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Beschlussvorlage (Konzept EiA 2022)

                                    
                                        Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

Antrag auf
Gewährung
einer Zuwendung für
Berufsorientierungsmaßnahmen
nach § 48 SGB III

„Erfolgreich in Ausbildung“
Vertiefte Berufsorientierung an den Schulen
Gemeinschaftsschule Friedrichschule
Verbundschule Lahr

Projektzeitraum
01.01.2022 bis 31.12.2022

Amt für Soziales, Schulen und Sport
Abt. Bildung und Sport
Rathausplatz 7
77933 Lahr/Schwarzwald

1

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

Ausgangslage und Handlungsbedarf
Eine Maßnahme wie „Erfolgreich in Ausbildung“ - oder kurz „EiA“ - ist notwendig, weil die
meisten Jugendlichen in der Übergangsphase von der Haupt-, Werkreal- und Realschule in
eine Berufsausbildung oder in das weiterführende Schulsystem eine intensive Begleitung,
fachliche Beratung und persönliche Hilfestellungen benötigen, die weder über die Berufsberater der BA noch durch die Lehrkräfte an den Schulen in der notwendigen und hier
geplanten Intensität erbracht werden können.
Die Jugendlichen stehen vor weitreichenden Entscheidungen, welche zu tiefgreifenden
Veränderungen führen. Sie wissen das und fühlen sich aufgrund der Tragweite und
Zukunftsweisung der anstehenden Entscheidungen oftmals überfordert. Bei einigen
Schülerinnen und Schülern (SuS) insbesondere der Anschlussklassen führt dieser
Entscheidungsdruck sogar zu Stagnation und Lähmung. Die mit diesem Prozess verbundene
Unsicherheit sorgt für Konflikte und Ängste, da von den Jugendlichen oft nur die Risiken und
Anforderungen wahrgenommen werden, nicht aber die Vielzahl von Chancen, Optionen und
persönlichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
Dazu befinden sich die Jugendlichen in der Phase der Pubertät und Verselbstständigung.
Auch dieser Umstand ist nicht selten von Konflikten, sei es in der Familie, Schule oder später
dann im Ausbildungsbetrieb, geprägt. In diesem Kontext sehen sich viele Eltern nicht dazu in
der Lage, ihre Kinder im Prozess der „Berufsberatung“ adäquat zu unterstützten. Dies hat
mehrere Gründe und ist nicht immer auf ein elterliches Desinteresse zurück zu führen. In
einzelnen Klassen der Lahrer Schulen beträgt der Anteil von SuS mit Migrationshintergrund
mehr als 75%. Viele Eltern mit Migrationshintergrund kennen sich im komplexen deutschen
Bildungs- und Ausbildungssystem, das zudem einem ständigen Wandel unterliegt, nicht aus.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich gerade diese Eltern auch scheuen, selbst Rat,
Unterstützung und Hilfe bei Dritten einzuholen. Nicht zuletzt werden den Kindern dieser
Familien auch sehr stereotype Orientierungsvorschläge1 vermittelt, die weder den
Anforderungen des Arbeitsmarktes noch in irgendeiner Weise den Fähigkeiten der
Jugendlichen entsprechen. Wir gehen davon aus, dass viele Berufsentscheidungen von den
Vorstellungen der Eltern über bestimmte Geschlechterrollen, anstelle von wahren Fähigkeiten und Möglichkeiten, geprägt sind, welche letztendlich eine gute Passung zwischen
Beruf und Person erschweren. Eine Pilotstudie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut
macht deutlich, „dass Stereotype auf verschiedenen Ebenen wirken, die die „wahren“
beruflichen Präfenzen junger Menschen überlagern und dominieren können, so dass es zu
einer suboptimalen Berufswahl kommt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die
sogenannte Bedrohung durch Stereotype (Stereotype Threat), wonach Personen ihr
Verhalten in einer Situation oder bei einer Tätigkeit anpassen, für die es einen negativen
Stereotyp der eigenen sozialen Gruppe gibt. Studien deuten darauf hin, dass durch eine
Informationsmaßnahme Stereotypen aufgebrochen werden können.“2
Viele Eltern schränken - mehr oder minder unbewusst - die beruflichen und persönlichen
Horizonte und Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Kinder a priori und meist zu deren Nachteil
ein. Wenn wir die in den Bildungsplänen vorgegebenen Bildungsziele wie Selbstbestimmung,
1

Generalisierte Lebenskonzepte bzw. Stereotype finden sich in allen gesellschaftlichen Gruppen und nicht nur
in Familien mit Zuwanderungskontext.
2
HWWI (Hrg.): Boll, Christina; Bublitz, Elisabeth; Hoffmann, Malte: Hoffmann: Geschlechtsspezifische
Berufswahl: Literatur - und Datenüberblick zu Einflussfaktoren, Anhaltspunkten struktureller Benachteiligung
und Abbruchkosten; Hamburg 2015.

2

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

kritische Urteilsbildung, Mitbestimmung, Solidarität sowie Wertschätzung von Vielfalt ernst
nehmen, dann ist es im Rahmen von EiA ein Muss, die Kinder und Jugendlichen auf die
geschlechtsspezifische Aspekte bei der Berufswahl, Familien- und Lebensplanung
hinzuweisen. Entsprechend der vorgenannten Studie helfen allein Informationsmaßnahmen,
welche dann auch als chancenreich wenn nicht einzig zielführend benannt werden. Doch
Informationsvermittlung ist das eine! Viel wichtiger ist, dass die Informationen auch so
vermittelt werden, dass sie von den Jugendlichen auf- und angenommen werden. Die
Chancen hierfür steigen, wenn zu den Jugendlichen ein tragfähiges Vertrauensverhältnis
aufgebaut werden kann, was durch die Projektstruktur von „EiA“ vollumfänglich gegeben sein
sollte. Doch nicht nur für die Informationsvermittlung gilt: Das Management der Übergangspassage muss gelingen, da ansonsten die Gefahr groß ist, dass besonders benachteiligte
Jugendliche in eine Abwärtsspirale geraten, die von regelmäßigen Zeiten der Arbeitslosigkeit
und der Abhängigkeit von Transferleistungen gekennzeichnet sein wird.
Zunehmend können wir aber auch beobachten, dass viele Eltern davon ausgehen, ihre
Kinder würden die anstehenden Entscheidungen über die Lebens- und Berufswegeplanung
selbst am besten bewerkstelligt bekommen. Hierbei übersehen viele Eltern aber, wie
komplex und mannigfaltig die Entscheidungsgrundlagen in Bezug auf die berufliche
Orientierung geworden sind. Zu glauben, dass alle Kinder und Jugendliche diese
Entscheidungen selbst finden können, führt diese zwangsläufig in ein System von Irritation,
Orientierungslosigkeit und Überforderung. Ohne eine professionelle Unterstützung würden
auch hier wieder bestimmte Gruppen von Kindern und Jugendlichen eine Benachteiligung
erfahren. Natürlich setzten wir alles daran, die jungen Menschen zu befähigen, künftig
eigenverantwortlich und aktiv ihre Lebens- und Berufswegeplanung selbst gestalten zu
können, doch bis dieses Ziel erreicht ist, benötigen die meisten 14- bis 16-Jährigen noch
Rat, Hilfe, Reflexionsmöglichkeiten und Unterstützung.
Für uns gehören frühzeitige Maßnahmen zur beruflichen Orientierung und eine optimale
Informationsvermittlung zu den wichtigsten Instrumenten, um die Teilhabegerechtigkeit und
-chancen in einer Erwerbsgesellschaft herzustellen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen aus bildungs-, arbeitsmarkt- und/oder „kulturfremden“3 Familien.
Wir tragen vollumfänglich das Motto der Partner des Nationalen Paktes für Ausbildung mit:
„Berufswegeplanung ist Lebensplanung“.
Auch wenn der Punkt „Lebensplanung“ dem Grund nach nicht zum Konzept des EiAProjektes gehört, so findet sich aber genau an diesem Punkt eine weitere Schnittstelle
zwischen „EiA“ und den Lehrplänen der Schulen. So erscheint der Punkt „Lebensplanung“ im
Berufswahlpass (Steuern, Kaufverträge, Kredite, Versicherungen etc.) aber auch im Fach
Berufsorientierung/Kompetenztraining in den 10. Klassen der Werkrealschulen. Die
Lehrkräfte suchen zu dem Thema regelmäßig nach gutem Material und tauschen sich auch
hierzu mit dem EiA-Team aus.
Jugendliche orientieren sich grundsätzlich stark an ihrer „peer group“. Die über diesen Weg
eingeholten Informationen sind aber unvollständig und meist nur aus dem eigenen, d.h.
beschränkten Erfahrungshorizont geprägt, nicht zuletzt wieder durch Stereotype. Das führt
oft dazu, dass die über diesen Weg „ermittelten“ Fähigkeiten, Möglichkeiten und selbst
3

Natürlich gehen wir davon aus, dass auch Menschen, die unser Gemeinwesen nicht kennen, eine Kultur
haben. Allerdings sehen wir auch, dass es in unserem Umfeld spezifische Techniken gibt, welche konkret
helfen, sich optimal in einem auf Erwerbswirtschaft gründenden Gemeinwesen einzufinden.

3

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

Interessen von den Jugendlichen falsch eingeschätzt und gewichtet werden und dadurch
berufsrelevante Entscheidungen auf mangelhaften Grundlagen getroffen werden.
„Berufsintegrationslotsen“ müssen sich darüber bewusst sein, dass auch Berufe bestimmten
Trends unterliegen. Berufe können deshalb je nach Zeitgeist als en vogue und chic oder
ätzend und abschreckend bewertet werden. Derzeit beobachten wir beispielsweise, dass
viele SuS vermehrt körperlich anstrengende und mit „Schmutz“ verbundene Tätigkeiten und
Berufsausbildungen trotz guter Eignung und hervorragenden Chancen meiden, weil diese in
den „peer-groups“ kaum Reputation genießen. Beispielsweise streben viele Jugendliche s.g.
„white-collar-jobs“ an, obwohl ihnen die Talente dafür - und auf den Beruf bezogene
Grundkompetenzen - vollkommen fehlen.
Durch die Methode der „systematischen Desillusionierung“ wollen wir absehbare Fehlentwicklungen verhindern. Jugendliche verstehen nach eingehender Beratung sehr wohl, dass
sich der vermeintliche Traumberuf nach ein bis zwei Ausbildungsjahren dann doch als
„Horrorjob" herausstellen kann, wenn die berufliche Realität und die Anforderungen der
Berufsschule am Ende dann doch vollkommen anders aussehen als von ihnen angenommen
wurde. Die Erfahrung zeigt deutlich, dass Jugendliche die „systematischen Desillusionierung“
von unparteiischen Dritten eher annehmen, als von den eigenen Lehrern oder den Eltern.
Die Kolleginnen und Kollegen von EiA werden als solche unparteiische Helfer wahrgenommen, was die Kritikfähigkeit erhöht und den Jugendlichen den „Umdenkprozess“ erleichtert.
Kein Jugendlicher plant seinen Misserfolg und keiner möchte durch Fehlentscheidungen
unnötig Zeit4 verlieren. Behutsam müssen viele Jugendliche deshalb darauf hingewiesen
werden, dass der angestrebte Berufswunsch mit den vorliegenden Notenbildern, Talenten
und erkannten Kompetenzen nicht in Einklang gebracht werden kann. Gegebenenfalls
müssen die SuS auch auf mangelnde Motivation, Engagement und fehlende
Schlüsselqualifikationen hingewiesen werden. Durch das Projekt EiA wollen wir SuS dabei
unterstützen, ihre tatsächliche Fähigkeiten und Interessen richtig einzuschätzen, nicht nur
durch die Ergebnisse des Profil-AC, Elemente des Berufswahltest (BWT), Berufswahlpass,
Berufeuniversum etc. sondern durch geduldige und sachliche Beratung aber vor allem auch
mithilfe unserer Kooperationsbetriebe bspw. durch Betriebsbesichtigungen, BerufsbotschafterInnen und natürlich mittels vielfältiger Praktikumsmöglichkeiten.
Leider stellen wir zunehmend auch fest, dass Jugendliche einen weiteren Schulbesuch
anstreben und zwar ohne, dass sich daraus für sie ein signifikanter Mehrwert oder eine
Steigerung der Berufseinmündungschancen ergeben würde. Diesen SuS ist dieser Umstand
oft selbst nicht bewusst, ebenso wenig ist ihnen klar, wie gut ihre Berufseinmündungschancen derzeit sind. Der Bewerbermarkt ist vorhanden und von Lehrstellenmangel kann
zumindest in der Ortenau im Moment keine Rede mehr sein.
Auch hier müssen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einem Stereotyp bzw. Mythos
begegnen, der den Jugendlichen noch vor kurzem vermittelte, den Schulbesuch möglichst
lange hinauszuschieben und weiter zu „genießen“. Über die Forschungsprojekte der Uni
Duisburg-Essen “Berufswahl und Transfer“ aber auch „Berufsorientierung Jugendlicher“ kann
belegt werden: „Im Rahmen einer weiteren Studie zum Entscheidungsverhalten von
Jugendlichen beim Übergang von der Schule in den Beruf hat sich gezeigt, dass viele
Schüler im Verlauf des 10. Schuljahrs aufgrund der antizipierten Erfahrung von
4

Vgl. Nachhaltigkeit

4

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

Chancenlosigkeit auf dem Ausbildungsmarkt den Wunsch, eine Berufsausbildung zu
beginnen, zurückstellen und sich zunehmend an den Gelegenheitsstrukturen des
Ausbildungsmarktes orientieren und häufig auf eine weiterführende Schule ausweichen.“5
Diese Entscheidungen wurden in den letzten zwei Dekaden gefördert und wurden zum
Credo ganzer Schüler- und Elterngenerationen. Sie waren aber einem vollkommen anderen
Ausbildungsmarkt geschuldet, was den SuS im Beratungsgespräch klar vermittelt werden
muss. Hilfreich wird hier sein, der Verweis auf Unabhängigkeit, Selbständigkeit und andere
Mehrwerte, die Pubertierenden in dieser Entwicklungsphase zunehmend wichtig sind.
Weiterhin ist die Schullandschaft im Umbruch. Lehrer der Hauptschule und Werkrealschule
bemängeln die Theoretisierung ehemals praxis-betonter Fächer. Wo vor zwei Jahren noch
ein erstelltes Werkstück nebst dazu gehöriger Dokumentation benotet wurde, steht heute ein
schriftlicher Test. Auch hat der Wegfall der Notenhürden für weiterführenden Schulbesuch6 in
den letzten Jahren zu erheblichen Beratungsbedarfen geführt. Das „Sitzenbleiben“ und
„Abschulen“ häuft sich dadurch zunehmend. Auch entfaltet das EiA-Team Wirkung, weil es
frustrierte Kinder auffängt und ihnen gute Wege in „Reich der Berufe“ aufzeigt. Auch wurden
in Lahr Internationale Vorbereitungsklassen für Zuwanderer eingerichtet, deren SuS oft erst
in den Vorabschluss- oder Abschlussklassen die Regelklassen besuchen dürfen. Gerade die
„frisch“ zugewanderte Klientel hat kaum Kenntnisse über unseren Ausbildungs- und
Arbeitsmarkt.
Deshalb bleibt das Aufzeigen konkreter beruflicher Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten für SuS der Abgangsklassen von zunehmender Wichtigkeit. Auch machen die
neue Bildungsplanung aber auch die Entwicklungen hin zu Ganztags- und
Gemeinschaftsschulen die Neuentwicklung und Umsetzung eines angepassten und
sinnvollen Berufsorientierungskonzepts erforderlich.
Es wird beklagt, dass die politischen Vorgaben des Kultusministeriums kaum mit den
entsprechenden Deputaten ausgestattet wurden, so dass die Angebote an den Schulen
weiterhin sehr allgemein gehalten bleiben müssen. Die Lehrerinnen und Lehrer sind sehr
dankbar, dass das EiA-Team die individuelle BO der SuS vollständig übernimmt. Von dieser
individuellen BO profitieren zuallererst benachteiligte Schülergruppen. Das Übergangsmanagement in den Beruf ist für die Gruppe mithin die größte Herausforderung, weil sie
keinen adäquaten Zugang zu integrations- und entscheidungsrelevanten Informationen
haben. EiA unterstützt die Jugendlichen dabei die richtigen“ Informationen zu finden,
herauszufiltern und geeignete Maßnahmen hierzu umzusetzen.
Auch die Ergebnisse der Berufsberatung der Agentur für Arbeit umzusetzen, fällt vielen
Schülern und Schülerinnen schwer, da sie von zuhause aus, weder das hierzu nötige Feedback noch eine kompetente Unterstützung bekommen. Ebenso wenig können wir davon
ausgehen, dass den Jugendlichen in allen Haushalten die für ein Bewerbungsverfahren
nötige technische Ausstattung und das entsprechende Anwender-Know How zur Verfügung
stehen. Auch in diesem Kontext hätten die Kinder aus benachteiligten Familien ohne unsere
Unterstützung und ein konkretes Hilfeangebote wieder ein deutliches Nachsehen.

5

Vgl. Birkelbach, Klaus: Schule als Notlösung. Die Entwicklung der Entscheidung zwischen einer Berufsausbildung und einem weiteren Schulbesuch im Verlauf des letzten Schuljahres der Sekundarstufe I bei Haupt-,
Real- und Gesamtschülern: In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 103, H. 2, S. 248-263, 2007.
6
Kinder, die 2012 vom Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung profitierten, erreichen nun peu a peu
die Abschlussklassen.

5

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

Die Herausforderungen für diese Kinder und Jugendlichen sind mannigfaltig: Besonders
schwierig ist dabei die online-Bewerbung, die mittlerweile von allen großen Arbeitgebern in
der Region gefordert wird. Auch sind die Auswahlprozesse der Firmen in den letzten Jahren
immer anspruchsvoller geworden. Benachteiligten Bewerbergruppen fällt es bspw. in den
vermehrt stattfindenden Assessment Centern zunehmend schwer, sich gegen ihre
Mitbewerber durchzusetzen, die solche Situationen beispielsweise in ihren Familien
durchsprechen, üben und sich über diese Struktur vorbereiten können.
Auch um Fristen verlässlich wahrzunehmen oder um Schülern zu ermöglichen, eigene aber
auch schulische Vorschläge und die Vorschläge der BA umzusetzen, werden verlässliche
Ansprechpartner vor Ort gebraucht. Diese sollen die Schüler auch auffangen, Misserfolge
besprechen, Krisen überwinden helfen, Verbesserungspotentiale aufzeigen und die
Jugendlichen permanent zum Weitermachen und Durchhalten motivieren. Auch hier ist die
Rolle eines „Unparteiischen“ wichtig, weil die Bewertung dieser Kontexte sich nicht an den
Bewertungsschemata der Schule orientiert, sondern auf Dialog, Verständnis und Augenhöhe
ausgerichtet ist.
Häufig äußern Vertreter der Wirtschaft, dass es den Bewerbern und Bewerberinnen an
Ausbildungsreife sowie genügender Eingangsqualifikationen für die heutigen Anforderungen
vieler Lehrstellen fehle. Viele Schüler und ganz besonders Kinder aus benachteiligten
bildungs- und arbeitsmarktfernen Familien wissen nicht, was in den Betrieben und den
unterschiedlichen Berufsfeldern auf sie zukommt und mit welchen Erwartungen sie in den
Betrieben konfrontiert werden. Diese Unkenntnis erschwert den Jugendlichen den direkten
Übergang von der Schule in einen Beruf. Um die Kenntnisse der Jugendlichen hier zu
vertiefen, bspw. durch die Organisation von Praktika, welche die Arbeitswelt erlebbar und
fassbar machen, benötigt es Koordinatoren. Diese organisieren gemeinsame Projekte und
fördern den regen Austausch zwischen Schulen, Schülern und Firmen. Aber auch
Kompetenzen, wie die allenthalben geforderte Kritik- und Reflexionsfähigkeit, werden im EiA
trainiert. Im Rahmen von EiA setzen wir „Initiativkräfte“ frei, welche die Jugendlichen dazu
befähigen, durch Eigeninitiative zu Mitgestaltern der eigenen Lebenswelten und des
Gemeinwesens zu werden
Inhalt und Methoden
Erfolgreich in Ausbildung - kurz EiA - ergänzt und vertieft die Berufsorientierung allgemein
bildender Schulen in Lahr und die Angebote der Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Die
zusätzliche Unterstützung des Berufswahlprozesses der Jugendlichen soll den direkten
Übergang aus den Schulen in Ausbildung erhöhen, durch:
1.

Individuelle Begleitung und Beziehungsaufbau
Eine individuelle Begleitung und der persönliche Beziehungsaufbau bis hinein in die
Familien der SuS gehört zu den Hauptaufgaben des EiA-Teams. Wir unterstützen die
Jugendlichen bei der Erstellung von guten Bewerbungsunterlagen und führen im
Rahmen der Praktikumsvorbereitung und -reflexion viele Einzelgespräche. Alle
Informationen werden gesammelt und fließen dann in die Ausarbeitung und
Umsetzung einer passenden Berufswegeplanung ein.
Eine zentrale Gelingensbedingung für die erfolgreiche Berufswegeplanung und das
Erarbeiten einer passenden Integrationsstrategie ist die enge Zusammenarbeit mit
der Berufsberatung der Bundesagentur und die Einbindung der Lehrerinnen und
6

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

Lehrer. Das EiA-Team nimmt Praktikumsbesuche wahr und nimmt dort die
Rückmeldungen der Betriebe auf. Der Beziehungsaufbau wird bspw. über
erlebnispädagogische Angebote unterstützt.
Wichtig ist aber auch, die Jugendlichen über berufsbezogenen Risiken zu
informieren. Wir vermitteln den Jugendlichen, dass die Berufsentscheidung heute mit
der Arbeitswirklichkeit in der Zukunft in einer engen Wechselbeziehung steht. D.h.
die Schulabgänger auch über die Zukunftschancen und das damit verbundene
Arbeitsplatzverlustrisiko von bestimmten Berufen aufzuklären, genauso über
Übergangswege und Fortbildungen bspw. Meister- und Technikerschulen oder auch
ein Studium.
2.

Vertiefte Eignungsfeststellung
Die vertiefte Eignungsfeststellung findet über die Auswertung der gesammelten
Informationen statt. Zu unseren zentralen Anliegen gehört, Jugendliche sensibel für
die eigenen Stärken zu machen und sie individuell bei der Übernahme von
Eigenverantwortung in dem Abstimmungsprozess zwischen Interessen, Wünschen,
Fähigkeiten und den Anforderungen und Bedarfen der Arbeits- und Berufswelt zu
unterstützen.
Ein geeignetes Mittel sind, wie schon angesprochen wurde, Kompetenzfeststellungen
und Potenzialanalysen (Job-Erkundungs-Tage, Volksbank-Berufenavigator, Profil-AC,
Berufeuniversum, etc.), deren Ergebnisse mit den Praktikumsbewertungen aber auch
den Schulnoten der Jugendlichen aber auch den Feedbackgesprächen mit Fachlehrern und Klassenlehrern abgestimmt werden. Sämtliche Ergebnisse und
Vorschläge werden im Portfolio festgehalten und mit den Jugendlichen und ggf. auch
den Eltern ausgewertet und diskutiert.

3.

Verbesserung des Entscheidungsprozesses
Die Kenntnisse über die eigenen Fähigkeiten und Interessen sind für die individuelle
Berufswahl von Jugendlichen von entscheidender Bedeutung, denn nur dadurch
haben die Jugendlichen die Möglichkeit eine passende und chancenreiche
Ausbildung anzustreben. Zum anderen kann dadurch auch verhindert werden, dass
die jungen Menschen ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen, weil zuvor eine falsche
Berufswahl getroffen wurde.
Wir erleben, dass Jugendliche die Auswertung und die Ergebnisse der Testungen
und besonders kritische Rückmeldungen oft erst dann annehmen, wenn ihnen
„unparteiische“ Ratgeber die Konsequenzen falscher Entscheidungen aufzeigen.
Information und Motivation der Jugendlichen, Reflexion der Punkte 2 und 4 und
bisheriger Erfahrungen im Bewerbungsprozess

4.

Vertiefung berufs- und betriebskundlicher Kenntnisse und Erfahrungen
Das EiA-Team organisiert gemeinsam mit den Schulen und den Berufsberatern der
BA s.g. Bildungspartnerschaften, also tragfähige und mit Verträgen untermauerte
Kooperationen und Schnittstellen zwischen den Schulen und Ausbildungsbetrieben
der Wirtschaft aber auch sozialen Dienstleistern bzw. öffentlichen Betrieben wie dem
Ortenau Klinikum.

7

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

In manchen Schulen organisiert das EiA-Team für interessierte SuS monatlich
mindestens eine Betriebsbesichtigung. Diese werden im Nachgang zusammen mit
den SuS ausgewertet und reflektiert. Zudem werden Schul- und auch Ferienpraktika
organisiert, welche den Jugendlichen ganz praktisch eigene Kompetenzen und
Interessen aufzeigen sollen. Auch das „Instrument“ der Ausbildungsbotschafter hat
sich sehr gut bewährt. Hier werden Azubis - vorzugsweise ehemalige Schüler - in die
Schulen eingeladen, um den Jugendlichen in den Abschlussklassen von den
Anforderungen und Inhalten ihrer Ausbildung zu erzählen. Da Jugendliche - in der
Übergangsphase zum Erwachsensein - „Ratschlägen“ von Institutionen (und deren
Vertreterinnen), die prototypisch für die Erwachsenenwelt stehen, auch mit
Misstrauen begegnen, zeigt der unmittelbare Austausch mit (fast) Gleichaltrigen
vertrauensschaffende und damit positive Wirkung. Die Ausbildungsbotschafter und botschafterinnen werden, mehr noch als die Mitarbeitenden im EiA-Team, als
unparteiische Ratgeber wahrgenommen und geschätzt.
Im Rahmen der Bildungslandschaft, AG Übergang Schule/Beruf, wurde bereits über
ein Konzept „Superpraktikum“ diskutiert, das nach dem Best-Practice-Wirtschaftsforum im Mai, auch mit Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Lahrer mittelständischer
Industrieunternehmen (ALMI), Vertretern der Stadt und ihrem Wirtschaftsförderer,
Vertretern der Schulen und auch unserem EiA-Team erste fruchtbare Ideen zeigte.
Die ALMI möchte SuS ermöglichen, ab der 8. Klasse von der Werkrealschule bis zum
Gymnasium eine Woche in den Ferien, also freiwillig, jeden Tag ein neues
Unternehmen besuchen zu dürfen. Die Jugendlichen können so eine Vielzahl von
Ausbildungsberufen und Möglichkeiten kennenlernen. Klar ist, dass das Konzept trotz
der Freiwilligkeit von der Schule getragen und in den Schulalltag eingebaut werden
muss, wozu die betroffenen Schulleitungen schon sehr positive Rückmeldungen
gaben. Auch dieser Projektbaustein wird an den betreffenden Schulen über das EiATeam koordiniert
Weitere Angebote sind der gemeinsame Besuch von Messen, Girls und Boys days,
Elterntage und Projekte in Betrieben aber auch das BIZ-Mobil.
5.

Erweiterung der Schlüsselqualifikationen
Die Jugendlichen in den Abschlussklassen werden mit vielfältigen Forderungen
konfrontiert, deren Lösungen nicht selbsterklärend sind und einem auch nicht so
einfach in den Schoß fallen oder gar etwas mit Intelligenz zu tun haben. Es geht
darum, sich adäquat verkaufen zu lernen. Dies kann und muss geübt werden. Das
EiA-Team übt mit den Schülerinnen und Schülern nicht nur wie man sich in einem
Vorstellungsgespräche geben soll, sondern auch die Hintergründe dieses speziellen
Kontextes. Es geht auch hier - aber auch beim praktischen Üben des Instrument des
Assessment Centers - darum, die Jugendlichen darauf hinzuweisen, dass Arbeitgeber mit diesen Methoden auszuloten versuchen, inwiefern die Bewerberinnen und
Bewerber in ein Team, in ein Unternehmen, ein Berufsfeld bzw. eine Branche
passen. Deshalb raten wir den Jugendlichen auch, die Fragen eines Persönlichkeitstests offen und ehrlich zu beantworten, was voraussetzt, dass die Jugendlichen sich
im Vorfeld überlegen müssen, was die wesentlichen Punkte ihrer Persönlichkeit
ausmacht. Elemente aus dem Bochumer Inventar zur Berufsbezogenen
Persönlichkeitsbeschreibung (BIP), Satzergänzungstests, verschiedene Multiple
Choise-Tests welche den Jugendlichen helfen sollen, die eigene Motivation für eine
8

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

Berufswahl aber auch die Selbsteinschätzung zu den Stärken, Schwächen und der
Leistungsfähigkeit zu erkennen, fließen deshalb in unser Arbeit ein.
Außer dem Praktikum in den Ausbildungsbetrieben selbst können über den
Erfahrungshorizont der Schülerfirmen, Schlüsselkompetenzen aber auch konkretes
beruflichen Handeln und Arbeitsprozesswissen eingeübt und erworben werden.
Wichtig bleibt bei all diesen Methoden, dass jeder Jugendliche über das EiA-Team
ein gutes persönliches Feedback erhält.
Über diesen Weg wird den Jugendlichen klar, was ein Betrieb von ihnen erwartet. Im
Folgenden sollen sich aber auch die Jugendlichen über die Betriebe informieren, bei
denen sie sich bewerben. Was ist das für ein Unternehmen bei dem ich mich
vorstelle? Erfahre ich etwas über deren Unternehmenspolitik oder den Führungsstil?
6.

Individualisierte und aufsuchende Elternarbeit7
Leider müssen wir immer noch feststellen, dass die Versuche über Elternabende,
Runde Tische oder Elterncafés mit den Familien in Kontakt zu kommen, nicht richtig
fruchten wollen. Wir sehen in der Elternarbeit aber gute Chancen, deren Kinder
besser und zielgerichteter unterstützen zu können. Deshalb werden wir auch im EiAJahr 2022 weiter nach Wegen suchen, diese zu erreichen. Im Rahmen aufsuchender
Arbeit, werden wir weiterhin genau jenen Eltern „nachgehen“, die über die
herkömmlichen Zugangswege nicht mehr erreicht werden bzw. erreicht werden
wollen. Mit dieser bedingungslosen, niedrigschwellige und lebensweltorientierten
Unterstützungs-, Vermittlungs- und Integrationsmaßnahme erhoffen wir genau jene
Eltern zu erreichen, die von sich aus niemals den Weg in die Schule finden würden.
Die persönliche Kontaktanbahnung geschieht, nachdem sich unsere Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen bei den Kindern und Jugendlichen beispielsweise über die Sprachkompetenzen der Eltern und andere Rahmenfaktoren informiert haben. Der
Erstkontakt soll über das Telefon organisiert werden, so dass idealerweise dann ein
persönliches Gespräch verabredet werden kann. Falls sich im Vorfeld herausstellen
sollte, dass die Eltern die Gespräche aufgrund fehlender Sprachkompetenzen
scheuen, organisieren wir über den Dolmetscherpool der Stadt Lahr eine Sprachvermittlung.
Durch persönliche Kontakte im vertrauten Umfeld der Familie kann ein
Vertrauensverhältnis zwischen unseren Mitarbeitenden und den Eltern aufgebaut
werden, welches anschließend auch genutzt werden kann, um ihnen weitergehende
Hilfen und Unterstützung nahezubringen. Wir wollen so Schwellenängste abbauen
und den Eltern in einem zweiten Schritt dadurch ermöglichen, selbständig den
Kontakt zu den EiA-Ansprechpartnern aber auch den Schulen zu finden. Durch
dieses Angebot hoffen wir nicht nur die Eigenkräfte der betroffenen Familien zu
fördern, sondern ggf. die Handlungskompetenz und die soziale Situation der
gesamten Familie zu verbessern8.

7

Institut für soziale Arbeit e.V. (Hrsg.): „Neue Formen aufsuchender Elternarbeit“, ISA Jahrbuch zur Sozialen
Arbeit 2008.
8
Stange, Waldemar; Krüger, Rolf; Henschel, Angelika; Schmitt, Christof (Hrg.): „Planung und Strukturierung von
Elternarbeit, Gesamtkonzepte und Netzwerkarbeit“ in: Erziehungs- und Bildungspartnerschaften: Praxisbuch
zur Elternarbeit, S. 470 ff., Wiesbaden 2013.

9

Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA)

7.

Nachhaltigkeit
Ein Ausbildungsabbruch kann das Ergebnis einer suboptimalen Berufswahl und somit
auch Ergebnis suboptimaler Beratung sein. Für ein besseres Verständnis von
Abbruchentscheidungen ist es daher wichtig, Theorien der Berufswahlentscheidung
aber auch unsere Arbeit genauer zu betrachten. Nur so können mögliche Quellen von
Fehlentscheidungen, unserer Fehlentscheidungen und -entwicklungen identifiziert
werden.
Wir gehen davon aus, dass entscheidenden Einfluss auf eine Abbruchentscheidung
insbesondere die potentielle Diskrepanz zwischen der erwarteten Ausgestaltung und
der realen Beschaffenheit des Berufes hat.
Wir schreiben uns die passgenaue Vermittlung „unserer“ Jugendlichen auf die
Fahnen. Ein zentrales Indiz für die Passgenauigkeit ist, dass die Vermittlung nicht zu
Abbrüchen führt oder positiver formuliert, dass aus den Auszubildenden am Ende
auch Fachkräfte werden. Diese Feststellung ist derzeit lediglich gefühlsbasiert und
kann von uns im Moment nicht genau verifiziert werden, weil wir uns der Merkmale sprich einer verlässliche Datenlage - nicht gewiss sind. Deshalb haben wir im
Rahmen unseres Fehlermanagements beschlossen, künftig mindestens einmal
jährlich bei den Betrieben den Entwicklungsstand und die Zufriedenheit der Betriebe,
in Bezug auf die über das EiA-Projekt vermittelten Auszubildenden, systematisch zu
erfassen. Mit diesen Erhebungen verfolgen wir zweierlei Ziele: Zum einen erhalten wir
genaue Kenntnis über mögliche Abbruch- bzw. Erfolgsquoten „unserer“ Azubis. Über
qualitative Interviews erhoffen wir uns eine zentrale Daten- und Argumentationsbasis, welche uns das künftige „Vermittlungs- und Beratungsgeschäft“ erleichtern soll,
indem Fehlentwicklungen aber auch best practice erkannt werden können.
Außerdem können im Rahmen der Interviews aktuelle Vakanzen und Ausbildungsbedarfe ermittelt werden, so dass durch diese Methode immer auch die Jugendlichen,
die sich zum Zeitpunkt der Befragung um eine Ausbildung bemühen, einen Mehrwert
davon tragen können.

8.

Teilnehmerzahl:

Für das Schuljahr 2022 gehen wir von einer Gesamtteilnehmendenzahl von zirka 500
Personen aus. Die genaue Anzahl wird erfahrungsgemäß immer etwas variieren.
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in
•

der individuellen Begleitung u. Unterstützung des Berufsorientierungsprozesses der
SuS.

•

Erarbeitung einer passenden Bewerbungsstrategie

•

der Erarbeitung von alternativen Wegen zum Berufsziel

•

der Unterstützung beim Übergang in Ausbildung und weiterführende Schulen

•

der engen Kooperation aller am Orientierungsprozess Beteiligten

•

intensiven Kontakten zu Unternehmen

•

Mitarbeit am Konzept der Bildungslandschaft Lahr
10