Beschlussvorlage (Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB für die Lahrer Altstadt - Aufstellungsbeschluss)
27. Februar 2023
Beschlussvorlage Federführende Stelle: 61 Sachbearbeitung: Löhr Drucksache Nr.: 45/2023 Az.: - 0687/Lö An der Vorlagenerstellung beteiligte Stellen ZS02 Beratungsfolge Termin Beratung Kennung Gemeinderat 27.02.2023 beschließend öffentlich Abstimmung Betreff: Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB für die Lahrer Altstadt - Aufstellungsbeschluss Beschlussvorschlag: Der Gemeinderat beschließt die Aufstellung einer städtebaulichen Erhaltungssatzung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) für den auf dem beigefügten Plan vom 21. Februar 2023 dargestellten Geltungsbereich. Sie erhält die Bezeichnung „Erhaltungssatzung Altstadt“. Zusammenfassende Begründung: Um wesentliche bauliche Änderungen und Gebäudeabbrüche in der Altstadt steuern bzw. verhindern zu können, wird eine Erhaltungssatzung aufgestellt. Der Aufstellungsbeschluss stellt den Verfahrensbeginn dar. Drucksache 45/2023 Seite 2 Sachdarstellung Aktuelle Situation und Handlungsnotwendigkeit: Konkreter Anlass für die kurzfristige Behandlung dieser Beschlussvorlage ohne Vorberatung im Technischen Ausschuss ist ein aktuell vorliegender Antrag auf Abbruch des Gebäudes Obststraße 5, dessen einmonatige Entscheidungsfrist (Kenntnisgabeverfahren) am 28. Februar 2023 endet. Soll der Abbruch verhindert werden, ist bis zu diesem Datum eine sichere Rechtsgrundlage zu schaffen. Das Wohn- und Geschäftshaus in der Obststraße 5 stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und stand bis vor gut einem Jahr unter Denkmalschutz. Aufgrund zahlreicher Veränderungen im Gebäudeinneren durch den Eigentümer hat es gemäß Landesamt für Denkmalpflege seine Denkmaleigenschaft verloren und wurde aus der Liste gestrichen. Nichtsdestotrotz ist es mit seiner Fassadenund Dachgestaltung ein ortsbildprägendes Zeugnis für die einfachere bürgerliche Baukultur in Lahr vor 1800 und auch jenseits des Denkmalschutzrechts erhaltenswert. Obwohl eine Abbruchgenehmigung noch nicht vorliegt, wurde mit den Abrissarbeiten im Inneren bereits begonnen. Das Gebäude liegt im Geltungsbereich der Altstadtsatzung, die 1982 rechtsverbindlich wurde. Sie regelt unter § 2 die Erhaltung baulicher Anlagen, wenn sie allein oder im Zusammenhang mit anderen das Ortsbild oder die Stadtgestalt prägen. Die Altstadtsatzung findet zwar regelmäßig Anwendung, es gibt aber Zweifel an ihrer Rechtsbeständigkeit im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Außerdem entspricht sie auch inhaltlich in einigen Punkten nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten und Anforderungen. Daher ist ohnehin vorgesehen, die Altstadtsatzung vollständig neu zu fassen. Dies ist auch Bestandteil des Arbeitsprogramms des Stadtplanungsamtes und entspricht der Intention des entsprechenden interfraktionellen Antrages vom 6. Februar 2023. Bei der Neufassung zeichnet sich ab, dass die verfolgten Ziele wohl durch zwei sich ergänzende Satzungen zu erreichen sein werden: eine Erhaltungssatzung nach Bundesrecht (Baugesetzbuch) und eine Gestaltungssatzung nach Landesrecht (Landesbauordnung). Zentrale Zielsetzung: Das mit dieser Vorlage verfolgte Ziel ist, in der gesamten Altstadt über das Instrument Erhaltungssatzung Gebäudeabbrüche, wesentliche bauliche Änderungen und Nutzungsänderungen besser steuern bzw. im Einzelfall sogar verhindern zu können. Der Aufstellungsbeschluss stellt hierbei den Verfahrensbeginn dar. Abgrenzung und Charakteristika des Geltungsbereiches: Der Geltungsbereich (vgl. Anlage) der Erhaltungssatzung umfasst die als Lahrer Innen- bzw. Altstadt definierte Fläche von insgesamt ca. 27,3 ha. Begrenzt wird der Geltungsbereich durch Turm- und Bergstraße im Norden, Gärtnerstraße im Osten, Alte Bahnhof- und Goethestraße Westen und B 415 (Tiergartenstraße) im Süden. Die Begrenzung durch diese Straßen, welche in ihrer Gesamtheit die Innenstadtumfahrung bilden, definiert den Geltungsbereich trotz teilweise heterogener städtebaulicher Strukturen deutlich wahrnehm- Drucksache 45/2023 Seite 3 bar als „die Lahrer Innenstadt“. Sie ist Keimzelle der Stadt, wesentlicher Identifikationspunkt, Handelsowie Dienstleistungsschwerpunkt und weist die höchste Dichte an Kulturdenkmalen, öffentlichen Nutzungen bzw. städtebaulich wertvollen Situationen auf. Maßnahme Erhaltungssatzung: Die Verwaltung empfiehlt, eine städtebauliche Erhaltungssatzung für den vorgeschlagenen Geltungsbereich aufzustellen, um den Erhalt der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner Gestalt entsprechend § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dauerhaft gewährleisten zu können. Folgende, den Geltungsbereich maßgeblich prägende Aspekte können durch eine städtebauliche Erhaltungssatzung erfasst werden und sollen in ihr beinhaltet sein: Der Erhalt wertvoller, als Einzelbauwerk oder im Ensemble mit anderen Bauwerken das Ortsbild besonders prägender Bauwerke. Bei den im Verfahren zur Aufstellung der Erhaltungssatzung zu erstellenden Fachgutachten (Stadtbildanalyse) liegt ein besonderes Augenmerk auf der Identifikation von baulichen Anlagen, die allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägen oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind, dass sie in ihrer Substanz erhalten werden sollen (§ 172 Abs. 3 S. 1 BauGB). Dies soll Klarheit für die Behandlung von Baugesuchen innerhalb des Geltungsbereichs der Erhaltungssatzung schaffen. Das bedeutet jedoch auch, dass Gebäude oder Teilbereiche identifiziert werden, bei denen wesentliche bauliche Änderungen oder Abbrüche genehmigungsfähig bzw. sogar wünschenswert sind. Die städtebauliche Eigenart des Gebiets - hier insbesondere die mittelalterlichen Grundstrukturen und die Dachlandschaft der zentralen Altstadt - soll dauerhaft erhalten werden. Die prägende öffentliche Freiraumstruktur mit einer Vielzahl an Plätzen inklusive ihrer Randbebauungen soll dauerhaft erhalten werden. Während der Aufstellung der Erhaltungssatzung können die nicht mit ihren vorgesehenen Erhaltungszielen korrespondierenden Baugesuche gemäß § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 172 Abs. 2 BauGB für jeweils ein Jahr zurückgestellt werden. Der Erlass einer (zwei bis drei Jahre geltenden) Veränderungssperre gemäß §§ 16 BauGB ist auf der Grundlage des Aufstellungsbeschlusses für eine Erhaltungssatzung hingegen nicht möglich. Dies bedarf eines Bebauungsplan-Aufstellungsbeschlusses, was jedoch einzelfallbezogen angewendet werden kann. Weitere Vorgehensweise: Viele baugestalterische Charakteristika können allein mit einer städtebaulichen Erhaltungssatzung nicht gesichert werden, prägen aber trotzdem maßgeblich die bauliche Eigenart der Altstadt. In diese Kategorie gehören u. a. die Dachform der Gebäude einschließlich der Ausführung der Dachaufbauten (wie beispielsweise der Dachgauben) sowie die Gestaltung der Fassaden, Freiflächen und Werbeanlagen. Diese baugestalterischen Inhalte können durch die Aufstellung einer Gestaltungssatzung nach § 74 Landesbauordnung (LBO) gesteuert werden. Eine teils parallele Bearbeitung der beiden (auf der zu erstellenden Stadtbildanalyse fußenden) Satzungen wird im weiteren Verfahren angestrebt - auch im Hinblick auf eine umfassende Information der betroffenen Bürger/-innen. Drucksache 45/2023 Seite 4 Die direkte Kopplung der beiden Verfahren sowie die Anwendung der Instrumente zur Sicherung der Bauleitplanung gemäß §§ 15 BauGB (Zurückstellung, Veränderungssperre) für die auf Landesrecht basierende Gestaltungssatzung ist jedoch nicht möglich. Das Verfahren für die Aufstellung einer Erhaltungssatzung wurde durch den Gesetzgeber nicht normiert, was einen Sonderfall im Baugesetzbuch darstellt. Die Verwaltung schlägt jedoch vor, die Regelungen des § 13 BauGB (vereinfachtes, einstufiges Verfahren) anzuwenden, um einen transparenten Ablauf des Verfahrens und insbesondere die Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der maßgeblichen Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange zu gewährleisten. Hierzu soll auf der Basis des noch zu erarbeitenden Satzungsentwurfes ein separater Offenlagebeschluss gefasst werden. Erwartete finanzielle und personelle Auswirkungen: ☒ Die Maßnahme Aufstellungsbeschluss hat bis auf die Veröffentlichungskosten keine finanziellen oder personellen (i.S.v. Personalmehrbedarf) Auswirkungen Markus Ibert Sabine Fink Anlage(n): - Geltungsbereich - Anlage 0 Hinweis: Die Mitglieder des Gremiums werden gebeten, die Frage der Befangenheit selbst zu prüfen und dem Vorsitzenden das Ergebnis mitzuteilen. Ein befangenes Mitglied hat sich in der öffentlichen Sitzung in den Zuhörerbereich zu begeben und in der nichtöffentlichen Sitzung den Beratungsraum zu verlassen. Einzelheiten sind dem § 18 Abs. 1-5 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg zu entnehmen.