbstständig mit Wohnraum zu versorgen. Im Kern
handelt es sich bei der Anschlussunterbringung um eine Vermeidung von Obdachlosigkeit.
Die Zuständigkeit liegt gem. § 18 Abs. 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) bei den Gemeinden. Die Kosten der Unterbringung werden im Rahmen der sozialen Hilfesysteme (Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitslosengeld II, Grundsicherung) von den Sozialleistungsträgern (Landratsamt bzw. Kommunale Arbeitsförderung) getragen.

II. Unterbringungssituation im Ortenaukreis und in Lahr
Im Ortenaukreis befanden sich mit Stand 14.10.2016 ca. 3.300 Personen in der vorläufigen
Unterbringung. Hiervon werden im Jahr 2017 ca. 2.150 Personen in die Anschlussunterbringung wechseln. Bei ca. 1.500 Personen erfolgte dieser Wechsel bereits in den Jahren 2015
und 2016. Die Zugänge in der vorläufigen Unterbringung beliefen sich im Jahr 2015 auf 4.150
Personen, im Jahr 2016 wird mit ca. 2.100 Personen gerechnet.
Die Verteilung innerhalb des Ortenaukreises regelt sich nach einer Aufnahmequote für die
Gemeinden. Diese wird für das Jahr 2017 voraussichtlich 2,04 % der Einwohnerzahl betragen. Für Lahr bedeutet das ca. 910 Personen. Auf diese Quote werden die Kapazitäten in
der vorläufigen Unterbringung, die bereits in den beiden Vorjahren aufgenommen Personen
in der Anschlussunterbringung und die in der Gemeinde untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA), für die Hilfe zur Erziehung geleistet wird, angerechnet. Wird
bei Anrechnung dieser Personen die Aufnahmequote nicht erreicht, ist die Gemeinde zur
Aufnahme weiterer Personen in der Anschlussunterbringung verpflichtet.
Die Stadt Lahr hatte sich bisher bei der Flüchtlingsunterbringung in der Weise engagiert,
dass sie das Landratsamt bei der Schaffung von Plätzen in der vorläufigen Unterbringung unterstützt hat. Hier wurden in Lahr große Kapazitäten (zu Hochzeiten an die 1.000 Plätze) geschaffen. Daneben haben in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt ca. 120 Flüchtlinge in
Lahr selbstständig Wohnraum gefunden, die ebenfalls auf die Aufnahmequote angerechnet
werden. Zudem sind ca. 60 UMA in Lahr untergebracht, von denen aktuell 33 auf die

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Aufnahmeverpflichtung angerechnet werden. Für die weiteren UMA erfolgt keine Anrechnung, da diese sich in der vorläufigen Inobhutnahme befinden und laut Aussage des Landratsamtes von einer zeitnahen Weiterverteilung im Bundesgebiet auszugehen ist. Im Ergebnis bestand bisher keine Verpflichtung für die Stadt Lahr in der Anschlussunterbringung.
Diese Situation ändert sich im Jahr 2017. Verantwortlich ist zunächst der Abbau von Kapazitäten in der vorläufigen Unterbringung durch das Landratsamt in Reaktion auf die deutlich geringeren Zuzugszahlen von Flüchtlingen. Zum 01.01.2017 werden in Lahr noch 715 Plätze
zur Verfügung stehen. Daneben wirken sich nun die hohen Zuzugszahlen im Jahr 2015 aus.
Diese Personen können nun spätestens im Jahr 2017 wegen Ablaufs der maximal 24 Monate
in der vorläufigen Unterbringung in die Anschlussunterbringung wechseln. Wie bereits ausgeführt betrifft dies ca. 2/3 der in der vorläufigen Unterbringung derzeit untergebrachten Personen.
Der Stadtverwaltung gegenüber wurde diese Situation seitens des Landratsamtes erstmals
Ende Oktober 2016 kommuniziert. Dabei ging das Landratsamt von einer Unterbringungsverpflichtung von ca. 120 Personen für die Stadt Lahr aus. Mit Schreiben vom 21.11.2016 hat
das Landratsamt nun offiziell mitgeteilt, dass sich die Zahl der durch die Stadt in der Anschlussunterbringung unterzubringenden Personen auf voraussichtlich 43 belaufen wird.
Unabhängig davon ist diese Zahl mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Sie beruht allein
auf der Berücksichtigung der Personen, bei denen 2017 die Höchstdauer der vorläufigen Unterbringung abläuft. Insofern sind Personen, bei denen vor Ablauf der 24 Monate das Asylverfahren beendet wird, ebenso wenig berücksichtigt wie Personen, die entsprechend der
Zielsetzung der Landesregierung bereits mit abgeschlossenem Asylverfahren aus der Erstunterbringung kommen. Auch ist in dieser Zahl ein möglicher Familiennachzug nicht enthalten.
Schließlich ist auch nicht klar, ob diese Personen selbstständig eine Wohnung finden oder
von der Stadt Lahr untergebracht müssen.
Wie sich die Situation im Jahr 2018 darstellen wird, ist noch deutlich schwieriger einzuschätzen. Hintergrund sind die Unsicherheiten in Bezug auf die weltpolitische Lage und die Auswirkungen auf die Migrationsbewegungen, die europäische und deutsche Flüchtlingspolitik
(Einführung eines unionsweiten Verteilverfahrens, Grenzsicherung, Dublin-System, TürkeiDeal, Schließung der Balkanroute, Rechtsänderungen,…) und die Umsetzung der Zielsetzung der Landesregierung, die vorläufige Unterbringung abzuschaffen. Nach derzeitigem
Stand geht die Verwaltung davon aus, dass 2018 eine Aufnahmeverpflichtung bestehen wird,
diese aber nach gegenwärtiger Einschätzung eher gegenüber 2017 geringer ausfallen dürfte.
Für die Jahr 2019 ff. lassen sich aus Sicht der Verwaltung angesichts der oben beschriebenen Unsicherheiten noch überhaupt keine seriösen Aussagen treffen.

III. Unterbringungskonzept für die Anschlussunterbringung in Lahr
Die Stadtverwaltung strebt zunächst an, dass die Flüchtlinge selbstständig auf dem Lahrer
Wohnungsmarkt eine Wohnung finden. Dies entspricht der Zielsetzung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes nachdem die Gemeinden (und die unteren Aufnahmebehörden) auf eine
„zügige endgültige Unterbringung und Unabhängigkeit […] von öffentlichen Leistungen
hin[wirken]“ (§ 18 Abs. 2 Satz 2 FlüAG). Hierfür will die Stadtverwaltung das bestehende ehrenamtliche Helfernetz, das seitens der Flüchtlingsbeauftragten der Stadt unterstützt wird,
und die in der Flüchtlingsarbeit tätigen freien Träger aktivieren.

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Die Personen, die auf diesem Weg keinen Wohnraum finden, muss die Stadt Lahr gem. § 18
Abs. 2 Satz 1 FlüAG unterbringen. Dies soll in regulären Wohnungen erfolgen. Eine Gemeinschaftsunterkunft soll nur im Notfall geschaffen werden. Dadurch können Konzentrationen an
bestimmten Standorten vermieden und eine dezentrale Unterbringung erreicht werden. Dies
fördert die Einbindung in bestehende Nachbarschaftsverhältnisse wie auch Wohngebietsstrukturen und wirkt sich damit integrationsfördernd aus. Zudem beugt es sozialen Spannungen und Konflikten vor.
Nach den derzeitigen Zahlen werden 2017 voraussichtlich ca. 15 Wohnungen benötigt. Es
haben bereits Gespräche mit den in Lahr tätigen Wohnbauunternehmen stattgefunden.
Grundsätzlich besteht die Bereitschaft, der Stadt eine entsprechende Anzahl an Wohnungen
zur Verfügung zu stellen. Durch diese Verteilung handelt es sich um jeweils sehr geringe
Wohnungszahlen im Bereich von ca. 0,5 % des jeweiligen Wohnungsbestandes. Von daher
ist für das Jahr 2017 der Kauf von bestehendem, die Schaffung von neuem Wohnraum oder
die Anmietung ganzer Häuser durch die Stadt nicht vorgesehen.
Beabsichtigt ist, mit dem jeweiligen Vermieter seitens der Stadt einen auf zwei Jahre befristeten Mietvertrag abzuschließen, um den Vermieter eine entsprechende Sicherheit in Bezug
auf seine finanziellen Ansprüche zu geben. Die Flüchtlinge werden dann auf öffentlichrechtlicher Grundlage in die Wohnungen eingewiesen. Nach Ablauf der zwei Jahre soll dann
möglichst das Mietverhältnis direkt zwischen Vermieter und Flüchtling fortgesetzt werden. So
wird die gesetzlich gewünschte und integrationspolitisch sinnvolle Überführung in reguläre
Mietverhältnisse sichergestellt.
Als Miete zahlt die Stadt Lahr maximal die nach den sozialhilferechtlichen Maßstäben angemessene Miete. Diese erhält die Stadt Lahr dann vom Flüchtling erstattet, der seinerseits,
falls er sich im Sozialleistungsbezug befindet, entsprechende Leistungen vom Sozialhilfeträger erhält. Soweit dies sozialhilferechtlich möglich ist, soll die Zahlung vom Sozialleistungsträger direkt an die Stadt Lahr erfolgen, um finanzielle Risiken der Stadt zu minimieren.
Die soziale Betreuung in der Anschlussunterbringung übernimmt entsprechend der gesetzlichen Aufgabenverteilung gem. § 18 Abs. 2 Satz 3 FlüAG primär das Landratsamt Ortenaukreis. Im Rahmen des Kreishaushalts 2017 werden hierfür kreisweit zehn Sozialarbeiterstellen geschaffen. Darüber hinaus bestehen in Lahr bereits gute ehrenamtliche und hauptberufliche Strukturen im Bereich der Unterstützung und Integration. Genannt seien beispielhaft die Angebote der freien Träger oder der Freundeskreis Flüchtlinge. Die städtischen
Flüchtlingsbeauftragten koordinieren und unterstützen dieses Netzwerk. Die für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen im Rahmen des Haushalts 2017 geschaffene halbe
Stelle wird neben der verwaltungsmäßigen Abwicklung der Anschlussunterbringung einschließlich des Beschaffens des Wohnraums zudem bei Konflikten bzgl. konkreter Unterbringungen zur Verfügung stehen.
Für das Jahr 2018 strebt die Stadtverwaltung die Verwirklichung eines Projektes des sozialen
Wohnungsbaus ggf. in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern an. In diesem Rahmen ist
auch in geringem Umfang Wohnraum für Flüchtlinge vorgesehen. Der überwiegende Bedarf
soll am Wohnungsmarkt gedeckt werden.

Guido Schöneboom

Tobias Biendl

Lucia Vogt