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Beschlussvorlage (Anmietung der Immobilie Kaiserstraße 85 zur Unterbringung von Obdachlosen und Personen in der Anschlussunterbringung)

18. Dezember 2017
                                    
                                        Beschlussvorlage
Amt: 302
Vogt

Datum: 13.11.2017 Az.: 108.50

Drucksache Nr.: 288/2017

Beratungsfolge

Termin

Beratung

Kennung

Abstimmung

Haupt- und Personalausschuss

04.12.2017

vorberatend

nichtöffentlich

Gemeinderat

18.12.2017

beschließend

öffentlich

Beteiligungsvermerke
Amt
Handzeichen

603

Eingangsvermerke
Oberbürgermeister

Erster Bürgermeister

Bürgermeister

Haupt- und Personalamt
Abt. 10/101

Kämmerei

Rechts- und
Ordnungsamt

Betreff:

Anmietung der Immobilie Kaiserstraße 85 zur Unterbringung von Obdachlosen und
Personen in der Anschlussunterbringung

Beschlussvorschlag:

Der Gemeinderat beschließt die Anmietung der Immobilie Kaiserstraße 85 zur Unterbringung von Obdachlosen und Personen in der Anschlussunterbringung für zunächst 15 Jahre zu einem Mietpreis von 6.600 Euro pro Monat (9,57 €/m² kalt).
Das im Jahr 1900 errichtete Gebäude wird für diesen Zweck vom (neuen) Eigentümer für ca. 750.000 € umgebaut und saniert. Der Mietvertrag beginnt daher ungefähr
1 Jahr nach Unterzeichnung. Im Haus entstehen auf einer Gesamtwohnfläche von
690 m² voraussichtlich drei 1-Zimmer-Wohnungen, zehn 2-Zimmer-Wohnungen und
zwei 3-Zimmer-Wohnungen.

BERATUNGSERGEBNIS

Sitzungstag:

Bearbeitungsvermerk

 Einstimmig  lt. Beschlussvorschlag  abweichender Beschluss (s. Anlage)
 mit Stimmenmehrheit

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthalt.

Datum

Handzeichen

Drucksache 288/2017

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Begründung:
Der Bedarf an Wohnraum zur Unterbringung obdachloser Menschen ist in den vergangenen
Jahren deutlich gestiegen.
Während 2007 noch 68 Menschen kommunal untergebracht waren, so sind dies zum Stand
01.11.2017 108 Personen.
Hiervon wohnen 33 Personen in der Biermannstraße 3, 15 Personen in der Flugplatzstraße
101 und 60 Personen sind dezentral in angemieteten oder beschlagnahmten Wohnungen untergebracht.
Vor allem Familien, denen aus unterschiedlichen Gründen der Verlust des Wohnraums
droht, nehmen zunehmend Kontakt zur Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung auf.
Derzeit wird in den meisten Fällen versucht, den Verbleib in der bisherigen Wohnung zu ermöglichen oder bei der privaten Anmietung einer anderen Wohnung zu unterstützen.
In einzelnen Fällen kann über die Beschlagnahme der Wohnung ein zeitlicher Aufschub erzielt werden. Dies wird bis auf wenige Ausnahmen aufgrund der hohen rechtlichen Hürden
jedoch nur mit dem Einverständnis des Vermieters praktiziert.
Aufgrund des knapper werdenden günstigen Wohnraums gestaltet es sich zunehmend
schwieriger, von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen, insbesondere Paaren oder Kleinfamilien, zu helfen.
Besonders problematisch erweist es sich immer wieder, dass die Stadtverwaltung über keinen eigenen Reservewohnraum verfügt, der kurzfristig genutzt werden kann.
Zu dieser Problematik kommt hinzu, dass sich der Bedarf an Wohnraum für die Anschlussunterbringung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz derzeit nur schwer abschätzen lässt.
2017 lag die Quote der in Lahr in die Anschlussunterbringung Aufzunehmenden bei rund 40
Personen, diese konnten sich alle selbst mit privatem Wohnraum versorgen.
Obwohl für das Jahr 2018 aktuell keine Aufnahmeverpflichtung besteht, sollte für die kommenden Jahre wiederum ein gewisser Bedarf einkalkuliert werden.
Derzeit werden der Stadt Lahr noch 587 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften anerkannt.
Sollte der Kreis diese Kapazität weiter reduzieren, so führt dies zwangsläufig zu einer höheren Quote in der Anschlussunterbringung.
Auch für den Familiennachzug wird voraussichtlich kommunaler Wohnraum benötigt werden.
Sofern das hier lebende Familienmitglied keine Wohnung für die nachziehenden Angehörigen findet, obliegt die Unterbringung dieser Personen ebenfalls der Stadt Lahr im Rahmen ihrer Zuständigkeit als Ortspolizeibehörde.
Im Mai 2017 wurde der Stadtverwaltung die Anmietung des Objekts Kaiserstraße 85 angeboten.
In diesem Gebäude wäre es möglich, 15 Wohnungen zwischen 27 und 62 qm einzurichten,
die sowohl zur Unterbringung von obdachlosen Personen, als auch für die Anschlussunterbringung herangezogen werden könnten.
In mehreren Gesprächen zwischen der Abteilung Gebäudemanagement, der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie dem potentiellen Vermieter konnte eine Reduzierung
der Grundmiete von ursprünglich 7.800 Euro pro Monat auf 6.600 Euro pro Monat erzielt

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werden. Im Vergleich zum ursprünglichen Angebot wird der städtische Haushalt über die Vertragslaufzeit gesehen also um 216.000 € entlastet.
Trotz der Verhandlungsergebnisse wird die Unterbringung der Personen mit dringendem
Wohnbedarf aus Sicht der Stadt nicht kostendeckend möglich sein. Selbst wenn das Mehrfamilienhaus voll belegt ist, liegen die Mietausgaben, die an den Eigentümer abzuführen sind
über den Mieteinnahmen, welche die Stadt durch die Untervermietung/Einweisung der Personen über die Kommunale Arbeitsförderung erhält. Es entsteht ein jährlicher Zuschussbedarf von rund 5.000 €. Tatsächlich wird der Zuschussbedarf höher ausfallen, da eine ununterbrochene Vollbelegung nicht zu erwarten ist und ein regelmäßiger Leerstand einzelner
Wohnungen nicht zu verhindern sein wird bzw. sogar notwendig ist, um eine gewisse Reservekapazität vorzuhalten. Das Mietausfallrisiko kann bzw. wird daher beträchtlichere Ausmaße
annehmen.
Außerdem will der Eigentümer die kaufmännische und technische Immobilienbewirtschaftung
dem Mieter überlassen, wodurch zusätzliche Personalausgaben vor allem in der Abteilung
603 entstehen (z.B. Abnahme und Übergabe der Wohnungen, Erstellen von Betriebskostenabrechnungen, Abschluss und Überwachung von Versorgungs-, Werk- und Dienstleistungsverträgen, Durchführung von Klein- und Schönheitsreparaturen, Beauftragung der Hausmeister und Reinigungskräfte für gemeinschaftlich genutzte Flächen), Verarbeitung der entsprechenden Rechnungen und nicht zuletzt die Betreuung der Untermieter vor Ort).
Die Mietbedingungen bringen also nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen organisatorischen und personellen Mehraufwand mit sich. Die erhöhten Verwaltungskosten für die
Stadtverwaltung können auf mind. 2.700 €/Jahr geschätzt werden.
Die über die Klein- und Schönheitsreparaturen hinausgehende Gebäudeunterhaltung geht
zulasten des Vermieters, wobei die Stadt Lahr für vorsätzliche Schäden an der Mietsache
(auch durch ihre Untermieter) haftet.
In Zusammenhang mit dem in den Folgejahren steigenden Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit dringendem Wohnbedarf hat die Verwaltung jedoch auch andere
Optionen überprüft:


Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich mit einer Eigenrealisierung (Herstellung des Gebäudes
und der Außenanlage durch die Stadt inkl. Grunderwerb) konnte nur auf einer fiktiven
Basis durchgeführt werden. Dabei wurden die Herstellungskosten auf 2.700.000 € geschätzt. Zudem beruht die Vergleichsberechnung auf weiteren Annahmen (Zinsentwicklung, Preissteigerungsraten, Instandhaltungskosten, mögliche Förderung über das
Programm “Wohnungsbau BW 2017“).
Hierbei deutet vieles darauf hin, dass die Eigenrealisierung in Bezug auf die rein finanziellen Aspekte (Auszahlungs- und Ergebnisvergleich) gegenüber dem Mietmodell
vorteilhaft wäre.
Dem stehen jedoch die Vorteile des Mietmodells gegenüber. Durch die begrenzte Vertragslaufzeit besteht für die Stadtverwaltung eine höhere Flexibilität, da die Immobilie
bei Wegfall des Bedarfs bereits nach 15 Jahren zurückgegeben werden könnte, während eine eigene Immobilie dann einer entsprechenden Nachnutzung zugeführt werden müsste.

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Gleichzeitig hätte die Stadtverwaltung Planungssicherheit, da das Baukostenrisiko auf
den Vermieter übertragen wird.
Im Ergebnis kann die Anmietung der Kaiserstraße 85 unter den genannten Mietbedingungen als wirtschaftlich tragbar eingeschätzt werden.


Weiterhin wurde der Kontakt mit der Städtischen Wohnungsbau Lahr GmbH gesucht,
um zu erfragen, ob für den bestehenden Unterbringungsbedarf von dortiger Seite aus
Lösungen gesehen werden.
Sämtliche Bestandsimmobilien der Wohnbau sind entweder voll belegt oder wurden
bereits veräußert. Selbst bei einer Bauweise im niedrigeren Standard müssen die
energetischen Anforderungen erfüllt werden, sodass auch ein Neubau unter den gegebenen Voraussetzungen ohnehin schwer umzusetzen wäre. Zudem zeichnet sich
die Tochtergesellschaft schon für die Schaffung sozialen Wohnraums für einkommensschwache Personen in der Freiburger Straße verantwortlich und würde bei einem zweiten Projekt in dieser Größenordnung an wirtschaftliche Grenzen stoßen.

Unter Berücksichtigung des geschilderten Bedarfs sowie der zentralen Lage der Liegenschaft
und somit der idealen Erreichbarkeit der notwendigen Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten,
ÖPNV, Behörden,…) spricht sich die Verwaltung für die Anmietung des Gebäudes Kaiserstraße 85 aus. Gleichwertige Unterbringungsmöglichkeiten oder wirtschaftlichere Alternativen
sind aus Sicht der Verwaltung nicht erkennbar.
Auch nach der Anmietung des Objekts Kaiserstraße 85 wäre das oberste Ziel für die Verwaltung weiterhin die Vermittlung obdachloser Menschen in dezentralen privaten Wohnraum.
Das Gleiche gilt für Personen, die im Rahmen der Anschlussunterbringung unterzubringen
sind.
Die Kaiserstraße 85 könnte als kurzfristige Zwischenlösung dienen oder auch für Personen
herangezogen werden, die auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht versorgt werden können.
Es wird aus diesen Gründen empfohlen, dem Beschlussvorschlag zuzustimmen.

Guido Schöneboom

Mats Tilebein

Lucia Vogt