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Informationsvorlage (- Stellungnahme RA Prof. Dr. Heilshorn vom Mai 2020)

                                    
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Dr. Peter Neusüß
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Freiburg, den 27. Mai 2020
Az: 302/18 TH

Lärmaktionsplan – Nachtfahrverbot in den Ortsdurchfahrten der
B415 (Reichenbach/Kuhbach)

Sehr geehrte Frau Fink,
sehr geehrte Frau Gauggel,
bezüglich Ihrer Anfrage zum weiteren möglichen Vorgehen:
1. Anforderungen an ein Nachtfahrverbot
Wir haben uns bereits dazu ausgetauscht, dass die geplante Maßnahme die straßenverkehrsrechtlichen Anordnungsvoraussetzungen
erfüllen und verhältnismäßig sein muss.
a) Für das Bestehen einer „Gefahrenlage“ i.S.v. § 45 Abs. 9 S. 3 StVO
sind grundsätzlich die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImschV) maßgeblich. Bei Überschreitung der dort vorgesehenen Immissionsgrenzwerte haben die Lärmbetroffenen regelmäßig einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über
verkehrsbeschränkende Maßnahmen.
Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urt. v.
17.07.2018 – 10 S 2449/17, juris Rn. 33.

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In diese Ermessenentscheidung ist auch einzustellen, ob Anwohner anderer
Straßen über Gebühr belastet werden.
b) Als Orientierungshilfe sind zudem die Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (LärmschutzRichtlinien-StV) heranzuziehen. Bei Überschreitung der dort vorgesehenen
Orientierungswerte kann sich das Ermessen zu einer Pflicht zum Einschreiten
verdichten.
Dazu BVerwG, Urt. v. 04.06.1986 – 7 C 76/84, juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Urt. v.
17.07.2018 – 10 S 2449/17, juris Rn. 33.
Auch in diesem Falle setzt eine fehlerfreie Entscheidung jedoch voraus, dass
die Belange des Straßenverkehrs und die Interessen anderer Anlieger berücksichtigt werden.
Vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v.
01.06.2005 - 8 A 2350/04, juris Rn. 34: „Bei
Lärmpegeln, die die in den LärmschutzRichtlinien-StV aufgeführten Richtwerte - in
Mischgebieten 75 dB(A) tags/65 dB(A) nachts überschreiten, kann sich das Ermessen der Behörde
zur Pflicht zum Einschreiten verdichten; eine Ermessensreduzierung auf Null ist aber auch dann
nicht zwangsläufig gegeben“.
c) Insgesamt kann die Verhältnismäßigkeit eines Durchfahrverbots sachgerecht
daher nur bewertet werden, wenn insbesondere die Zusatzbelastung für sonstige Anwohner aufgrund eines Ausweichverkehrs bekannt ist. Gleiches gilt für
etwaige wirtschaftliche Nachteile der vom Durchfahrverbot betroffenen Unternehmen und ähnliches (Anlieger- und Anlieferverkehr für Kuhbach und
Reichenbach; Andienung der Gemeinde Seelbach; …).
Die erzielbare Lärmentlastungswirkung für die betroffenen Anwohner an der
B 415 muss gegen die sonstigen Folgen abgewogen werden.
Bei einem Nachtfahrverbot wird es in jedem Falle zu Verlagerungswirkungen
kommen. Fraglich ist daher, ob eine nähere Untersuchung der Verlagerungswirkungen und der damit verbundenen Erhöhung von Lärmbeeinträchtigungen
für die Entscheidung der Stadt überhaupt aussagekräftig ist. Dies ist zu bejahen: Die schon jetzt belasteten Ausweichstrecken (B 33, B 3, L 102 und L
103) weisen unterschiedliche Vorbelastungen auf (dazu Erläuterungsbericht
Fichtner vom 11.12.2019, S. 12). Dies führt zu bei Verkehrsverlagerungen zu
unterschiedlichen Lärmerhöhungen und zu unterschiedlich hohen Emissionspegeln. So ist etwa die Erhöhung eines Emissionspegels von 48 dB(A) (L 103)

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anders zu beurteilen als die Erhöhung einer Vorbelastung von 61,5 dB(A) (B
33). Nur wenn ein Nachtfahrverbot in jedem Falle aufgrund der Verlagerungswirkungen unzulässig wäre, wäre eine nähere Untersuchung nicht
zweckmäßig. Dies dürfte jedoch nicht der Fall sein, da die von Fichtner ermittelten Emissionspegel an der B 415 in Kuhbach und Reichenbach deutlich insbesondere über denjenigen an der L 103 liegen. Eine dortige Emissionserhöhung erscheint damit nicht von vornherein unverhältnismäßig. Von zentraler
Bedeutung ist jedoch, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die bereits hohen Vorbelastungen an der B 33, B 3 und L 102 weiter erhöht würden. Auch
die Auswirkungen an der L 103 können jedoch nicht ausgeklammert werden,
insbesondere da der dortige Emissionspegel nach den überschlägigen Berechnungen von Fichtner nachts oberhalb der Werte der 16. BImSchV liegen würde (Erläuterungsbericht Fichtner vom 11.12.2019, S. 12).
Möglicherweise wird die Festsetzung eines Nachtfahrverbots aufgrund der
von Fichtner noch näher herauszuarbeiten Verlagerungswirkungen im Ergebnis nicht möglich sein. Der Ergebnisbericht Fichtner führt bereits aus, dass die
Gesamtbilanz eines Durchfahrverbots aufgrund der Steigerungen an anderer
Stelle eher „neutral“ ausfallen dürfte. In diesem Falle könnte ein Nachtfahrverbot ermessensfehlerhaft sein. Ohne diese Untersuchung und die Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Folgen wird ein Nachtfahrverbot jedoch
in keinem Falle möglich sein.
2. Tempo 30
Maßstab für die Auswirkungen des Nachtfahrverbots dürfte die vorherige Anordnung eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h sein.
Grundsätzlich ist für eine straßenverkehrliche Maßnahme zwar eine Pegelminderung von mindestens 3 dB(A) (aufgerundet ab 2,1 dB[A]) erforderlich.
Dies gilt jedoch nicht oberhalb der Grenze zur Gesundheitsgefährdung.
Z.B. Hessischer VGH, Urt. v. 19.02.2014 – 2 A
1465/13, juris Rn. 27.
Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h würde vorliegend zu einer
Pegelminderung von „nur“ 1,2 dB(A) führen. Da aber Nachtwerte bis zu 65
dB(A) ermittelt wurden, bedarf es somit keiner Pegelminderung von mindestens 2,1 dB(A).
Es dürfte auch keine belastbaren Ermessenserwägungen geben, auf eine solche
Geschwindigkeitsbeschränkung zu verzichten. Einer solchen Beschränkung
stehen deutlich weniger Gründe entgegen als dem LKW-Fahrverbot, da insbesondere keine annähernd vergleichbaren Verlagerungseffekte entstehen wer-

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den. Eine befürchtete Erschwerung eines LKW-Nachtfahrverbots dürfte keinen entscheidenden Gesichtspunkt für die Ermessenserwägungen darstellen.
3. Ergebnis
Die ermessensfehlerfreie Anordnung eines Nachtfahrverbots kann meines Erachtens nicht ohne weitere Untersuchungen erfolgen. Möglicherweise werden
die Untersuchungen jedoch ergeben, dass ein Nachtfahrverbot aufgrund der
Verlagerungswirkungen nicht zulässig ist.
Wenn Sie vor diesem Hintergrund Zweifel haben, ob eine (aufwändige) Untersuchung zweckmäßig ist, könnte zunächst noch einmal das Gespräch mit
dem Büro Fichtner gesucht werden, wie belastbar die vorläufig vermuteten
Verlagerungswirkungen (vergleiche Erläuterungsbericht Fichtner, S. 12) voraussichtlich sind. Sollten diese aller Voraussicht nach belastbar sein, könnte
versucht werden, auf dieser Grundlage eine vorläufige Ermessensentscheidung
vorzunehmen und gegebenenfalls mit dem RP abzustimmen. Sollte im Ergebnis das Nachtfahrverbot angeordnet werden, wären dann aber aufgrund der
obigen Ausführungen die ergänzenden Untersuchungen noch vorzunehmen,
um dieses Ergebnis abzusichern.
Mit Herrn Bürgermeister Petters hatte ich mich kürzlich noch dazu ausgetauscht, dass sich die Frage stellt, inwieweit bei den bisherigen Untersuchungen des Büros Fichtner die Besonderheiten der örtlichen Verkehrssituation berücksichtigt worden sind (Verkehrszusammensetzung, Leertransporte u.a.).
Auch dies sollte noch einmal mit Fichtner erörtert werden - einschließlich der
Frage, inwieweit die maßgeblichen Regelwerke eine Berücksichtigung dieser
Besonderheiten erlauben. Ich bitte um Nachricht, ob Sie dies tun oder ich es
übernehmen soll.
Wir Rückfragen stehe ich natürlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen

(Prof. Dr. Torsten Heilshorn)
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht