Informationsvorlage (Klima Plus 2024 Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr)
Sitzung: Umweltausschuss (2. Sitzung)
27. Juni 2024
27. Juni 2024
Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Impressum Auftraggeberin: Stadt Lahr/Schwarzwald Rathausplatz 4 77933 Lahr Projektleitung: Stabsstelle Umwelt Manfred Kaiser Bearbeitung: Klima Plus: Bastian Paas, Stefanie Lorenz, Linus Peterson, Melanie Nosbüsch, Katharina Wagner Stand: Mai 2024 2| Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Zusammenfassung Die Auswirkungen des Klimawandels sind unübersehbar und zeigen sich zum Beispiel in der zunehmenden Hitzebelastung oder den Schäden durch Starkregen. Kommunen sind in vielen Bereichen direkt von den Auswirkungen betroffen. Die vorliegende Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr dient als Basis zur systematischen Erfassung und Bewertung der lokalspezifischen Risken, der Einschätzung der Anpassungskapazität und zu Ableitung von Handlungsempfehlungen, um den Auswirkungen der Klimaveränderungen zu begegnen. Die Bestandsaufnahme zeigt deutlich, dass es in Lahr in Zukunft wärmer und trockener wird. Extreme, wie Dürrephasen und Hitzewellen werden zukünftig intensiver und häufiger. Die Ausgangslage bei Starkregen und Sturm ist nicht eindeutig, aber auch hier ist zukünftig eine leichte Zunahme zu erwarten. Insgesamt gilt: die Prognosen für Temperatur sind sehr robust. Die niederschlagsbasierten Modellvorhersagen weisen größere Unsicherheiten auf. Zur Erfassung der Klimarisiken fand ein umfangreicher Beteiligungsprozess statt: im Rahmen von Fachgesprächen wurde eine erste Einschätzung der Betroffenheiten in den Handlungsfeldern vorgenommen und diese über die Durchführung von zwei Workshops mit weiterer Fachexpert:innen, politischen Vertreter:innen und der Zivilgesellschaft validiert und bewertet. Der Gesamtprozess wurde durch eine verwaltungsinterne Kerngruppe, mit ausgewählten Fachvertreter:innen aus den klimarelevanten Bereichen begleitet. Im ersten Screening der Auswirkungen des Klimawandels wurde die aktuelle Betroffenheit in den elf betrachteten Handlungsfeldern durchweg als „mittel“ bis „hoch“ und für die Zukunft als „hoch“ bis „sehr hoch“ eingeschätzt. Entsprechend wurden Wirkungsketten für alle Handlungsfelder erstellt, um die Klimarisiken differenziert zu erheben und zu bewerten. Im Ergebnis wurden 28 Risiken in 10 Handlungsfeldern erfasst, die als „hoch“ bewertet wurden. Ebenso wurde die Anpassungskapazität, also die Fähigkeit einer Organisation sich auf potentielle Schäden einzustellen, Vorteile zu nutzen oder auf Auswirkungen der Klimaveränderungen zu reagieren, erhoben. Für die Stadt Lahr ist die Anpassungskapazität über alle Handlungsfelder hinweg in einem geringen bis mittleren Bereich. Die Diskrepanz von hohen Klimarisiken in vielen Handlungsfeldern einerseits und geringen bis mittleren Anpassungskapazitäten andererseits stellt die Stadt zur Bewältigung der Klimawandelfolgen vor große Herausforderungen. Neben der Minimierung besonders schwerwiegender Risiken, zielen die erarbeiteten Handlungsempfehlungen deshalb darauf ab, die Anpassungskapazität der Stadt Lahr selbst zu erhöhen. Bereits bestehende Maßnahmen, die der Klimawandelanpassung zugerechnet werden können, sind dabei berücksichtigt worden. Die Empfehlungen umfassen die Erstellung von Fachkonzepten um die Auswirkungen der Klimaveränderungen durch Starkregen und Hitze flächenscharf zu erfassen und den Schutz vulnerabler Personen durch Hitze über eine Hitzeaktionsplanung voranzubringen. Zur strategischen Verankerung wird empfohlen, konkrete Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels idealerweise im Rahmen eines Klimaanpassungskonzepts zu entwickeln. Zur Verstetigung der Klimawandelanpassung wird die Weiterführung der Kerngruppe, die Berücksichtigung der Checkliste zur Klimawandelanpassung in der Bauleitplanung und die Erhöhung der Personalressourcen für die Klimawandelanpassung empfohlen. 3| Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Inhalt Zusammenfassung .......................................................................................................................... 3 Inhalt................................................................................................................................................... 4 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................... 6 Tabellenverzeichnis ......................................................................................................................... 7 1. Einleitung................................................................................................................................... 8 2. Ausgangssituation ................................................................................................................... 9 3. 2.1 2.2 2.3 2.4 Sozioökonomische Lage ...................................................................................................... 9 Naturräumliche Lage...........................................................................................................10 Politische Rahmenbedingungen ......................................................................................10 Klimatische Rahmenbedingungen und Klimazukunft in Lahr ...................................11 2.4.1 2.4.2 2.4.3 Historische Beobachtungen des Klimas .........................................................................12 Zukünftige Entwicklung des Klimas .................................................................................22 Zusammenfassung der Klimaveränderungen ...............................................................26 Beteiligungsprozess .............................................................................................................. 28 3.1 3.2 3.3 3.4 4. 5. 6. Erfassung der Ausgangssituation und Betroffenheiten ...............................................29 Screening der Auswirkungen des Klimawandels ..........................................................29 Erfassung und Bewertung der Klimarisiken ...................................................................29 Verwaltungsinterne Kerngruppe.......................................................................................29 Betroffenheitsanalyse ........................................................................................................... 31 4.1 4.2 Screening und Priorisierung ..............................................................................................31 Klimarisiken nach Handlungsfeldern ..............................................................................32 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 Bauen & Wohnen..................................................................................................................33 Forstwirtschaft ......................................................................................................................36 Gesundheit & Soziales.........................................................................................................39 Naturschutz & Biodiversität ...............................................................................................42 Stadt & Raumplanung .........................................................................................................45 Verkehr ...................................................................................................................................48 Wasser & Bevölkerungsschutz...........................................................................................51 Wirtschaft, Gewerbe & Tourismus ....................................................................................55 Bestehende Maßnahmen ..................................................................................................... 59 Handlungsempfehlungen .................................................................................................... 63 6.1 Methodik und allgemeine Einschätzung.........................................................................63 6.2 Empfehlungen zur Erstellung eines Klimaanpassungskonzepts und weiterer Fachkonzepte .............................................................................................................................................65 6.2.1 Erstellung eines Klimaanpassungskonzepts mit Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels ..................................................................................................65 4| Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 6.2.2 6.2.3 6.2.4 Erstellung einer Starkregengefahrenkarte......................................................................66 Erstellung einer Stadtklimaanalyse .................................................................................67 Erstellung eines Hitzeaktionsplans ..................................................................................69 6.3 Empfehlungen zur Verstetigung .......................................................................................70 6.3.1 6.3.2 6.3.3 Verstetigung der Kerngruppe ............................................................................................70 Inhouse-Schulungen für Klimawandelanpassung........................................................70 Erhöhung der Personalressourcen für Klimawandelanpassung in den Fachämtern .................................................................................................................................................71 Anhang ............................................................................................................................................. 73 5| Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Jahresmitteltemperaturen (in °C) für Baden-Württemberg 1881-2022. .....................12 Abbildung 2: Jahresmitteltemperatur (in °C) für Lahr von 1949-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. ......................................................................................................................................................13 Abbildung 3: Jahresniederschlagssummen (in mm) für Lahr von 1949-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung..........................................................................................................................................14 Abbildung 4: Anzahl der Sommertage (hellbraun), Hitzetage (grau) und Tropennächte (pink) pro Jahr für Lahr von 1950-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. ..............................................15 Abbildung 5: Anzahl der Frosttage (grün) und Eistage (blau) pro Jahr für Lahr von 1950-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. ...................................................................................................16 Abbildung 6: Anzahl der Trockenperioden (mindestens 4 aufeinanderfolgende Tage mit Niederschlag <1 mm) pro Jahr für Lahr von 1950-2022. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. ............................................................................................................................................................................17 Abbildung 7: Sommerniederschlagssummen (gelb) und Winterniederschlagssummen (blau) pro Jahr für Lahr von 1967-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. ..............................................18 Abbildung 8: Häufigkeiten von Extremniederschlagsereignissen mit Niederschlagshöhen >20 mm pro Tag in Lahr von 1949-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. ..........................................19 Abbildung 9: Maximale Niederschlagshöhen des Jahres (Tagessummen in mm) für Lahr von 19492023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung..........................................................................................20 Abbildung 10: Absolute Maxima der Windgeschwindigkeit (grau; in km/h) und Jahresmittel der Windstärke (orange; in bft) pro Jahr für Lahr von 1994-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. ......................................................................................................................................................21 Abbildung 11: Vergleich der RCP Szenarien nach anthropogenem Strahlungsantrieb (Quelle: Dr. Elmar Kriegler, 2016, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). ............................................23 Abbildung 12: Darstellung des Beteiligungsprozesses zur Erstellung der Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr. Quelle: Klima Plus......................................................................................................................28 Abbildung 13: Bilder des Beteiligungsprozesses zur Erstellung des Klimarisikoanalyse in Lahr. .30 Abbildung 14: Wirkungskette zum Handlungsfeld Bauen und Wohnen.............................................35 Abbildung 15: Wirkungskette zum Handlungsfeld Forstwirtschaft......................................................38 Abbildung 16: Wirkungskette für das Handlungsfeld Gesundheit & Soziales. ...................................41 Abbildung 17: Wirkungskette für das Handlungsfeld Naturschutz und Biodiversität......................44 Abbildung 18: Wirkungskette für das Handlungsfeld Stadt- .................................................................47 Abbildung 19: Wirkungskette für das Handlungsfeld Verkehr...............................................................50 Abbildung 20: Wirkungskette für das Handlungsfeld Wasser und Bevölkerungsschutz. ................54 Abbildung 21: Wirkungskette für das Handlungsfeld Wirtschaft, Gewerbe & Tourismus. ..............58 6| Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Zukunftsprojektionen für temperaturbasierte und niederschlagsbasierte Kennwerte in der Stadt Lahr für das Szenario ohne Klimaschutz mit weiterhin kontinuierlichem Anstieg der Treibhausgasemissionen auf einem sehr hohen Niveau (RCP 8.5). Die Ergebnisse basieren auf einem Ensemble von zehn Klimamodellen. Diese kennzeichnen die Entwicklung relativ zum Referenzzeitraum (1971-2000) für die nahe Zukunft (2021-2050) und die ferne Zukunft (20712100). .................................................................................................................................................................25 Tabelle 2: Bewertung der Betroffenheiten anhand 10 relevanter Handlungsfelder für die Stadt Lahr. ...................................................................................................................................................................31 Tabelle 3: Bereits geplante Prozesse oder umgesetzte Maßnahmen in Lahr, die der Klimawandelanpassung dienen. .................................................................................................................59 Tabelle 4: Zusammenfassung der Risiken aller Handlungsfelder mit der höchsten Bewertung inkl. der Anpassungskapazität der Stadt Lahr pro Handlungsfeld. ..............................................................64 7| Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 1. Einleitung Der globale Temperaturanstieg, Waldbrände, extreme Wetterereignisse, das Abschmelzen der Gletscher und der Meeresspiegelanstieg – die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels sind unübersehbar. Auch in Baden-Württemberg zeigt sich der Klimawandel zum Beispiel in der zunehmenden Hitzebelastung, den Schäden durch Starkregen, den Ernteausfällen in der Landwirtschaft aufgrund von Trockenheit und flächenhaft absterbenden Baumbeständen. Die Kommunen im Land sind direkt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. 1 Über die Ursachen der Klimaerwärmung besteht seit vielen Jahren wissenschaftlicher Konsens: die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen sind eindeutig für die bisherige und die weitere Erwärmung des Klimasystems verantwortlich. Die neusten Ergebnisse wurden im Jahr 2021 im sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) zusammengefasst. 2 Der Weltklimarat kommt auch zu dem Ergebnis, dass zahlreiche Klimafolgen schnell eingetreten und gleichzeitig intensiver und häufiger geworden sind. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen. Neben der Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels durch die Reduktion von Treibhausgasemissionen mit Maßnahmen zum Klimaschutz, bedarf es auch der Auseinandersetzung mit der Anpassung an die Folgen des Klimawandels, um die negativen Auswirkungen durch gezielte und rechtzeitige Anpassung zu vermeiden. So können Schäden gemindert oder sogar vermieden werden. Da viele Folgen des Klimawandels die städtische Infrastruktur wie beispielsweise Straßen, Kanalisation, öffentliche Gebäude oder Krankenhäuser betreffen, stellt die Klimawandelanpassung einen Beitrag zur kommunalen Daseinsvorsorge dar. Die Klimarisikoanalyse ist ein Ausgangspunkt für die Förderung einer klimaresilienten Entwicklung der Stadt Lahr, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und den Folgen der Klimaveränderung präventiv zu begegnen. Ziele der Klimarisikoanalyse sind die Identifizierung und Bewertung der lokalspezifischen Risiken des Klimawandels, die Einschätzung der Anpassungskapazitäten und eine Ableitung von Handlungserfordernissen inkl. einer Priorisierung der Dringlichkeit. Die Analyse beantwortet die übergeordneten Leitfragen: » » Wie wirken sich die Risiken in Folge des Klimawandels aktuell und zukünftig auf die Stadt Lahr aus? In welchen Bereichen ist dringendes Handeln erforderlich? Die vorliegende Klimarisikoanalyse folgt methodisch den Handlungsempfehlungen des Umweltbundesamtes zur Umsetzung der ISO-Richtlinie 14091 3 und setzt dabei die Mindestvorgaben der DIN EN ISO 14091:2021-07 4 um. Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (2022): Klimafolgen und Anpassung. Online: https://www.lubw.badenwuerttemberg.de/klimawandel-und-anpassung/klimafolgen-und-anpassung (Abgerufen: 02/2024). 2 Intergovernmental Panel on Climate Change (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Online: https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/ (Abgerufen: 02/2024). 3 Umweltbundesamt (2022): Klimarisikoanalysen auf kommunaler Ebene. Online: https://www.umweltbundesamt.de/ publikationen/klimarisikoanalysen-auf-kommunaler-ebene. (Abgerufen: 02/2024) 4 Deutsches Institut für Normung e. V. (2021): Anpassung an den Klimawandel - Vulnerabilität, Auswirkungen und Risikobewertung (DIN EN ISO 14091:2021-07). 1 8| Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 2. Ausgangssituation Im Folgenden wird die Ausgangsituation der Stadt Lahr in Bezug auf die naturräumliche und sozioökonomische Lage, das Klima in Lahr sowie die vorliegenden politisch-/strategischen Rahmenbedingungen für die Klimawandelanpassung beschrieben. 2.1 Sozioökonomische Lage Lahr ist eine Große Kreisstadt im Ortenaukreis im Westen Baden-Württembergs. Sie bildet nach der Kreisstadt Offenburg die zweitgrößte Stadt im Landkreis. Die Stadt gehört zum Regierungsbezirk Freiburg und liegt ca. 38 km nördlich der Stadt Freiburg im Breisgau und 100 km südlich von Karlsruhe. Nordwestlich von Lahr liegt die französische Stadt Strasbourg. Aufgrund der Lage ist Lahr in der Dreiländerregion Deutschland – Frankreich – Schweiz verwurzelt. Die Stadt Lahr bildet ein Mittelzentrum für die umliegenden Gemeinden innerhalb der Region Südlicher Oberrhein. Heute zählt Lahr laut Melderegister 49.963 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand: Dezember 2023) in der Kernstadt und den sieben Stadtteilen (Hugsweier, Kippenheimweiler, Kuhbach, Langenwinkel, Mietersheim, Reichenbach und Sulz). Die Wirtschaft der Stadt ist vielfältig und umfasst Branchen wie Maschinenbau, Elektrotechnik, Lebensmittelproduktion und Logistik. Lahr ist auch ein wichtiger Standort für den Einzelhandel. Durch die günstige Lage in den Lahr-Emmendinger Vorbergen spielt der großflächige intensive Obst- und Weinbau eine wichtige Rolle. Lahr ist zudem für zahlreiche Großveranstaltungen bekannt wie zum Beispiel das jährliche Blumen- und Kulturfestival Chrysanthema. Die Stadt Lahr ist gut an den Verkehr angeschlossen, zum einen über die Autobahn A5 zum anderen über den Bahnhof, der regelmäßige Regional- und Fernverkehrsanbindungen bietet. In Bezug auf die Beschäftigungssituation verzeichnet Lahr eine hohe Anzahl an Arbeitsplätzen, wobei viele Einwohnende in den umliegenden Industrie- und Gewerbegebieten tätig sind. Die Beschäftigtenzahl beträgt 26.800 Personen. Es gibt ca. 13.500 Berufseinpendler:innen und knapp 3.700 Berufsauspendler:innen. Im Stadtgebiet sind rund 3.700 Gewerbetreibende vorzufinden. In den 1970er Jahren wurden folgende Gemeinden im Zuge der Gemeindereform eingegliedert: Hugsweier, Kippenheimweiler, Kuhbach, Langenwinkel, Mietersheim, Reichenbach und Sulz. Die Stadtteile Hugsweier, Kippenheimweiler und Langenwinkel reichen bis in die Rheinebene, während die Ortsteile Reichenbach und Kuhbach im Schwarzwald liegen. Die Stadtteile Sulz und Mietersheim sind geologisch den hügeligen Vorbergen zuzuordnen. Zu einigen Stadtteilen gehören separat gelegene Siedlungen mit meist nur wenigen Einwohner:innen: » » » » zu Kuhbach: Brudertal zur Kernstadt: Schutterlindenberghof, Waldfrieden zu Reichenbach: Eichberg, Gereut, Giesenhof, Langeck, Poche, Schindelhöfe zu Sulz: Dammenmühle, Ernethof, Hohberg, Langenhard 9| Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 2.2 Naturräumliche Lage Lahr liegt am westlichen Rand des Mittleren Schwarzwaldes, auf der Ostseite der Offenburger Rheinebene an den Ausläufern des Schuttertals in der Region Südlicher Oberrhein und gehört damit zum Naturraum Mittleres Oberrhein-Tiefland. Im Westen der Stadt liegt die naturräumliche Haupteinheit der Offenburger Rheinebene, im Osten schließt das Stadtgebiet auf den Mittleren Schwarzwald mit seinen Waldrücken aus Hauptbuntsandstein an. Dazwischen liegen die LahrEmmendinger Vorberge, welche zusammen mit den sich nördlich anschließenden OrtenauBühler-Vorbergen die westliche Begrenzung des Schwarzwaldes zur Oberrheinebene bilden 5. Die Lahr-Emmendinger Vorberge ist eine Vorgebirgszone, welche aus zahlreichen lößüberdeckten Bruchschollen besteht und damit hauptsächlich durch eine Kulturlandschaft (Obst- und Weinbau) geprägt wird. Es ist lediglich eine kleine Zahl an forstbetriebswirtschaftlichen Bereichen vorhanden 6. Zudem wird die Region durch Flusstäler gegliedert. Im Nordwesten des Stadtgebiets an der Grenze zu Meißenheim ist die geringste Erhebung mit knapp 150 Metern ü. NN. vorzufinden, wobei der höchste Punkt auf ca. 567 Metern ü. NN. im Nordosten am Schnaigbühl liegt. Lahr liegt am Eingang des Schuttertals. Im Südosten des Stadtgebiets bahnt sich der Flusslauf der Schutter vom Schwarzwald kommend in nordwestliche Richtung durch die Stadtteile Kuhbach und Reichenbach, um anschließend die Kernstadt sowie den Stadtteil Dinglingen zu erreichen. Nahe Dinglingen zweigt der Schutterentlastungskanal ab. In Dinglingen zieht die Schutter weiter in Richtung Norden, wobei der Stadtteil Hugsweier durchflossen wird, bis die Schutter das Stadtgebiet verlässt. 2.3 Politische Rahmenbedingungen Im Handlungsfeld Klimawandelanpassung liegen folgende bundesweite und regionale Anpassungsstrategien vor: die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) 7 des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wurde erstmals 2008 verabschiedet und wird seitdem alle fünf Jahre fortgeschrieben. Aus der DAS ging unter anderem der Aktionsplan Anpassung (APA) hervor. Der Aktionsplan Anpassung III (2020) 8 beschreibt aktuelle Ergebnisse und Erkenntnisse aus den laufenden Prozessen sowie zukünftige Instrumente und Maßnahmen zur Klimawandelanpassung in den Clustern Wasser, Infrastrukturen, Land, Gesundheit, Wirtschaft, Raumplanung und Bevölkerungsschutz und zu einem Querschnittscluster Übergreifende Instrumente und Maßnahmen. Die Deutsche 5 Bundesamt für Naturschutz (2023): Lahr-Emmendinger Vorberge. Online: https://www.bfn.de/landschaftssteckbriefe/ lahr-emmendinger-vorberge (Abgerufen: 12/2023). 6 Ministerium für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (2023): Naturräume Baden-Württembergs: Mittleres Oberrhein-Tiefland. Online: https://lr.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde/ Startseite/Allgemeines/Mittleres+Oberrhein-Tiefland (Abgerufen: 12/2023). 7 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2008): Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Online: https://www.bmuv.de/download/deutsche-anpassungsstrategiean-den-klimawandel/ (Abgerufen: 01/2024). 8 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2022): Zweiter Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Online: https://www.bmuv.de/fileadmin/ Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klimawandel_das_2_fortschrittsbericht_bf.pdf (Abgerufen: 01/2024). 10 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Anpassungsstrategie baut auf den Sachstandsberichten des Weltklimarates (IPCC) und der EUAnpassungsstrategie auf. Auch das Land Baden-Württemberg hat seit dem Jahr 2015 eine eigene Anpassungsstrategie, die im Herbst 2023 fortgeschrieben wurde 9. Ebenfalls im Abstand von fünf Jahren wird ein Monitoringbericht über den aktuellen Umsetzungsstand und die Wirkung der Anpassungsmaßnahmen veröffentlicht. In den neun Handlungsfeldern Wald und Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Boden, Naturschutz und Biodiversität, Wasserhaushalt, Tourismus, Gesundheit, Stadt- und Raumplanung sowie Wirtschaft und Energiewirtschaft werden anhand von Indikatoren die Klimawandelfolgen aber auch die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen untersucht. Der letzte Monitoringbericht zum Stand des Klimawandels in Baden-Württemberg wurde im Jahr 2020 veröffentlicht 10. Integriertes Stadtentwicklungskonzept Lahr 2040 Im Herbst 2022 wurde das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) Lahr 2040 vom Gemeinderat beschlossen. Mit dem Konzept möchte die Stadt den aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Demographie, Klimawandel, bezahlbarer Wohnraum, Digitalisierung und Handel begegnen. Unter Einbeziehung der Verwaltung, Politik und Bürgerschaft wurden Strategien und Maßnahmen für die zukünftige Stadtentwicklung erarbeitet. Im Handlungsfeld Klima, Energie und Umwelt finden sich mit der Erweiterung und Extensivierung von innerstädtischen Grünflächen, der Renaturierung der Schutter, der Entlastung des Abwassernetzes sowie der Entwicklung eines klimaneutralen und -angepasstem Wohnquartier bereits Maßnahmen zur Klimawandelanpassung. Weitere Maßnahmen bieten das Potential für Synergien und Anknüpfungen an das Querschnittsthema Klimawandelanpassung. 2.4 Klimatische Rahmenbedingungen und Klimazukunft in Lahr In den folgenden Kapiteln werden die Klimabeobachtungen anhand von Messdaten und die zukünftige Klimaveränderung mit Hilfe von Zukunftsprojektionen beschrieben und in den regionalen und globalen Kontext eingeordnet. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) betreibt seit 1949 eine Station zur Wetterbeobachtung auf dem Lahrer Stadtgebiet. Die Station wurde mehrfach technisch revidiert und umgezogen. Seit 2006 liegt die Station auf 156 m üNN auf dem Gelände des Lahrer Flughafens (48.3647°N, 7.8280°E). Hier werden kontinuierlich Messwerte zu Lufttemperatur, Sonnenscheindauer, Bedeckungsgrad und Niederschlagsmengen erfasst. Als Grundlage der Beschreibung der vergangenen und der aktuellen klimatischen Situation in Lahr wurde der Datensatz der Messstation des DWD in Lahr verwendet. 9 Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (2015): Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in Baden-Württemberg. Online: https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/mum/intern/Dateien/Dokumente/4_Klima/Klimawandel/Anpassungsstrategie.pdf (Abgerufen: 10/2023). 10 Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (2020): Monitoringbericht 2020 zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel in Baden-Württemberg. Online: https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/klimawandel-undanpassung/klimamonitoring (Abgerufen: 10/2023). 11 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 2.4.1 Historische Beobachtungen des Klimas Die Jahresmitteltemperatur ist seit Beginn der Wetteraufzeichnung im Jahr 1881 im ganzen Land deutlich gestiegen (s. Abbildung 1). Der Landkreis Ortenaukreis gehört mit einer Jahresmitteltemperatur von 9,4 °C im Referenzzeitraum 1971-2000 zu den wärmsten Regionen Deutschlands. Die geringste monatliche Durchschnittstemperatur liegt im Januar bei 1,0 °C, die höchste im Juli bei 18,3 °C. 11 Abbildung 1: Jahresmitteltemperaturen (in °C) für Baden-Württemberg 1881-2022. Die Mitteltemperatur ist ein gutes und robustes Klimasignal zur Beschreibung des Klimawandels insgesamt und charakterisiert eindrücklich, wieviel mehr Energie im Atmosphärensystem für alle dort ablaufenden meteorologischen Prozesse verfügbar ist. In Baden-Württemberg ist die Jahresmitteltemperatur seit 1881 im Mittel um 1,6°C angestiegen 12 und liegt damit über dem globalen Durchschnitt. Im landesweiten Vergleich ist die Lufttemperatur in Lahr überdurchschnittlich stark gestiegen. 11 Climate Service Center Germany (2023): GERICS Klimaausblick für Landkreis Breisgau Hochschwarzwald. Online: https://share.hereon.de/index.php/s/6m2gCbCoj2o2oCP/download?path=&files=gerics_klimaausblick_08317_versio n_1.0_deutsch.pdf (Abgerufen: 10/2023). 12 Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (2023): Klimawandel in Baden-Württemberg. Online: https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/klimawandel-in-bw (Abgerufen: 01/2024). 12 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Im Zeitraum von 1949 bis heute beträgt der Anstieg der Jahresmitteltemperatur im Mittel ca. 1,8 °C (s. Abbildung 2). Abbildung 2: Jahresmitteltemperatur (in °C) für Lahr von 1949-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. Auch die Niederschlagsverhältnisse in Baden-Württemberg haben sich in den letzten Jahren verändert. Während in den meisten Regionen die Niederschläge im Winter (Dezember bis Februar) zugenommen haben, kam es im Sommer (Juni bis August) vermehrt zu einer Abnahme der Niederschläge. Zudem wurde im Land Baden-Württemberg insgesamt eine höhere Anzahl an Tagen mit Starkregen beobachtet. 13 Im Landkreis Ortenaukreis liegt die durchschnittliche Jahresniederschlagssumme für den Zeitraum 1971-2000 bei 1128,9 mm. Die Winterniederschläge sind geringer als die Sommerniederschläge. Die geringsten Niederschläge wurden im Februar mit einer monatlichen Niederschlagsmenge von durchschnittlich 75,6 mm gemessen, die höchsten Werte im Juni mit durchschnittlich 117,7 mm. In Lahr konnte zwischen 1949 und 2022 eine Abnahme der mittleren Jahresniederschlagssumme um ca. 100 mm beobachtet werden. Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (2023): Klimawandel in Baden-Württemberg. Online: https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/klimawandel-in-bw (Abgerufen: 01/2024). 13 13 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Die Jahresniederschlagsummen schwanken von Jahr zu Jahr zum Teil erheblich von minimal 570 mm (2015) bis zu maximal 1300 mm Niederschlag pro Jahr im Jahr 1967 (s. Abbildung 3). Abbildung 3: Jahresniederschlagssummen (in mm) für Lahr von 1949-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. Auch die Jahresniederschlagssummen geben einen guten Überblick über den gesamt im Jahr fallenden Niederschlag, allerdings nicht darüber wie und wann genau der Niederschlag fällt. Mittelwerte bzw. Jahressummen dieser Kenngrößen führen nur in wenigen Fällen vor Augen, welche direkt spürbaren Klimawirkungen durch Temperatur und Niederschlag ausgelöst werden können, aus denen eine Belastung oder ein Risiko entstehen kann, oder wie sich Extremereignisse entwickelt haben. Hierfür sind andere Kennwerte, die aus den Messwerten zu Lufttemperatur und Niederschlag abgeleitet werden können, besser geeignet. Im Folgenden werden deshalb Statistiken zur Anzahl der Frost und Eistage, Anzahl der heißen Tage, Sommertage, Tropennächte, Starkniederschlagsereignisse, Sommerniederschlag, Winterniederschlag und Trockenheitsperioden analysiert. 14 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Hitze, Winterkenntage und Trockenheit Als Sommertage werden Tage bezeichnet, an denen die Tageshöchsttemperatur über 25 °C ansteigt. Heiße Tage sind dadurch charakterisiert, dass eine Maximaltemperatur von mindestens 30 °C gemessen wird. Die Kennwerte der Anzahl der Sommer- bzw. Hitzetage pro Jahr sind somit besonders gut geeignet, um die Entwicklung der Hitzebelastung am Tag zu analysieren. In Lahr hat sich die Anzahl der Sommertage seit Beginn der Aufzeichnungen von im Mittel ca. 38 Tagen auf aktuell über 75 Tage von 1950 – 2022 fast verdoppelt (s. Abbildung 4). Abbildung 4: Anzahl der Sommertage (hellbraun), Hitzetage (grau) und Tropennächte (pink) pro Jahr für Lahr von 1950-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. In den Rekordjahren 2003, 2018 und 2022 wurden sogar um die 100 Sommertage pro Jahr ermittelt. Während Hitzetage zu Beginn der Wetterbeobachtungen in Lahr im Mittel unter 10 mal pro Jahr vorgekommen sind, traten in Lahr zum Ende der Messperiode im Mittel 20 Hitzetage pro Jahr auf. In den Jahren 2003, 2015, 2018 und 2022 konnten sogar um die 40 Hitzetage pro Jahr gemessen werden. Tropennächte sind definiert als Tage, an denen die Temperatur nicht unter 20 °C sinkt. Die Kenngröße der Anzahl der Tropennächte pro Jahr ist somit gut geeignet, um die Hitzebelastung während der Nacht zu beschreiben. Während Tropennächten kann die Erholung durch Schlaf beeinträchtigt sein. In Lahr sind Tropennächte bisher nur vereinzelt aufgetreten. Die Zeitreihe der Anzahl der Tropennächte in Lahr zeigt jedoch eine steigende Tendenz. 15 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Als Frosttage werden Tage bezeichnet, an denen die Minimaltemperatur des Tages unter 0 °C sinkt. Eistage hingegen sind Tage, an denen die Lufttemperatur nicht über 0 °C steigt. Mit Zunahme der Mitteltemperatur konnte in Lahr auch eine Abnahme der Anzahl der Frost- und Eistage beobachtet werden. Die Anzahl der Frosttage ist im Beobachtungszeitraum von im Mittel 74 bis auf 63 Tage pro Jahr gesunken. Während zu Beginn der Messreihe im Mittel ca. 20 Eistage in Lahr auftraten, konnten in den letzten Jahren im Mittel nur noch 10 Tage beobachtet werden, an denen die Temperatur nicht über 0 °C gestiegen ist (s. Abbildung 5). Abbildung 5: Anzahl der Frosttage (grün) und Eistage (blau) pro Jahr für Lahr von 1950-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. 16 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Trockenperioden sind im Folgenden definiert als Zeiträume, in denen an mindestens 4 Tagen in Folge weniger als 1 mm Niederschlag gefallen ist. Die Analyse der Niederschlagsdaten der Messstation Lahr zeigt einen leichten Trend mit einer steigenden Anzahl der Trockenperioden pro Jahr von 1950 bis 2022 (s. Abbildung 6). Am Anfang des Beobachtungszeitraums wurden im Mittel ca. 15 Trockenperioden pro Jahr registriert. In den letzten Jahren konnten im Mittel ca. 17 Trockenperioden pro Jahr beobachtet werden. Abbildung 6: Anzahl der Trockenperioden (mindestens 4 aufeinanderfolgende Tage mit Niederschlag <1 mm) pro Jahr für Lahr von 1950-2022. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. 17 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Saisonale Niederschlagsverteilung Eine saisonal separierte Analyse der Niederschlagssummen ist z.B. für die Landwirtschaft und die Grundwasserneubildung von Bedeutung. Zu diesem Zweck wurden die Daten der Niederschlagsmessungen in Winter- und Sommerniederschlag aggregiert. Winterniederschlag ist im Folgenden als die gesamte Niederschlagssumme definiert, die in den Monaten Dezember, Januar und Februar gefallen ist. Sommerniederschlag beinhaltet die gesamte Niederschlagssumme der Monate Juni, Juli und August. Die saisonale Betrachtung der von 1950 bis 2022 aufgezeichneten Niederschlagsmengen zeigt ein Bild mit tendenziell abnehmenden Niederschlägen beider Kenngröße für Lahr (s. Abbildung 7). Aus der Analyse beider Kenngrößen lässt sich ableiten, dass sowohl die Sommer- als auch die Winterniederschläge im Beobachtungszeitraum im Mittel um knapp 50 mm abgenommen haben. Insgesamt waren die Niederschlagshöhen im Mittel in der Sommersaison höher als in der Wintersaison. Der abnehmende Trend der Winterniederschläge ist gegenläufig zum im Mittel eher zunehmenden Trend der Winterniederschläge in Baden-Württemberg insgesamt. Zu beachten ist, dass zwischen 1991 und 1995 keine Niederschlagsdaten aufgezeichnet wurden und für diesen Zeitraum keine Aussagen zum Niederschlagsentwicklung in Lahr möglich sind. Abbildung 7: Sommerniederschlagssummen (gelb) und Winterniederschlagssummen (blau) pro Jahr für Lahr von 1967-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. 18 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Starkregen und Sturm Zu Extremwetter mit besonders großem Schadenspotential gehören Starkregenereignisse. In der Analyse der Niederschlagsdaten wurden Tage, an denen mehr als 20 mm Niederschlag gefallen ist, als Starkniederschlagsereignis definiert. Im Beobachtungszeitraum von 1950 – 2022 wurden in Lahr im Mittel ca. 6 Tage pro Jahr mit Starkregenereignissen mit über 20 mm Niederschlagssumme pro Tag registriert. In Rekordjahren wurden insgesamt 12 Starkniederschlagsereignisse registriert. Insgesamt kann aus den historischen Daten bis jetzt eine leicht abnehmende Tendenz der Häufigkeit von Starkniederschlagsereignissen abgeleitet werden (s. Abbildung 8). Dieser Trend ist gegenteilig zum mittleren Trend in Baden-Württemberg insgesamt. Abbildung 8: Häufigkeiten von Extremniederschlagsereignissen mit Niederschlagshöhen >20 mm pro Tag in Lahr von 1949-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. 19 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Die Analyse von historischen Messdaten zeigt in der Tendenz eine leichte Abnahme der Intensität der Extremniederschlagsereignisse in den letzten Jahrzehnten bei gleichzeitig hoher Schwankungsbreite der Ergebnisse. In Rekordjahren traten Extremniederschlagsereignisse mit maximalen Niederschlagshöhen um 70 mm pro Tag auf. In manchen Jahren traten Extremniederschläge nur mit maximalen Niederschlagshöhen auf, die soeben die Definitionsgrenze von 20 mm pro Tag überschritten. Abbildung 9: Maximale Niederschlagshöhen des Jahres (Tagessummen in mm) für Lahr von 1949-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. 20 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Messergebnisse aus Lahr zeigen keinen eindeutigen Trend einer Zu- oder Abnahme von mittleren Windgeschwindigkeiten in den letzten Jahren (s. Abbildung 10). Abbildung 10: Absolute Maxima der Windgeschwindigkeit (grau; in km/h) und Jahresmittel der Windstärke (orange; in bft) pro Jahr für Lahr von 1994-2023. Quelle: DWD (2023), eigene Darstellung. Die höchsten gemessenen Windgeschwindigkeiten pro Jahr zeigen für die letzten Jahre im Beobachtungszeitraum von 1995 bis 2023 eine leichte Abnahme der Intensität von Sturmereignissen an der Messstation. Diese Beobachtungen über die historische Entwicklung des mittleren Windfelds und über Sturmereignisse weisen für Lahr im Vergleich zu den Beobachtungen für Baden-Württemberg insgesamt eine andere Tendenz auf. Im Land haben Böengeschwindigkeiten im Mittel in der Vergangenheit an Talstationen im Gegensatz zu Bergstationen leicht zugenommen. Zu beachten ist hierbei, dass das Windfeld allgemein sehr stark von lokalen Gegebenheiten und Prozessen beeinflusst sein kann. Die analysierten Beobachtungen von der Messreihe einer DWD Messstation in Lahr lassen somit nur wenig Schlüsse auf das gesamte Windfeld aller Orte im Stadtgebiet zu. Weiterhin ist die Messreihe der Daten aus Lahr zu kurz, um langfristige Trends daraus ableiten zu können. Die Ergebnisse zum Wind sind somit nur bedingt aussagekräftig. 21 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 2.4.2 Zukünftige Entwicklung des Klimas Die Entwicklung des zukünftigen Klimas kann mit Hilfe von Klimamodellen unter der Annahme von bestimmten Emissionsszenarien mit unterschiedlichen ökonomischen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen simuliert werden. Um den Unsicherheiten der zukünftigen Entwicklung Rechnung zu tragen, wird als Datengrundlage nicht nur ein Klimamodell, sondern ein Ensemble von verschiedenen Klimamodellen verwendet. Die Auswertungen des Klimasteckbriefes der Stadt Lahr beruhen auf einem von der Landesanstalt für Umwelt BadenWürttemberg (LUBW) ausgewählten Ensemble von zehn Klimamodellen. Einen maßgeblichen Einfluss auf die Klimaentwicklung haben die Emissionen der menschlichen Treibhausgase. Zur Berechnung der Klimamodelle wird diese unbekannte Größe mittels unterschiedlicher Emissionsszenarien berücksichtigt. Folgende drei Klimaszenarien, welche die repräsentativen Konzentrationspfade, RCPs (Representative Concentration Pathways), für Treibhausgase aufgreifen, stehen für Europa zur Verfügung: RCP 2.6, RCP 4.5 und RCP 8.5. Die Szenarien der Treibhausgasemissionen beschreiben verschiedene plausible zukünftige Entwicklungen. Mit Klimamodellen werden anschließend die Auswirkungen der Treibhausgasszenarien auf das Klimasystem der Erde simuliert. Die RCPSzenarien legen bestimmte Szenarien der Treibhausgaskonzentration fest. Diesen Szenarien liegen, ganz grob, folgende Annahmen zugrunde: » » » RCP 2.6: Strahlungsantrieb 2,6 Watt; sehr ambitionierte Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen mit einer Treibhausgaskonzentration im Jahr 2100 von 421 ppm (nur wenig höher als heute); entspricht dem 1,5 °C Ziel des Pariser Klimaabkommens. RCP 4.5: Strahlungsantrieb 4,5 Watt; die Konzentrationen steigen bis Mitte des 21. Jahrhunderts an. Danach stagnieren sie auf einem Niveau von ca. 570 ppm bis 2100. RCP 8.5: Strahlungsantrieb 8,5 Watt; „weiter-wie-bisher-Szenario“, mit kontinuierlichem Anstieg der Treibhausgasemissionen auf einem sehr hohen Niveau bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Die Treibhausgaskonzentration im Jahr 2100 beträgt weit mehr als 900 ppm (mehr als doppelt so viel wie heute). 22 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 11 zeigt die möglichen Pfade der Treibhausgaskonzentrationen bis Ende des Jahrhunderts. zukünftigen Entwicklung der Abbildung 11: Vergleich der RCP Szenarien nach anthropogenem Strahlungsantrieb (Quelle: Dr. Elmar Kriegler, 2016, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Grundlage der folgenden Analyse bilden Modellergebnisse, die basierend auf der Annahme des RCP 8.5 Szenarios eine mögliche zukünftigen Entwicklung des Regionalklimas beschreiben. Hitze und Trockenheit Die Analysen ergeben für Lahr einen Anstieg der mittleren Jahrestemperatur um 1,3 °C bis 3,7 °C, bezogen auf den Referenzzeitraum von 1971-2000, bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Die Temperaturzunahme ist innerhalb des Modellensembles robust und weist niedrige Unsicherheiten auf (s. Tabelle 1). In Lahr werden Sommertage, heiße Tage und Tropennächte im angenommenen Szenario, auch im Vergleich zu anderen Kommunen in Baden-Württemberg, signifikant und überdurchschnittlich stark zunehmen. Die Hitzebelastung am Tag zeigt sich z.B. in der Entwicklung der Sommertage, d.h. Tage mit über 25 °C. Es werden Zunahmen von im Mittel 14 Sommertagen bis Mitte des Jahrhunderts und 45 Sommertagen bis 2100 berechnet. Heiße Tage (Tage mit über 30 °C) könnten ebenfalls überdurchschnittlich stark zunehmen. Es wird eine mittlere Zunahme von acht heißen Tagen für 2050 berechnet, während bis 2100 eine Zunahme von 32 heißen Tagen prognostiziert wird, was ca. einer Vervierfachung im Vergleich zum Referenzzeitraum entspricht. Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20°C absinkt, werden in Zukunft ebenfalls deutlich häufiger auftreten. Es kann mit einer Zunahme von 18 Tropennächten im Vergleich zum 23 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Referenzzeitraum gerechnet werden. Hingegen ergeben die Modellberechnungen eine robuste Abnahme der Anzahl von Frost- und Eistagen. Die Anzahl der Frosttage wird sich unter Annahme des RCP 8.5 Szenarios voraussichtlich mehr als halbieren, auf im Mittel 26 Frosttage pro Jahr bis zum Ende Jahrhunderts. Es könnte sein, dass in Lahr im Jahr 2100 Eistage nur noch sehr selten auftreten. Insgesamt liegt die Stadt Lahr im Landesvergleich bei der Entwicklung der Hitzebelastung im oberen Drittel, d.h. Kennzahlen zur Hitzebelastung verändern sich im Vergleich zu sämtlichen anderen Kommunen Baden-Württembergs überdurchschnittlich stark. Die Simulationsergebnisse zur Häufigkeit von Trockenperioden sind indifferent, weisen keine klare Tendenz auf und sind aufgrund der Lage der Kommune am Rande des Schwarzwalds mit großen Unsicherheiten versehen. Im Mittel wird keine signifikante Zu- oder Abnahme der Anzahl von Perioden mit min. vier aufeinanderfolgenden Trockentagen prognostiziert, entgegen der historischen Entwicklung seit 1950, wo eine leichte Zunahme von Trockenperioden beobachtet werden konnte (vgl. 2.4.1). Niederschlag, Starkregen und Wind Die projizierten Änderungen der Niederschlagsmengen sind nicht eindeutig. Für die meisten Kennwerte weisen die Modellergebnisse eine sehr große Schwankungsbreite auf. Die Unsicherheiten im Modellensemble sind für Niederschlagskennwerte größer als für die Simulationsergebnisse der Temperaturkennwerte, auch aufgrund der Lage Lahrs am Rande des Schwarzwaldes. Insgesamt zeigen die Änderungen einen uneindeutigen Trend zu höheren Winter- und geringeren Sommerniederschlägen. Während Winterniederschläge im Mittel bis 2100 um 21 % zunehmen könnten, ist mit einer Abnahme der Sommerniederschläge von im Mittel 19 % zu rechnen. Niederschlagsmessungen seit 1950 zeigen hingegen in den letzten 72 Jahren eine tendenzielle Abnahme beider Niederschlagskennwerte (vgl. 2.4.1). Die mittleren Modellergebnisse zeigen eine prognostizierte Zunahme der Anzahl von Tagen mit Starkniederschlägen (Niederschlag von >20 mm pro Tag) von im Mittel 2 Tagen pro Jahr bis zum Ende des Jahrhunderts. Der im Rahmen des LoKlim Projektes der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg entwickelte Klimasteckbrief der Stadt Lahr zeigt die klimatische Entwicklung anhand von kommunalen Kennzahlen auf. Aufgrund der Unsicherheiten bei den Klimaprojektionen ist für jeden Klimaparameter auch immer die entsprechende Bandbreite des Modellensembles angegeben (s. Tabelle 1). 24 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Tabelle 1: Zukunftsprojektionen für temperaturbasierte und niederschlagsbasierte Kennwerte in der Stadt Lahr für das Szenario ohne Klimaschutz mit weiterhin kontinuierlichem Anstieg der Treibhausgasemissionen auf einem sehr hohen Niveau (RCP 8.5). Die Ergebnisse basieren auf einem Ensemble von zehn Klimamodellen. Diese kennzeichnen die Entwicklung relativ zum Referenzzeitraum (1971-2000) für die nahe Zukunft (2021-2050) und die ferne Zukunft (2071-2100). Kennwerte Projektion RCP 8.5 1971 - 2000 Nahe Zukunft (2021 - 2050) Mittlere Jahrestemperatur [°C] 10 11,3 Sommertage [Tage/Jahr] 45 59 Heiße Tage [Tage/Jahr] 9 17 Tropennächte [Tage/Jahr] 0 2 Frosttage [Tage/Jahr] 70 50 Eistage [Tage/Jahr] 14 7 Sommerniederschlag [mm] 292 274 Höchste Tagestemperatur >30 °C Höchste Tagestemperatur >25 °C Niedrigste Tagestemperatur >20 °C Niedrigste Tagestemperatur <0 °C Höchste Tagestemperatur <0 °C Niederschlagssumme Jun, Jul, Aug Winterniederschlag [mm] 207 229 Starkniederschlag [Tage/Jahr] 6 7 Niederschlagssumme Dez, Jan, Feb Niederschlag >20 mm/Tag Trockenperioden [Perioden/Jahr] 4 aufeinanderfolgende Trockentage mit Niederschlag <1 mm 34 37 Min: 10,7 Max: 11,5 Min: 53 Max: 71 Min: 14 Max: 25 Min: 0 Max: 5 Min: 39 Max: 61 Min: 5 Max: 12 Min: 256 Max: 311 Min: 202 Max: 256 Min: 6 Max: 8 Min: 25 Max: 51 Ferne Zukunft (2071 - 2100) 13,7 90 41 18 26 2 237 251 9 34 25 | Min: 12,8 Max: 14,2 Min: 55 Max: 103 Min: 23 Max: 51 Min: 12 Max: 28 Min: 11 Max: 34 Min: 1 Max: 3 Min: 204 Max: 305 Min: 219 Max: 267 Min: 7 Max: 10 Min: 30 Max: 49 Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Windgeschwindigkeiten sind im analysierten Datensatz der verwendeten Modelle nicht berechnet worden, sodass keine lokalspezifischen Aussagen über die zukünftig möglichen Entwicklungen des Windfelds in Lahr getroffen werden können. Für den Landkreis Ortenaukreis insgesamt ergeben Analysen des Climate Service Center Germany - je nach Modell und Szenario - bezogen auf den Referenzzeitraum von 1971-2000 eine unveränderte Entwicklung oder eine leichte Tendenz zur Abnahme der Windgeschwindigkeiten 14. Die Ergebnisse sind allerdings statistisch nicht robust und weisen eine erhöhte Unsicherheit mit großer Schwankungsbreite der Modellergebnisse auf. 2.4.3 Zusammenfassung der Klimaveränderungen Die beobachteten und erwarteten Klimaänderungen lassen sich für die Stadt Lahr wie folgt zusammenfassen: Es wird wärmer und trockener! » » » Die Jahresdurchschnittstemperatur hat in den letzten 72 Jahren im Mittel um ca. 1,8 °C zugenommen. Ein weiterer Anstieg um bis zu 3,7 °C ist bis 2100 zu erwarten. Die Anzahl der Frost- und Eistage hat rapide abgenommen. Die Anzahl der Frosttage hat sich in den letzten 50 Jahren halbiert. Die Anzahl wird sich weiter stark verringern. Sie kommen im Jahr 2100 nur noch halb so oft vor, wie in der Referenzperiode von 1970-2000. Eistage wird es in Zukunft voraussichtlich nur noch sehr vereinzelt geben. Insgesamt haben die Jahresniederschlagsmengen in den letzten knapp 60 Jahren um ca. 10 % abgenommen, im Winter stärker als im Sommer. In der Zukunft bis 2100: tendenziell mehr Regen im Winter aber noch weniger im Sommer. Mehr Extreme! » » In den vergangenen Jahrzehnten wurde in Lahr eine deutliche Zunahme der Hitze- und Sommertage verzeichnet. Dieser Trend wird sich bis 2100 fortsetzen und Hitzeperioden werden häufiger. Die Anzahl der Sommertage hat sich mehr als verdoppelt, eine weitere Verdoppelung bis Ende 2100 ist prognostiziert. Die Anzahl der heißen Tage wird sich voraussichtlich vervierfachen. Trockenperioden haben in den letzten knapp 60 Jahren um ca. 10 % zugenommen. Die Modelle zeigen für die zukünftige Entwicklung unsichere Ergebnisse. Es wird kein eindeutiger Trend angezeigt. Climate Service Center Germany (2023): GERICS Klimaausblick für Landkreis Breisgau Hochschwarzwald. Online: https://share.hereon.de/index.php/s/6m2gCbCoj2o2oCP/download?path=&files=gerics_klimaausblick_08317_versio n_1.0_deutsch.pdf (Abgerufen: 10/2023). 14 26 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr » Während Tropennächte in der Vergangenheit pro Jahr vereinzelt beobachtet wurden, treten diese in Lahr aktuell schon häufiger auf – Tendenz steigend. Eine weitere deutliche Zunahme der Anzahl von Tropennächten wird bis 2100 erwartet. Uneindeutige Lage bei Starkregen und Sturm. » » Beobachtungen aus der Umgebung sowie die Gesamtprognose für den Ortenaukreis deuten eine gleichbleibende Entwicklung des Klimas hinsichtlich Wind und Sturm an. Die Prognose ist jedoch aufgrund der Datenlage und großer Schwankungsbreite in den Modellen unsicher. Beobachtungen der letzten 72 Jahre zeigen eine leichte Abnahme von Starkregenereignissen. Die Prognosen für die nahe und ferne Zukunft gehen von einer leichten Zunahme der Häufigkeit von Starkregenereignissen aus. Auch hier sind die Modellergebnisse mit Unsicherheiten behaftet. 27 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 3. Beteiligungsprozess Im Rahmen des Beratungsprozesses wurden relevante Akteur:innen aus der Verwaltung, Vertreter:innen der politischen Gremien und Bürger:innen der Stadt Lahr in den Prozess eingebunden, um Wissenstransfer zu ermöglichen, für Klimaveränderungen und deren Folgen und Risiken zu sensibilisieren und um die Akzeptanz von Handlungsempfehlungen zu steigern. Die Ergebnisse aus dem Beteiligungsprozess sind in die Erstellung des Klimaanpassungskonzeptes maßgeblich eingeflossen. Die verschiedenen Bausteine des Beteiligungsprozesses sind in Abbildung 12 dargestellt. Abbildung 12: Darstellung des Beteiligungsprozesses zur Erstellung der Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr. Quelle: Klima Plus 28 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 3.1 Erfassung der Ausgangssituation und Betroffenheiten Im Rahmen von sieben Gesprächen mit Expert:innen aus den klimarelevanten Bereichen der Verwaltung wurde die Ausgangsituation und bestehende Maßnahmen der Stadt Lahr erhoben. In den Gesprächen wurden die aktuellen lokalspezifischen Auswirkungen des Klimawandels erfasst und bereits bestehende Maßnahmen zur Klimawandelanpassung erhoben. Die Ergebnisse der Gespräche wurde protokolliert und sind in die Erstellung des Klimaanpassungskonzeptes mit eingeflossen. 3.2 Screening der Auswirkungen des Klimawandels Zum Auftakt des Prozesses zur Erstellung der Klimarisikoanalyse fand ein erster Workshop unter Beteiligung der Verwaltung, Vereinen, Verbänden und Vertreter:innen der politischen Gremien statt. Ziel des Workshops war es, Handlungsfelder mit einer besonders großen Betroffenheit zu identifizieren und für den weiteren Prozess zu priorisieren. Hierbei stand die Erhebung der lokalspezifischen Betroffenheiten sowie der fach- und handlungsfeldübergreifende Austausch im Fokus. Mit Hilfe des Screeningtools wurde die aktuelle Betroffenheit in der Stadt Lahr und die Betroffenheit in der nahen Zukunft (2051-2070) ohne Anpassungsmaßnahmen unter dem „weiter-wie-bisher“ Szenario (RCP 8.5) anhand von 10 ausgewählten Handlungsfeldern bewertet. Die im Workshop nicht durch Fachpersonen vertretenen Handlungsfelder wurden im Nachgang einzeln bewertet. Die Ergebnisse des Screenings sind im Kapitel 4.1 beschrieben. 3.3 Erfassung und Bewertung der Klimarisiken Zur Erfassung und Bewertung der Klimarisiken in den priorisierten Handlungsfeldern fand ein zweiter Workshop statt. Um die Bewertung auf eine breite Basis zu stellen, wurden hier zusätzlich zum Fachpublikum des ersten Workshops auch die Zivilgesellschaft eingeladen. Im Rahmen des Workshops wurden die im Vorfeld erarbeiteten Wirkungsketten zu den priorisierten Handlungsfeldern diskutiert, überarbeitet, ergänzt und plausibilisiert. Die Klimarisiken in den Handlungsfeldern wurden anhand einer dreistufigen Skala bewertet. Auch hier wurden die Handlungsfelder, die nicht durch ausreichend Fachpersonen vertreten waren durch Ansprache verwaltungsinterner Fachpersonen nachträglich plausibilisiert. Die Methoden und Ergebnisse der Erfassung und Bewertung der Klimarisiken sind im Kapitel 4.2 beschrieben. 3.4 Verwaltungsinterne Kerngruppe Zur Prozessbegleitung und Entscheidungsfindung wurde eine verwaltungsinterne Kerngruppe eingerichtet in der folgende Organisationseinheiten aus der Verwaltung vertreten waren: Stabsstelle Umwelt, Amt für Soziales, Bildung und Sport, Stabsstelle Feuerwehr und Bevölkerungsschutz, Abt. Gebäudemanagement, Abt. Tiefbau sowie Stadtplanungsamt. 29 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Die Kerngruppe traf innerhalb der Laufzeit des Projektes drei Mal zusammen. Ziel der Kerngruppe war es, ein tieferes Verständnis über die angewendeten Methoden im Prozess zur Erstellung der Klimarisikoanalyse zu erlangen, Prozessentscheidungen zu fällen und die Befähigung als Wissensträger:innen und Multiplikator:innen innerhalb der städtischen Verwaltung aufzutreten. In der Kerngruppe wurde die Priorisierung der Handlungsfelder diskutiert und die Anpassungskapazitäten der Stadt Lahr in den jeweiligen Handlungsfeldern erfasst. Für Handlungsfelder die nicht in der Kerngruppe vertreten waren, wurde die Anpassungskapazität durch Ansprache verwaltungsinterner Fachpersonen nachbewertet. Abbildung 13: Bilder des Beteiligungsprozesses zur Erstellung des Klimarisikoanalyse in Lahr. Fotos: Klima Plus 30 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4. Betroffenheitsanalyse 4.1 Screening und Priorisierung Die Auswahl der zehn klimarelevanten Handlungsfelder für die Stadt Lahr orientiert sich an der Anpassungsstrategie des Landes Baden-Württemberg, mit für den kommunalen Kontext notwendigen Anpassungen und Ergänzungen. Die Erfassung der Betroffenheiten berücksichtigt sowohl die langsam eintretenden, chronischen Klimafolgen, als auch plötzlich auftretende, akute Klimafolgen wie zum Beispiel Starkregen. In Lahr sind alle Handlungsfelder aktuell mit mindestens mittlerer Betroffenheit bewertet. In Zukunft wird in allen Handlungsfeldern eine hohe oder sehr hohe Betroffenheit erwartet. Die Einschätzungen der verschiedenen Interessensgruppen (Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft) innerhalb des Beteiligungsprozesses decken sich hierbei weitgehend. Tabelle 2 fasst die Bewertungen der Betroffenheiten zusammen. Tabelle 2: Bewertung der Betroffenheiten anhand 10 relevanter Handlungsfelder für die Stadt Lahr. Handlungsfeld Aktuelle Betroffenheit Betroffenheit in der nahen Zukunft (2050) Wasser Hoch Sehr hoch Land & Forstwirtschaft Hoch Sehr hoch Naturschutz & Biodiversität Hoch Sehr hoch Gesundheit & Soziales Mittel-Hoch Sehr hoch Bevölkerungsschutz Hoch Hoch Bauen & Wohnen Hoch Hoch Stadt- & Raumplanung Hoch Hoch Verkehr Mittel-Hoch Hoch Wirtschaft & Gewerbe Mittel-Hoch Hoch Tourismus Mittel Hoch Aufgrund der zukünftig durchgehend hohen bis sehr hohen Betroffenheiten werden alle Themenbereiche für die detaillierte Erhebung der Klimarisiken berücksichtigt. Für die Erstellung der Wirkungsketten werden die Handlungsfelder Tourismus und Wirtschaft & Gewerbe zusammengefasst und um den Wirkbereich der Landwirtschaft ergänzt (s. Kapitel 4.2). 31 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2 Klimarisiken nach Handlungsfeldern Klimarisiken in Lahr werden mit Hilfe von acht Wirkungsketten (s. Kap. 4.1), analysiert. Ziel der Wirkungsketten ist es, Beziehungen von klimatischen Einflüssen, die Wirkungen und Folgen haben, zu konkreten lokalspezifischen Klimarisiken in Lahr herzustellen. Jede Wirkungskette visualisiert für spezifische Wirkbereiche im jeweiligen Handlungsfeld klimatische Einflüsse, Klimawirkungen und Klimarisiken und setzt diese in kausale Verbindung zueinander. Grundlage der Wirkungsketten bildet die quantitative Analyse der klimatischen Ausgangssituation, mit den in Lahr beobachteten und zu erwartenden Klimaänderungen (s. Kap. 2.4.3). Die Darstellung der klimatischen Einflüsse je Handlungsfeld erfasst die Gefährdung der Stadt, wie zunehmende Trockenheit, saisonale Niederschlagsverschiebung, zunehmende Durchschnittstemperatur, Zunahme der Anzahl der Tropennächte, häufigere Extremwetterereignisse und Anstieg von Hitzetagen. In den Handlungsfeldern werden die wesentlichen Klimawirkbereiche wie beispielsweise Flora und Fauna im Handlungsfeld Naturschutz und Biodiversität definiert. Über die Erläuterung der Auswirkungen in den einzelnen Bereichen werden die vorhandenen Betroffenheiten von Menschen, Infrastruktur, Ökosystemen, Gebäuden und Einrichtungen gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels dargestellt (Exposition). Darüber hinaus werden die aus den Wirkzusammenhängen resultierenden Risiken je Handlungsfeld gemäß ihrer potenziellen Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit anhand einer dreigliedrigen Skala bewertet und in ein geringes, mittleres oder hohes Risiko ohne Anpassung eingeteilt. Neben den Auswirkungen des Klimawandels wird auch die bestehende Anpassungskapazität in den Handlungsfeldern dargestellt. Als Anpassungskapazität wird die Fähigkeit von Institutionen und Menschen bezeichnet, sich auf potentielle Schäden einzustellen, Vorteile zu nutzen oder auf Auswirkungen zu reagieren 15. Auf kommunaler Ebene werden hierfür die in der Verwaltung zur Verfügung stehenden Ressourcen und Fähigkeiten, wie beispielsweise Anpassungswissen, Motivation und Kompetenzen, Zuständigkeiten, Organisationsstrukturen sowie die finanziellen und personellen Mittel, um sich auf potentielle Schäden einzustellen und Vorteile zu nutzen, zusammengefasst. Die Anpassungskapazität wurde anhand von Leitfragen erhoben und wird für alle Handlungsfelder dargestellt. Deutsches Institut für Normung e. V. (2021): Anpassung an den Klimawandel - Vulnerabilität, Auswirkungen und Risikobewertung (DIN EN ISO 14091:2021-07). 15 32 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2.1 Bauen & Wohnen Das Handlungsfeld Bauen und Wohnen ist insbesondere von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Stürmen, Hagelschlag oder Überflutungen betroffen. Diese können erhebliche Schäden an privaten und öffentlichen Gebäuden verursachen und damit nicht nur deren Nutzung beeinträchtigen, sondern auch Menschen und deren Gesundheit gefährden. Aufgrund des Klimawandels fallen Extremwetterereignisse häufiger und intensiver aus, sodass solche Schäden bzw. Gefährdungen potenziell verstärkt auftreten können. Zu betonen ist außerdem, dass nicht alle potenziellen Schäden und Gefährdungen durch Versicherungen abdeckbar sind. Neben den steigenden Durchschnittstemperaturen, der zunehmenden Anzahl an Hitzetagen und Tropennächten, haben in Lahr die saisonale Niederschlagsverschiebung und die zunehmende Trockenheit einen erheblichen Einfluss auf das Handlungsfeld Bauen und Wohnen. Die steigende Trockenheit und Durchschnittstemperatur bedeuten einen erhöhten Bedarf an Kühlung und Lüftung in Wohngebäuden, was wiederum zu steigendem Energieverbrauch führt. Dies hat nicht nur finanzielle Auswirkungen durch höhere Energiekosten, sondern trägt auch zu zusätzlichen CO2-Emissionen und weiterer Erwärmung im Stadtgebiet bei. Die hohe thermische Wärmebelastung kann je nach Gebäude zu Einschränkungen in der Nutzung von Räumlichkeiten und sinkender Aufenthaltsqualität führen. Auch die kommunalen Liegenschaften (Schulen, Kindergärten, Verwaltungsgebäude) und öffentliche Einrichtungen sind davon betroffen. Die Entwicklung bringt gesundheitliche Risiken besonders für vulnerable Gruppen (sozial Benachteiligte, chronisch Kranke, Kinder unter 6 Jahren, Senioren über 65 Jahren, Obdachlose und geflüchtete Menschen) mit sich (siehe auch Handlungsfeld Gesundheit & Soziales). Die höhere Kostenbelastung zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Gebäudebestand birgt das Risiko zur sozialen Spaltung in der Bevölkerung beizutragen. Die zunehmend Hitzebelastung gefährdet die Lebensqualität der städt. Bevölkerung und den gewohnten Lebensstandard. Die Kosten durch Sanierung und Instandhaltung von Gebäuden steigen infolge von klimabedingten Schäden, während Investitionen in Präventionsmaßnahmen, wie Hochwasserschutz, zusätzliche finanzielle Belastungen für die Kommune mit sich bringen. Aufgrund einer veränderten Wasserverfügbarkeit und des Absinkens des Grundwasserspiegels kann es bei Wassermangel zu Schäden an der Gebäudebegrünung kommen. Ein erhöhter Bewässerungs- und Kostenbedarf und damit einhergehende sinkende Attraktivität der Gebäudebegrünung oder auch Grasflächenpflege können die Folge sein. Es besteht das Risiko eines zunehmenden Biodiversitätsverlust (bei Tieren und Pflanzen). Auch Extremwetterereignisse, wie Starkregen und Sturm, werden in Lahr zukünftig leicht zunehmen. Einhergehend mit einer zunehmenden Überschwemmungsgefahr, Wasserschäden an Gebäuden (z.B. durch volllaufende Keller) und Herausforderungen für das Kanalsystem. Steigende (Investitions-) Kosten für Prävention z.B. (Hochwasserschutz, Sanierung) und Gefahrenabwehr sind die Folge. Die höchste Risikobewertungen (drei Punkte) im Handlungsfeld Bauen und Wohnen entfallen auf die Klimafolgen: 33 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr » » » » » Steigender Bedarf an Kühlung und Lüftung (inkl. Kosten) Steigender Energieverbrauch, der mit mehr CO2-Emissionen einhergeht und eine zusätzliche Erwärmung begünstigt Gesundheitliche Risiken für alle, besonders aber für vulnerable Gruppen (Kinder und Senior:innen) Kosten durch Sanierung und Instandhaltung der Gebäude Zunehmende Biodiversitätsverluste (Tiere und Pflanzen) z.B. durch Schottergärten Anpassungskapazität im Handlungsfeld Bauen & Wohnen Im Gebäudemanagement ist das Wissen über den Klimawandel und seine Auswirkungen in Lahr grundsätzlich vorhanden, muss sich aber weiterentwickeln. Aktuell sind nicht alle Stellen besetzt. Im Energiemanagement ist auch intern Wissen zur Anpassung an den Klimawandel vorhanden, allerdings kann es aufgrund fehlender zeitlicher Kapazitäten nicht angewendet werden. Die Begrünung wird bei Neubauten berücksichtigt. Für neue (Klimaanpassungs-) Maßnahmen fehlen oft die Ressourcen. Finanzielle und personelle Ressourcen für städtische Gebäude sind insgesamt oft nicht vorhanden. Die Einbindung von externen Planern und Architekten sowie Fachwissen von außen ist notwendig, aber finanziell oft nur schwierig darstellbar. Im Fachbereich der Stadtplanung, insb. für das Themenfeld (Neu-) Planung (B-Pläne, Flächennutzungsplan) sind die Möglichkeiten und Kompetenzen für Klimawandelanpassung vorhanden. Die Bauberatung der Stadt zu Projekten von Dritten wird (seit Corona) weniger wahrgenommen als früher. Das Thema der Klimawandelanpassung spielt bei Architekten und Bauherren bisher eine untergeordnete Rolle: Grünflächen werden oftmals überbaut oder versiegelt. Das Problembewusstsein und die Kompetenz zur klimaangepassten Gestaltung im Freiraumbereich sind gering. Für den Bereich Neubau ist die Anpassungskapazität insgesamt im mittleren Bereich. Bezüglich der Fachabteilung Tiefbau überschreitet bereits die Bestandspflege ohne Einbezug der Klimawandelauswirkungen die zur Verfügung stehenden personellen Kapazitäten. Insgesamt sind zu wenig Kapazitäten vorhanden, bei einer wachsenden Stadt. Die Anpassungskapazität im Handlungsfeld Bauen und Wohnen wird insgesamt als „gering“ bis „mittel“ eingeschätzt. 34 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 14: Wirkungskette zum Handlungsfeld Bauen und Wohnen. 35 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2.2 Forstwirtschaft Waldökosysteme sind unmittelbar von Klimaveränderungen betroffen. Die Auswirkungen variieren regional erheblich. Faktoren wie die Höhenlage und die Ausrichtung (z.B. Hangneigung) von Waldgebieten spielen dabei eine wichtige Rolle. Insbesondere Temperatur- und Niederschlagsveränderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel, sowie die Veränderung der Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen, haben negative Auswirkungen auf die Waldökosysteme. Besonders gefährdet sind Arten mit geringer ökologischer Toleranz, die sehr spezifische Anforderungen an ihre Lebensbedingungen haben. Selbst geringfügige klimatische oder standörtliche Veränderungen können sich auf diese Arten auswirken. Hierbei sind vor allem langlebige, immobile Arten, hauptsächlich Bäume, am stärksten betroffen, da sie sich den sich schnell ändernden Umweltbedingungen nicht entziehen können. Jede Baumart hat aufgrund ihrer ökologischen Anforderungen ein bestimmtes Gebiet besiedelt oder eine Nische gefunden. Die hohe Geschwindigkeit des aktuellen und zukünftigen Klimawandels übersteigt jedoch das Anpassungspotential vieler Baumarten, was insgesamt das Risiko von Ausdünnung und Ausfall von Bäumen birgt. In Lahr besteht das Risiko für einen reduzierten Waldzuwachs oder sogar einen verstärkten Ausfall von Bäumen und mehr Totholz mit zunehmender Trockenheit und stärker ausgeprägten Hitzeperioden. Trockenstress, ausgelöst durch Hitzebelastung sowie Dürrephasen, und die damit in Verbindung stehenden Probleme bei der Nährstoffrückführung, gehören zu den Auswirkungen der veränderten klimatischen Bedingungen, hemmen den Waldzuwachs und führen zu einer zunehmenden Krankheitsanfälligkeit von Bäumen und mehr Schadholz im Bestand. Durch in Zukunft mildere und kürzere Winter wird das Auftreten von (neuen) Schädlingen und (Pilz-) Krankheiten gefördert, die Bäumen zusätzlich schaden können und das Risiko von mehr Totholz weiter verstärken. Wenn keine effektiven Maßnahmen zum Waldumbau ergriffen werden, besteht in Lahr das Risiko der Baumartenminimierung, mit der Durchsetzung dominanter (ggf. unerwünschter) Baumarten. Die Artenzusammensetzung des Waldes wird sich ändern, entweder gesteuert und geplant oder natürlich. Klimatische Veränderungen wie eine veränderte Wasserverfügbarkeit und eine längere Vegetationsperiode können zu mehr unerwünschter Begleitvegetation führen. Je nach Entwicklungszielvorgabe des Waldes (z.B. ein klimaangepasster Mischwald mit trockenresistenten Arten) muss unerwünschte Begleitvegetation, ggf. mit Personalaufwand zurückgedrängt werden. Der klimaangepasste Waldumbau steht im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftsinteressen und Naturschutz und birgt ein großes Risiko für Konflikte. Das in Zukunft insgesamt mildere Winterhalbjahr führt zu einer verstärkten Vermehrung von Wildschweinen und Rehwild, was das Risiko von zunehmenden Wildschäden im Wald birgt und weiterhin das Verbissrisiko steigert. Neben den chronisch auftretenden Klimafolgen stellt die Waldbrandgefahr eine potenziell akute Klimafolge dar. Die durch den Klimawandel zunehmenden Dürrephasen und Hitzeperioden steigern das Risiko von Vegetationsbränden. Waldbrände können zudem mit der Klimafolge von Personen- und Sachschäden in Verbindung stehen. Durch stärker frequentiert auftretende Extremereignisse wie Starkregen, die zu extremen Oberflächenabflussmengen führen können, erhöht sich die Erosionsgefahr an Forstwegen und 36 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Waldrädern. Insgesamt entstehen dadurch die Risiken von Sachschäden und erhöhtem Personalaufwand zur Schadensbeseitigung. Insbesondere an Waldrändern und in der Nähe von Bebauung sind größere Sach- oder sogar Personenschäden zu befürchten. Das Risiko einer höheren Personalbindung steht in Verbindung zu zahlreichen Klimafolgen im Handlungsfeld Forstwirtschaft. Aufgaben wie erhöhter Pflegeaufwand oder Schadensbeseitigung, die aus Klimafolgen in Zukunft neu entstehen, müssen mit dem vorhandenen Personal geleistet werden, das damit gebunden wird und nicht für Planaufgaben zur Verfügung stehen kann. Arbeitsschutz und allgemeiner Personenschutz im Wald werden aufgrund der Verantwortlichkeit bei Schäden von größerer Dringlichkeit sein. Verknüpft mit vielen Klimafolgen und -Risiken steht das Risiko von Wirtschaftseinbußen. Mehr Schadholz und Totholz, eine veränderte Holzzusammensetzung, höhere Personalbindung durch erhöhten Pflegeaufwand und Sachschäden können die Wirtschaftlichkeit von Wirtschaftswäldern in Lahr schmälern bzw. verursachen Kosten und erhöhen somit das Risiko von Wirtschaftseinbußen. Die höchsten Risikobewertungen im Handlungsfeld Forstwirtschaft entfallen auf die Klimafolgen: » » » » Ausfall von Bäumen; mehr Totholz Vermehrte Fällung von standunsicheren Bäumen Konflikte mit Naturschutz Höhere Personalbindung, durch erhöhten Pflegeaufwand oder Schadensbeseitigung Anpassungskapazität im Handlungsfeld Forstwirtschaft Zusätzliche Pflegeaufgaben im Wald aufgrund der Klimaveränderungen können über bestehende Personaldecke und fehlende finanzielle Ressourcen nicht durchgeführt werden. Diese müssten extra bereitgestellt werden. Fachwissen und zuständige Personen (Revierleitung) für einen klimaresilienten Waldumbau sind vorhanden. Wissen wird regelmäßig aktualisiert, z.B. durch Besuch von Workshops und Lehrgängen zu Klimawandel und durch Fachzeitschriften. Weiterhin gibt es regelmäßigen Austausch mit Revierleiter:innen im Ortenaukreis. Zur Umsetzung von Maßnahmen fehlt es nicht an Fachwissen, sondern an Ressourcen. Die eigentlich gute Ausgangsbedingung wird durch einen finanziell/personell beschränkten Rahmen gehemmt. Förderprogramme können aktuell nur stark eingeschränkt in Anspruch genommen werden, insb. wenn es um Stilllegungsflächen und Baumartenauswahl geht (Stichwort: „klimaangepasstes Waldmanagement“). Exotische Baumarten werden ggf. in Förderprogrammen ausgeschlossen. Hier besteht großes Konfliktpotential mit dem Handlungsfeld Naturschutz. Insgesamt ist der Erfolg von Anpassungsmaßnahmen im Vergleich zu anderen Handlungsfeldern schwer überprüfbar, da die Auswirkungen immer langfristig angelegt sind (z.B. ist eine Baumgeneration mit einem Zeithorizont von 100 Jahren geplant). Die Anpassungskapazität im Handlungsfeld Forstwirtschaft wird insgesamt im mittleren Bereich eingeschätzt. 37 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 15: Wirkungskette zum Handlungsfeld Forstwirtschaft. 38 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2.3 Gesundheit & Soziales Der Klimawandel wirkt sich auf vielfältige Weise direkt und indirekt auf die psychische und physische Gesundheit von Menschen sowie deren zwischenmenschliche Interaktionen aus. Dabei sind Extrem- und Hitzeereignisse sowie veränderte Artzusammensetzungen durch schleichende Klimaveränderungen und die damit verbundene Übertragung und Freisetzung von Krankheitserregern und Allergenen Auslöser von gesundheitlichen Konsequenzen 16. UVstrahlungsbedingter Hautkrebs, hitzebedingte Schäden zum Beispiel am Herz-Kreislauf-System und Nieren oder vermehrte Todesfälle, Verletzungen und psychischen Schäden im Rahmen von häufiger auftretenden Extremwetterereignissen gehören neben vielen weiteren Folgen zu den prominentesten klimawandelbedingten Gesundheitsschäden 17. Den zweiten Schwerpunkt des Handlungsfeldes betreffen soziale Ungleichheiten und Probleme, die aus körperlichen, psychischen, sozialen und wirtschaftlichen Klimawandelbelastungen folgen 18. Weitere wirtschaftliche Klimawandelfolgen, dem soziale Folgen nachgelagert sind, werden im Handlungsfeld Wirtschaft, Gewerbe & Tourismus beschrieben. In der Stadt Lahr bedeuten zunehmende durchschnittliche Lufttemperaturen und häufigeres Auftreten von Tropennächten und Hitzeextremen eine thermische Belastung für den menschlichen Körper. Die Hitzebelastung äußert sich, besonders bei älteren, vorerkrankten, aber auch jungen und schwangeren Menschen, in eingeschränkten Körperfunktionen und einer zunehmenden Anzahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Früh- und Fehlgeburten, sowie hitzebedingten Todesfällen. Hohe Temperaturen schränken zudem das Konzentrationsvermögen und damit die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz oder der Schule ein. Besonders belastend stellen sich Arbeiten im Freien und in ungedämmten Gebäuden dar, sodass Berufs- und Gesellschaftsgruppen in ihrem Arbeits- und Bildungsleben unterschiedlich stark belastet sind, und eine Gefahr für die Bildungsgerechtigkeit und das Risiko sozialer Konflikte darstellen (siehe unten). Durch vermehrt auftretende Tropennächte wird die nächtliche Erholung verringert und die oben genannten körperlichen und mentalen Folgen verstärken sich. Saisonale Niederschlagsverschiebungen führen in Lahr zu zunehmenden Überflutungen und Überschwemmungen und bergen das Risiko von körperlichen Verletzungen während Extremereignissen, psychischen Folgen in Form von Traumata, sowie dem (temporären) Verlust des Wohnortes, sozialen Orten und Einrichtungen. Schließung von Bildungs- und sozialen Einrichtungen (Jugend- und Senior:innentreffs, Spielplätze etc.) durch Extremwetterschäden und verändertes Freizeitverhalten im Sommer, um der Hitzebelastung auszuweichen bedeuten eine Einschränkung von sozialen Angeboten und damit soziale Defizite. Diese gehen mit einer Zunahme psychischer Erkrankungen, sozialen Ängsten und sozialem Rückzug im Besonderen bei Senior:innen, Kindern, jungen Menschen und Menschen mit wenigen Sozialkontakten einher. Um Adrian G, Dietrich M, Esser B, Hensel A, Isermeyer F et al. (2023): Gemeinsam können wir den Auswirkungen des Klimawandels begegnen. J Health Monit 8(S3): 3 – 6. DOI 10.25646/11390 17 Winklmayr C, Matthies-Wiesler F, Muthers S, Buchien S, Kuch B et al. (2023): Hitze in Deutschland: Gesundheitliche Risiken und Maßnahmen zur Prävention. J Health Monit 8(S4): 3–34. DOI 10.25646/11645 18 Umweltbundesamt Österreich (2022): Soziale Folgen des Klimawandels in Österreich. Online: https://www.klimawandelanpassung.at/newsletter/nl52/soziale-folgen-des-klimawandels (Abgerufen: 12/2023). 16 39 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr die Funktion sozialer- und Bildungsräume sicherzustellen, besteht Investitionsbedarf in die Kühlung öffentlicher Räume. Durch vermehrte Aufenthalte im Freien und dem Tragen kurzer Kleidung erhöht sich die UVExposition und damit die Fallzahlen von Sonnenstichen, Sonnenbränden und Hautkrebs. Dem potentiellen Einfluss einer wissenschaftlich noch nicht endgültig nachgewiesenen Zunahme der atmosphärischen UV-Strahlung wird im Vergleich zur Verhaltensänderung eine geringfügige Rolle zugeschrieben. Neben den direkten Wirkungen auf den menschlichen Körper haben ökosystemische Veränderungen weitere gesundheitliche Auswirkungen. Verlängerte Vegetations- und Pollenflugperioden erhöhen die Exposition zu Allergenen, führen zu einer Zunahme von Allergien, wie Pollinosis und Sonnenallergien. Steigende Durchschnittstemperaturen und verlängerte Vegetationsperioden führen zu einer Habitatausweitung invasiver Arten, die als Vektoren von Krankheiten wie Denguefieber, Zoonosen oder Allergenen dienen können. Zunehmende Hitzebelastung in anderen Teilen der Welt führen zu zunehmender Migration aus den globalen Süden in den globalen Norden, die neben vielen Chancen auch Herausforderungen mit sich bringt. Anhaltende Trockenphasen führen zur Verteuerung der Lebensgrundlagen, wie beispielsweise Trinkwasser. Migration, steigende Kosten für lebensnotwendige Güter, soziale Isolierung und die direkte Exposition zu Hitzebelastung und Extremwetterereignisse, die potentiell ungleich zwischen Bevölkerungsgruppen verteilt sind, bergen das Risiko von Segregation, ernstzunehmenden gesellschaftlichen Konflikten und sozialen Ungerechtigkeiten. Auf Grund der genannten Klimawirkungen Hitzebelastung, Überflutungen, Überschwemmungen, Stürmen und längere Trockenphasen besteht auch in der Stadt Lahr das Risiko des Verlusts der Lebensgrundlagen. Die höchste Risikobewertung im Handlungsfeld Gesundheit & Soziales entfällt auf die Klimafolge: » Verlust der Lebensgrundlagen Anpassungskapazität im Handlungsfeld Gesundheit & Soziales Für den Bereich Gesundheit liegen die Zuständigkeiten beim Gesundheitsamt. Die Steuerungsmöglichkeiten für die Stadt Lahr sind gering. Die Anpassungskapazität im Bereich Gesundheit wird insgesamt als „gering“ bewertet. Für den Bereich Soziales ist die Einflussnahme der Stadt Lahr auf öffentliche Gebäude durch Baumaßnahmen (s. Kap. 4.2.1), sowie auf den Unterricht in Schulen möglich. Herausforderung stellt hierbei die Tatsache dar, dass personelle Ressourcen für zusätzliche Aufgaben der Klimawandelanpassung nicht vorhanden sind. Bei der Stadt selbst ist aktuell wenig Expertise zur Klimawandelanpassung vorhanden. Es kann jedoch auf ein gutes Netzwerk zurückgegriffen werden, um Wissen und Kompetenzen zu erweitern. Im Ernährungsbereich ist externe Unterstützung vorhanden; der Arbeitskreis Klimawandel und Gesundheit (Ortenaukreis) besteht (die Stabsstelle Umwelt vertritt die Stadt Lahr im Arbeitskreis) und widmet sich der Thematik Klimawandelanpassung. Eine Hitzaktionsplanung ist ebenfalls in Planung. Bislang sind hierzu noch keine konkreten Zuständigkeiten zur Umsetzung geklärt. Der Prozess zur Hitzeaktionsplanung läuft bei der Stabsstelle Umwelt. Die Anpassungskapazität für den Bereich Soziales wird insgesamt als „mittel“ bewertet. 40 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 16: Wirkungskette für das Handlungsfeld Gesundheit & Soziales. 41 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2.4 Naturschutz & Biodiversität Im Handlungsfeld Naturschutz und Biodiversität stellt, zusammen mit der Übernutzung von Arten und Flächendruck durch menschliche Systeme, der Klimawandel eine der Hauptstressoren für Ökosysteme und Biodiversität weltweit und in Deutschland dar. Gleichzeitig können Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen einen Beitrag zum Klimaschutz, wie die Renaturierung von Mooren, aber auch zur Klimawandelanpassung, wie zum Beispiel die Renaturierung von Flussläufen zur Nutzung als natürliche Überflutungsflächen darstellen. Gleichzeitig drohen durch den Verlust gesunder Flora und Fauna der Verlust von Ökosystemfunktionen, wie die Bereitstellung von Nährstoffen und Wasser für die Land- und Forstwirtschaft und damit auch ökonomische Konsequenzen. Durch die Ausbreitung invasiver Arten, Parasiten und krankheitsübertragenden Arten (Vektoren) drohen weitere wirtschaftliche und gesundheitliche Risiken 19. In Lahr werden im Zuge des Klimawandels höhere Durchschnittstemperaturen und zunehmend niederschlagsarme und trockene Sommer erwartet. Diese klimatischen Veränderungen bedeuten eine zunehmende Hitzebelastung, abnehmende Wasserverfügbarkeit und längere Trockenperioden für Flora und Fauna. Gerade spezialisierte aquatische und amphibische Arten können sich nicht oder nur langsam an steigende Wassertemperaturen und abnehmende Gewässerqualität durch veränderte chemische und physikalische Parameter, wie Sauerstoff- und Nährstoffgehalt anpassen, und werden zunehmend von konkurrenzstärkeren Ubiquisten und invasiven Arten verdrängt. Bei Austrocknung gehen aquatische Lebensräume gänzlich verloren. Aufgrund der Wassertemperatur schnell zunehmende Algen und (Cyano-) Bakterienpopulationen verringern die Gewässerqualität weiter. Auch terrestrische Ökosysteme reagieren empfindlich auf Hitze, Trockenstress und sinkende Grundwasserspiegel. Bäume in Wäldern, Parks und Gärten werden zunehmend anfällig für Krankheiten- und Parasitenbefall, die gerade in Bereichen mit geringer Artenvielfalt große Flächen befallen können. Kranke, tote und trockene Bäume werden instabil und stellen bei Astund Baumbruch eine Gefahr für die Bevölkerung dar. Besonders im Stadtgebiet gehen durch Baumverlust kühlende und landschaftsgestaltende Ökosystemfunktionen verloren. Verlängerte Vegetationsperioden, erhöhte Wachstumsraten und kürzere Frostphasen in milden Wintern führen möglicherweise zu erhöhten Wildtierpopulationen und Wachstumsraten von Pilzen und Einzellern. Generell bedeuten veränderte Wachstumsraten und Artzusammensetzungen Dysbalancen im natürlichen Gleichgewicht von Ökosystemen und bieten das Risiko der Gefährdung bestehender Biotope und Ökosysteme, beispielsweise durch erhöhten Wildtierverbiss. Veränderte Standortfaktoren wie Wasserverfügbarkeit und Temperatur ermöglichen über veränderte Konkurrenzen die Ausbreitung invasiver Arten. Der Verlust gesunder Ökosysteme geht häufig mit eingeschränkten Ökosystemfunktionen einher. Beispielsweisen stellen gegeneinander Bundesamt für Naturschutz (2020): Biodiversität und Klima: Naturschutz und Klimaschutz zusammen denken Öffentliches Fachgespräch im Umweltausschuss des Deutschen Bundestags zum Thema „Biodiversität und Klima“ am 12. Februar 2020. 19 42 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr verschobene Vegetationsperioden und Bestäuberflugzeiten, ein Risiko für die Ökosystemfunktion Bestäubung dar. Auch verändertes Vogelzug- und -brutverhalten auf Grund von milden Wintertemperaturen oder Nahrungsverfügbarkeit ist zu erwarten. Häufiger auftretende Starkregenereignissen führen zu Überflutungen, in deren Folge Larven und Laich abgeschwemmt werden und absterben. Dies verändert ebenfalls die Artenzusammensetzung im Ökosystem. Um die Folgen absinkender Grundwasserspiegel, Trockenperioden und erhöhte Anfälligkeiten gegenüber Parasiten und Krankheiten in Lahr zu kompensieren und Baumsterben und -bruch einzuschränken, sind in Forstwirtschaft und Grünflächenpflege in Lahr erhöhter Pflegeaufwand von Nöten, der mit zusätzlichen Investitionen und erhöhten Kosten verbunden ist. Langfristige Planungen und Abstimmungen können dabei unterstützen, um Konflikte und Umsatzeinbußen in der Forstwirtschaft gering zu halten. Die höchsten Risikobewertungen (mit zweieinhalb bis drei Punkten) im Handlungsfeld Naturschutz & Biodiversität entfallen auf die Klimafolgen: » » » » » Veränderung der Artenzusammensetzung, Baumsterben und Baumbruch, Verlust wichtiger Ökosystemfunktionen, Erhöhte Unterhaltskosten, Investitionen und Aufwand; und Konflikte mit der Forstwirtschaft. Anpassungskapazität im Handlungsfeld Naturschutz & Biodiversität Personelle Ressourcen zur Anpassung sind nur in einem eng gesteckten Rahmen vorhanden (z.B. zum Pflanzen von Bäumen, Wasserrückhaltung, Bewässerung, etc). Finanzielle Ressourcen zur Umsetzung von zusätzlichen Maßnahmen fehlen hingegen. Wenn Maßnahmen verpflichtend werden, z.B. über gesetzliche Vorgaben, dann ist die Umsetzung realistisch. Auf freiwilliger Basis wird die Umsetzung von Maßnahmen schwierig. Konzeptionell und planerisch ist die Stadt gut aufgestellt. Gute und schlüssige Konzepte sind ebenso vorhanden wie Kompetenzen und Fachwissen. Klimaangepasstes Handeln wird in der Abteilung mehr und mehr beachtet. Externe Personen, insb. in Hinsicht auf projektbezogene Fachplanungen, können aus bekanntem Netzwerk hinzugezogen werden und die Kompetenzen erweitern. Die Abteilung Öffentliches Grün und Umwelt der Stadt Lahr ist aktuell im Umbruch. Klimawandelanpassung soll in Zukunft ein Schwerpunkt sein. Der politische Wille zur Anpassung ist „gering bis mittel“ ausgeprägt. Innerhalb der städtischen Verwaltung zur technischen Umsetzung von Maßnahmen eher „hoch“. Insgesamt wird die Anpassungskapazität im Handlungsfeld Naturschutz & Biodiversität als „mittel“ bewertet. 43 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 17: Wirkungskette für das Handlungsfeld Naturschutz und Biodiversität. 44 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2.5 Stadt & Raumplanung Das Handlungsfeld Stadt- und Raumplanung ist zwar nicht direkt von den Folgen des Klimawandels betroffen, trägt dem Themengebiet aber Rechnung hinsichtlich der Betroffenheiten ihrer Schutzgüter wie Mensch, Wirtschaft, städtisches Grün und bauliche Umwelt. Sie nimmt unter den Handlungsfeldern der Klimawandelanpassung eine Querschnittsrolle ein und kann mithilfe ihrer Steuerungselemente einen großen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel leisten (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg 2023). Von Belang sind hierbei die zunehmende Hitzebelastung (zusätzlich verstärkt durch den städtischen Wärmeinseleffekt) sowie einerseits Überflutungen infolge von Starkregen oder Hochwasser und andererseits langanhaltende Trockenperioden. Die Auswirkungen hiervon reichen von verminderter Aufenthaltsqualität öffentlicher Räume bis zu erheblichen Schäden an Gebäuden und (kritischer) Infrastruktur bzw. Schädigungen von städtischem Grün. Die Stadt Lahr ist von einer Vielzahl an Auswirkungen des Klimawandels im Handlungsfeld Stadtund Raumplanung betroffen. Hierbei lassen sich in die beiden Wirkbereiche Grün- & Freiflächen und Städtische Strukturen unterscheiden. Die zunehmende Trockenheit, saisonale Niederschlagsverschiebung, steigende Durchschnittstemperatur, Zunahme von Tropennächten und häufigere Extremwetterereignisse haben erhebliche Auswirkungen auf die Stadt- und Raumplanung der Stadt Lahr. Steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit gehen mit einer steigenden Hitzebelastung, veränderter Wasserverfügbarkeit, sowie veränderten Vegetationsperioden und längeren Trockenperioden im Sommer einher. Hiervon sind Grün- und Freiflächen besonders betroffen. Neben einem erhöhten Trockenstress bei Pflanzen, der sich u.a. durch verbrannte Grünflächen zeigt, treten verstärkt (neue) Schädlinge auf. Ein erhöhtes Baumsterben, sowie ein steigender Pflege- und Bewässerungsbedarf des Stadtgrüns ist die Folge, einhergehend mit steigenden Kosten für Investitionen (Maßnahmenumsetzung) und Bewirtschaftung. Auch Gewässer fallen im Stadtgebiet trocken, was den Trockenstress zusätzlich erhöht. Auch auf die Städtischen Strukturen hat der Klimawandel erhebliche Auswirkungen. Direkte Sonneneinstrahlung und eine zunehmende Hitzebelastung führen dazu, dass ein Aufenthalt außerhalb von Gebäude vermieden wird. Der Bedarf an Schutz- und Erholungsflächen steigt, wodurch die Flächenkonkurrenz zwischen Stadtgrün und Infrastruktur intensiviert wird. Auch das Risiko, dass Kaltluftschneisen (z.B. bei Nachverdichtung oder Ausweitung von Baugebieten) verloren gehen, und/oder Hitzeinseln (v.a. in der Innenstadt) entstehen nimmt zu. Öffentliche Räume werden in ihrer Nutzbarkeit eingeschränkt, wodurch es zur Überlastung noch nutzbarerer öffentlicher Räume kommen kann. Gleichzeitig besteht das Risiko einer leeren Innenstadt, dadurch dass die Bürger die Innenstadt meiden und diese somit für die ansässigen Gewerbe uninteressant wird. Durch die Zunahme an Extremwetterereignissen wie Überflutungen/Überschwemmungen und auch Stürme, sind in Lahr Schäden an Infrastruktur und auch Bäumen zu erwarten. Verkehrswege sind dadurch nur noch eingeschränkt nutzbar oder fallen komplett aus. Steigende Investitionskosten (z.B. für Sanierung oder weitere Maßnahmenumsetzung) sind die Folge, genauso wie Personen- und Sachschäden die ein zunehmendes Risiko bergen. 45 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Die höchsten Risikobewertungen (drei Punkte) im Handlungsfeld Stadt- und Raumplanung entfallen auf die Klimafolgen: » » » » » » » Steigende Investitionskosten (z.B. für Sanierung und Maßnahmenumsetzung) Steigender Pflege- und Bewässerungsbedarf von Stadtgrün (inkl. Kosten) Steigende Bewirtschaftungskosten Sinkende Aufenthaltsqualität Flächenkonkurrenz: Stadtgrün vs. Infrastruktur Leere Innenstadt (Gewerbe) Personen- und Sachschäden Anpassungskapazität im Handlungsfeld Stadt- & Raumplanung In der Planung für Neubauten (B-Pläne, Flächennutzungsplan, s. auch Kap. 4.2.1) sind Möglichkeiten und Kompetenzen für Klimawandelanpassung vorhanden. Ressourcen für Klimawandelanpassung - innerhalb gewisser Grenzen aufgrund von sehr dichter Agenda - sind insgesamt verfügbar. Gesonderte Maßnahmen, die nicht nur mitgedacht, sondern neu geplant werden müssen, bleiben als Erstes unberücksichtigt. Es gibt keine speziell für das Thema Klimawandelanpassung zuständigen Mitarbeitenden. Hingegen wird das Thema über Fortbildungen, Schulungen, etc. aufgegriffen. Fachgutachter:innen aus vorhandenem Netzwerk (Energienutzung, Begrünung, Artenschutz, etc.) werden hinzugezogen. Die Anpassungskapazität für Planung im Neubau ist mittel bis hoch, ohne dabei die Gebäude des Bestands mitzuberücksichtigen. Insgesamt wird die Anpassungskapazität im Handlungsfeld Stadt & Raumplanung als „gering“ bewertet. 46 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 18: Wirkungskette für das Handlungsfeld Stadtund Raumplanung. 47 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2.6 Verkehr Das Handlungsfeld Verkehr umfasst Planung, Bau und Bewirtschaftung sowie Nutzung von Verkehrsinfrastrukturen zum Transport von Personen und Gütern. Der Klimawandel wirkt sich vor allem über die klimatischen Einflüsse der erhöhten Temperaturen, Hitze, zunehmende Trockenheit, Starkregen und Forst-/Tauwechsel auf die Verkehrsinfrastruktur und das Mobilitätsverhalten aus. Beispielweise können Hangrutschungen und Unterspülungen zur Blockierung von Verkehrswegen führen. Die Hitzebelastung verändert insgesamt die Ansprüche an Transportdienstleistungen im Öffentlichen Personennahverkehr (z.B. im Hinblick auf Klimatisierung). In der Stadt Lahr kommt es bei der Verkehrsinfrastruktur aufgrund der zunehmenden Hitze zu einer Aufweichung des Asphalts. In kleinerem Maße spielen auch Hangrutschungen eine Rolle, insbesondere an kleineren Straßen und Hohlwegen im Außenbereich. Insgesamt steigen die Kosten für Reparatur und Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur. Starkregen und Sturm führen zur Überflutung von Radwegen und Windwurf, auch wenn bisher kein größeres Starkregenereignis die Stadt direkt betroffen hat. In beiden Fällen kann es zur Blockierung von Verkehrswegen kommen und die Unfallgefahr steigt. Die höheren Temperaturen führen auch zu positiven Effekten: zum einen werden weniger Frostschäden festgestellt, zum anderen fallen die Kosten für Streudienste weg, da es nur noch selten Bedarf dafür gibt. Die zunehmende Hitze wirkt sich auch auf die Nutzung von unbeschatteten Rad- und Fußwegen aus. Diese ist bei großer Hitzebelastung deutlich beeinträchtigt. Im Radverkehr weichen die Nutzerinnen und Nutzer hier teilweise auf den Radweg entlang der Schutter aus, da dieser kühler und entsprechend angenehmer zu fahren ist. Beim Mobilitätsverhalten sind sowohl positive als auch negative Auswirkungen festzustellen. Als Chance werden die steigenden Temperaturen für den Radverkehr gesehen, weil dieser bei wärmeren Temperaturen stärker genutzt wird und somit die Chance für die Stärkung des Umweltverbundes mit positiven Auswirkungen auf den Klimaschutz besteht. Gleichzeitig beeinträchtigt sowohl der städtische Wärmeinseleffekt, als auch die Überhitzung der Straßen durch die Klimaanlagen der Autos den Radverkehr. In den heißen Sommertagen verlagern sich die Verkehrsströme in die frühen Morgen- und späten Abendstunden, was zu längeren Lärmemissionen für die Anwohnenden führt. Die Nutzung von Klimaanlagen führt gleichzeitig zu einem höheren Verbrauch an Treibstoffen und wirkt sich negativ auf den Klimaschutz aus. Aufgrund der insgesamten Zunahme des Verkehrsaufkommens sowie des geplanten Ausbaus von Radwegen und Wärmenetzen wird in der Stadt eine hohe Flächenkonkurrenz zwischen dem Ausbau von Grünflächen und Verkehrsflächen gesehen. Die höchste Risikobewertung (mit 2,5 Punkten) im Handlungsfeld Verkehr entfällt auf die Klimafolge: » Flächenkonkurrenz (Grünflächen vs. Verkehrswege) 48 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Anpassungskapazität im Handlungsfeld Verkehr Konzeptionell und aus Sicht personeller Ressourcen ist die Stadt Lahr gut aufgestellt. Es gibt ein anspruchsvolles Verkehrskonzept inkl. einer Fachplanung für ein neues Rad- & Fußwegekonzept. Bisher sind jedoch wenig konkrete Auswirkungen von Maßnahmen zu spüren, aufgrund fehlender politischer Mehrheiten für die Umsetzung. Gesamtkonzepte sind beschlossen, bei einzelnen Maßnahmen gibt es allerdings politische Interessenskonflikte, sodass die konkrete Umsetzung bisweilen scheitert. Aktuell ist kein Glasfaser- und Fern-/Nahwärmenetz vorhanden. Bei zukünftiger Verlegung sollten Synergien für die Umsetzung neuer Verkehrskonzepte genutzt werden. Die Finanzierung, v.a. bei Großprojekten und größeren Maßnahmen (z.B. werden für das ÖPNV Konzept Kosten im Millionen-Bereich vermutet), stellt eine große Herausforderung dar. Im Handlungsfeld Verkehr bestehen zum Teil Flächenkonkurrenzen zu Begrünungsmaßnahmen im Stadtgebiet. Die Anpassungskapazität im Handlungsfeld Verkehr wird insgesamt als „gering bis mittel“ eingeschätzt. 49 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 19: Wirkungskette für das Handlungsfeld Verkehr. 50 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2.7 Wasser & Bevölkerungsschutz Die Auswirkungen des Klimawandels treffen das Handlungsfeld Wasser auf vielfältige Weise: die globale Erhöhung der Temperatur führt sowohl zu Problemen durch Wassermangel und Niedrigwasser als auch zu Gefahren durch einen (kurzfristigen) Wasserüberschuss wie beispielsweise Hochwasser oder Sturzfluten im Zusammenhang mit zunehmenden Starkregenereignissen (Anpassungsstrategie des Landes Baden-Württemberg, 2023). 20 Die Niedrigwassersituation aufgrund von Trockenheit wirkt sich auf die Energiewirtschaft, die Wassergüte- und Wassermengenwirtschaft und die Gewässerökologie aus. Bei niedriger Wasserführung belasten steigende Nähr- und Schadstoffkonzentrationen die aquatischen Ökoysteme. Aufgrund der zunehmenden Temperaturen und abnehmender Fließgeschwindigkeit steigt die Gewässertemperatur, teilweise fallen Gewässer in den Sommermonaten komplett trocken, wodurch die ökologische Durchgängigkeit unterbrochen wird (ebd.). Die Auswirkungen des Klimawandels im Handlungsfeld Wasser werden für die Stadt Lahr in den drei Wirkbereichen Oberflächengewässer, Grundwasser und Entwässerungssystem erfasst. Bei den Oberflächengewässern wirkt sich die zunehmende Durchschnittstemperatur auf steigende Temperaturen in den Gewässern aus. Die zunehmende Trockenheit und Abnahme der Niederschläge in den Sommermonaten führen zu Niedrigwasser (zum Beispiel in der Schutter). Zusammen mit einem verstärkten Eintrag von Schadstoffen bei Starkregen ist hier ein Wasserqualitätsverlust und Zunahme der Eutrophierung von Gewässern festzustellen. Veränderungen im physikalisch-chemischen Gewässerzustand und der Abflussmenge führen zu einer zunehmenden Erosion, was auch stark mit der Bewirtschaftung der umliegenden Flächen zu tun hat. In Kombination kommt es zu einem Rückgang an Amphibien und aufgrund der Austrocknung von Gewässern zu Fischsterben. In Kombination der verschiedenen Faktoren kann dies zu einem Umkippen von Gewässern führen. Im Wirkbereich Grundwasser führen längere Trockenphasen und steigende Temperaturen zu einer abnehmenden Grundwasserneubildung. Der Grundwasserkörper unter der Stadt Lahr ist sehr mächtig und die Abnahme ist bisher minimal. Die Ortsteile Reichenbach und Kuhbach werden mit Trinkwasser aus Quellschüttungen versorgt. Hier ist ein deutlicher Rückgang der Quellschüttungen feststellbar. Die Ortsteile sind an das Gesamtnetz angeschlossen, weshalb die Versorgung hier gewährleistet ist. Allerdings führen die rückläufigen Quellschüttungen zu einer Zunahme der Wasserhärte im Trinkwasser aufgrund veränderter Mischungsverhältnisse in der Trinkwasserbereitstellung. Hieraus resultieren auch Nutzungskonflikte wie das Wasserentnahmeverbot für einen Golfplatz in sommerlichen Trockenperioden. Bei Höfen im Außenbereich fallen Quellen teilweise komplett trocken, wodurch die Trinkwasserversorgung gefährdet wird. Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg: Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in Baden-Württemberg. Online: https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/mum/intern/Dateien/Dokumente/4_Klima/Klimawandel/Anpassungsstrategie.pdf (Abgerufen: 02/2024). 20 51 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Auf das Entwässerungssystem wirken sich vor allem die schwankenden Niederschlagsmengen und längere Trockenperioden aus. Die leicht zunehmenden Starkregenereignisse führen zu einer Überlastung der öffentlichen Kanalisation und Grabensysteme. Die Verstopfung von Gullys nach langen Trockenperioden verschärft die Problematik. Die Überlastung der Mischwasserkanalisation führt zu einer erhöhten Schadstoffbelastung in den Gewässern und im Boden. Aufgrund dieser Problematik steigt der Investitionsbedarf für die Ausweitung und Sanierung der Kanalisation. Die höchsten Risikobewertungen (mit zweieinhalb oder drei Punkten) im Handlungsfeld Wasser entfallen auf die Klimafolgen: » » » » » Eutrophierung der Gewässer Wasserqualitätsverlust in Gewässern Fischsterben durch Austrocknung und Rückgang der Amphibien Erhöhter Investitionsbedarf für Ausweitung der Kanäle Trinkwasserknappheit (bei Höfen im Außenbereich) Im Handlungsfeld Bevölkerungsschutz müssen die Organisationen des Bevölkerungsschutzes in der Lage sein, mit einer zunehmenden Zahl an Extremereignissen wie Hochwasser, Starkregen oder lang anhaltenden Hitzeperioden umzugehen. Hierbei muss der Bevölkerungsschutz die mit häufigeren und möglicherweise auch parallel auftretenden Naturextremen verbundenen Gefahrenpotenziale erkennen, Einsatzszenarien überdenken und die eigenen Kapazitäten entsprechend anpassen, um angemessen reagieren zu können. In der Stadt Lahr ist eine Zunahme der Einsätze von Rettungskräften in Hitzephasen feststellbar und es kommt zu einer höheren Zahl an Hitzetoten. Diese und auch weitere klimabedingte Erkrankungen (s. Handlungsfeld Gesundheit & Soziales) belasten das Gesundheitssystem. Gleichzeitig steigt der Personalbedarf nicht nur aufgrund höherer Einsatzzahlen, sondern auch aufgrund der erhöhten Belastung von Einsatzkräften (zum Beispiel der Feuerwehr) in Hitzephasen. Die Hitzebelastung erschwert die Durchführung von Einsätzen enorm und macht einen häufigeren Wechsel des Personals notwendig. Gleichzeitig besteht eine mangelnde Deckung von Personal und Ausrüstung bei den Rettungskräften. Längere Trockenperioden und abnehmende Wasserverfügbarkeit führen zu einer Zunahme der Vegetationsbrände. Auch bei Überflutungen sind die Rettungskräfte im Einsatz. Das Risiko eines Ausfalls von kritischer Infrastruktur wird bisher als eher gering eingeschätzt. Die höchsten Risikobewertungen (mit zweieinhalb Punkten) im Handlungsfeld Bevölkerungsschutz entfällt auf die Klimafolge: » Höhere Zahl an Hitzetoten Anpassungskapazität im Handlungsfeld Wasser & Bevölkerungsschutz Ein Hochwasserrisikomanagement, inkl. bauliche Maßnahmen, wie das Rückhaltebecken Kuhbach (HQ100) ist vorhanden. Die Hochwassergefahrenkarte wird in regelmäßigen Zyklen aktualisiert. Bei Neurechnung könnte es sein, dass HQ100-Flächen nicht mehr aktuell sind, und 52 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr das Rückhaltebecken Kuhbach als unterdimensioniert bewertet wird. Bei Kanalsanierungen werden höhere Abflüsse durch klimatische Änderungen des Niederschlagsregimes mitberücksichtigt. Eine Starkregenanalyse ist zwingend notwendig, stellt aber auch einen zusätzlichen Kosten- und Personalaufwand dar. Für die Starkregenanalyse und ein Starkregenrisikomanagement gibt es bislang keine Vernetzung. Die untere Wasserbehörde und das Regierungspräsidium werden als Netzwerkpartner in die Thematik eingebunden und können unterstützen. Zusätzliches Wissen in Bezug auf Anpassungsmaßnahmen kann sich angeeignet werden, die Hauptherausforderung sind auch hier die personellen Ressourcen. Für Projekte insg. gilt: Vergaberichtlinien wurden verschärft und sind in der Praxis zeitaufwendig. Die Abteilung Siedlungswasserwirtschaft/Tiefbau bearbeiten Themenkomplex aktuell mit zwei Personalstellen. Die Umsetzung zusätzlicher Aufgaben im Bereich der Klimawandelanpassung stellt aus Sicht von Personalressourcen eine große Herausforderung dar. Die Steuerungsmöglichkeiten der Stadt sind groß; Personelle Ressourcen zur Umsetzung von Maßnahmen sind gering. Die Anpassungskapazität im Handlungsfeld Wasser & Bevölkerungsschutz wird insgesamt im mittleren Bereich gesehen. 53 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 20: Wirkungskette für das Handlungsfeld Wasser und Bevölkerungsschutz. 54 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 4.2.8 Wirtschaft, Gewerbe & Tourismus Das Handlungsfeld Wirtschaft, Gewerbe und Tourismus umfasst die ökonomischen Folgen des Klimawandels. Neben den direkten Gewinneinbußen, stehen vielfältige Abwertungen des Wirtschaftsstandorts Lahr im Mittelpunkt der Risikobetrachtung. Das Handlungsfeld Wirtschaft, Gewerbe und Tourismus ist in drei Klimawirkbeziehungsbereiche unterteilt. Wirkungsbeziehungen werden in den Unterbereichen Landwirtschaft, Gastronomie & Gewerbe und Sommertourismus getrennt betrachtet und bewertet. Zunehmende Trockenheit, saisonale Niederschlagsverschiebungen und die insgesamt zunehmende Durchschnittstemperatur sind klimatische Einflüsse, die besonders stark in den Bereich Landwirtschaft hineinwirken. Die landwirtschaftlich relevanten Klimawirkungen in Lahr sind vielfältig. Hitzebelastung und eine geringere Wasserverfügbarkeit kann zu Hitze- und Trockenschäden führen. Sonnenbrand tritt als weitere Klimafolge bei starker Sonnenstrahlung, die häufig mit Hitzewetterlagen einhergeht, auf. Im Weinanbau kann Hitzebelastung in Säureabbau der Trauben resultieren. Steigender Pflege-, Bewässerungs- und Kühlungsbedarf bzw. die veränderte Qualität von Endprodukten verursachen Kosten bzw. können die Wirtschaftlichkeit von Agrarprodukten schmälern und erhöhen somit das Risiko von Wirtschaftseinbußen. Im schlimmsten Fall müssten in Zukunft besonders benachteiligte Standorte aufgegeben werden. Durch in Zukunft mildere und kürzere Winter und dadurch längere Vegetationsperioden wird das Auftreten von (neuen) Schädlingen und Krankheiten gefördert, was die Notwendigkeit des Ausbringens von zusätzlichen Pflanzenschutzmitteln und damit einem erhöhten, kostenintensiveren Pflegebedarf nötig macht oder zu Ernteausfällen führt. Resultierende Risiken sind Wirtschaftseinbußen. Ein insgesamt verändertes, milderes Winterhalbjahr birgt die Gefahr von Frostschäden durch Spät- oder Wechselfrost. Spontan mögliche Wetterwechsel in der Erntesaison resultieren in steigendem Personal- und Materialaufwand, da ggf. Doppelstrukturen geschaffen werden müssen, um für jedes (Ernte-) Szenario gewappnet zu sein. Erschwerte Arbeitsbedingungen als Folge einer größeren Hitzebelastung trifft insbesondere den Bereich Landwirtschaft, da hier viele zum Teil körperlich anspruchsvolle Arbeiten im Außenbereich erfolgen müssen. Die höchsten Risikobewertungen (drei Punkte) im Wirkbereich Landwirtschaft entfallen auf die Klimafolgen: » » Steigender Pflege- und Bewässerungsbedarf Verlust von Standorten Zunehmende Durchschnittstemperaturen sowie häufigere und intensivere Extremereignisse sind klimatische Einflüsse, die besonders stark in den Bereich Gastronomie & Gewerbe hineinwirken. Starkniederschläge oder Stürme können Gebäude oder Betriebsstätten beschädigen, zu Produktionsausfall oder einer (temporären) Schließung führen und im Extremfall arbeitende Personen in Gefahr bringen. In Zukunft besteht für Gastronomie & Gewerbe ein erhöhtes Risiko von Wirtschaftseinbußen durch Extremereignisse. 55 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Durch eine stärkere Hitzebelastung In Lahr steigen die Risiken von einem steigenden Pflege-, Bewässerungs- und Kühlungsbedarf in entsprechenden Branchen. Auch eine verminderte Leistungsfähigkeit von arbeitenden Personen bis hin zu einer potenziellen Gefährdung bzw. erschwerte Arbeitsbedingungen können auf ein verändertes Klima mit einer stärkeren Hitzebelastung zurückgeführt werden. Meidung bestimmter Tageszeiten oder saisonalen Zeiten für das Einkaufen spiegeln sich in einem insgesamt angepassten Einkaufsverhalten von Konsument:innen wider. Unbekannte Hitzebelastung oder Temperaturschwankungen könnten in Zukunft größere Anforderungen an Materialien z.B. in Industrie oder verarbeitendem Gewerbe stellen. Die Stadt Lahr könnte aus Sicht von Gastronomie & Gewerbe bei Nichtanpassung durch eine zukünftig stärkere Hitzebelastung als Standort an Attraktivität verlieren. Viele Branchen in Lahr sind insgesamt mit einem erhöhten Risiko von Wirtschaftseinbußen konfrontiert. Im Wirkbereich Gastronomie & Gewerbe ergibt sich keine Risikobewertung auf der höchsten Stufe (drei Punkte). Für den Tourismus in Lahr ergeben sich in Zukunft mit fortschreitendem Klimawandel zahlreiche Risiken. Zunehmende Durchschnittstemperaturen und eine höhere Anzahl an Tropennächten führt zu einer Hitzebelastung von Tourist:innen (insb. bei Outdooraktivitäten und Städtetourismus) und arbeitenden Personen in der Tourismusbranche. Saisonverschiebungen, eine höhere Nachfrage nach wasserbezogenen Aktivitäten und eine verminderte Badewasserqualität können weiterhin Klimafolgen von höheren Temperaturen sein, die den Bereich Sommertourismus beeinflussen. Es wird deutlich, dass ein potentiell verändertes Verhalten von Tourist:innen mit einem Interesse an anderen Freizeitangeboten & Abwanderung von Tourismusgruppen in andere Regionen auch klimawandelinduziert ist und das Risiko eines insgesamten Verlusts von Tourismusstandorten in Lahr in Zukunft stark erhöht ist. Hitzebelastung spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ein weiterer Klimaeinfluss auf den Bereich Tourismus ist die zunehmende Trockenheit und damit einhergehende niedrige Wasserstände von Badegewässern und anderen touristisch genutzten Oberflächengewässern in Lahr. Touristisch nicht nutzbare Gewässer, aufgrund niedriger Wasserstände oder schlechter Wasserqualität, können den Sommertourismusstandort Lahr unattraktiv machen. Bei einer Verknappung der Ressource Wasser und einer gleichzeitig steigenden Nachfrage ergibt sich übergeordnet aus dem Handlungsfeld Wirtschaft, Gewerbe und Tourismus ein Interessenskonflikt bei der (Trink-) Wassernutzung und eine Querverbindung zum Handlungsfeld Wasser & Bevölkerungsschutz (s. Kap. 4.2.7). Die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen wirkt sich auch auf den Tourismussektor aus. Tourismuseinrichtungen können beschädigt und geplante Großveranstaltungen müssen ggf. (kurzfristig) abgesagt werden. Das Risiko wirtschaftlicher Einbußen ist die Folge. Im Extremfall ist das Risiko von Personenschäden ebenfalls erhöht. Die höchsten Risikobewertungen (drei Punkte) im Wirkbereich Tourismus entfällt auf die Klimafolge: » Interessensveränderung von Tourist:innen hin zu anderen Freizeitangeboten & Abwanderung von Tourismusgruppen in andere Regionen 56 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Anpassungskapazität im Handlungsfeld Wirtschaft, Gewerbe & Tourismus Im ersten Quartal 2024 wurde die Stelle der Wirtschaftsförderung neu besetzt. Die Wirtschaftsunternehmen in Lahr sind sehr breit gefächert (von verarbeitendem Gewerbe, was einen hohen Stellenwert hat, bis hin zur Logistik und spezialisierten Dienstleistung). Themen zum Klimaschutz, wie PV-Anlagen und alternative Energie, kommen bei Unternehmen gut an. Im Bereich der Mobilitätswende, Einsparung von Flächen, Entsiegelung und Neuanlage von Grünflächen gibt es bisher noch wenig Engagement bei den Unternehmen. Die IHK ist Ansprechpartner zu Klimathemen. Das Angebot wird von größeren Unternehmen stärker aufgegriffen als von kleineren Unternehmen. Die Anpassungskapazität im Bereich Wirtschaft & Gewerbe wird insgesamt als „gering“ eingeschätzt. Im Bereich Tourismus arbeitet die Fachabteilung personell im Minus - es sind keine personellen oder finanziellen Ressourcen für zusätzliche Entwicklung von Klimaanpassungsmaßnahmen verfügbar. Aktuelle Ausnahme bildet dabei das neue Tourismuskonzept. "Entschleunigung“ und „Genuss" sind Leitbilder und Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil ("Slow", weg vom stetigen Wachstum). Die ÖPNV Nutzung spielt im neuen Tourismuskonzept eine zentrale Rolle. Das Konzept ist aktuell in Arbeit und soll im Frühjahr 2024 auf den Weg durch die Gremien gebracht werden. Wissen, wie ein klimaresilienter Umbau seitens des Tourismus aussehen kann, ist vorhanden. Es mangelt an personeller und finanzieller Ausstattung. Über die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (bcsd e.V.) ist Vernetzung und Austausch zu Nachhaltigkeitsthemen gesichert. Finanziell müssten aber mehr Gelder freigegeben werden, um die suboptimale Ausstattung, insb. auch in Hinsicht auf den ÖPNV-Umbau, bewerkstelligen zu können. Die Anpassungskapazität im Bereich Tourismus wird insgesamt als „gering“ eingeschätzt. 57 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Abbildung 21: Wirkungskette für das Handlungsfeld Wirtschaft, Gewerbe & Tourismus. 58 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 5. Bestehende Maßnahmen Die Stadt Lahr ist bereits in einigen Handlungsfeldern aktiv und ergreift Maßnahmen, die zum Teil gezielt der Klimawandelanpassung dienen. Andere Maßnahmen haben abweichende Zielvorgaben, wirken aber durch Synergieeffekte ebenfalls positiv in Hinsicht auf Klimawandelanpassung. Bei der Bewertung der Klimarisiken (s. Kap. 4.2) finden die bereits umgesetzten Maßnahmen Berücksichtigung. So führt beispielsweise die Ausweisung von Hochwasserund Überschwemmungsgebieten und darauf aufbauend eine hochwasserangepasste Bauplanung unter der Beachtung von HQ100-Flächen in den Handlungsfeldern Wasser und Stadt- und Raumplanung dazu, dass sich in Lahr durch zukünftige Klimaeinflüsse keine schwerwiegenden Risiken mit höchster Bewertung ergeben. Im Handlungsfeld Bauen & Wohnen wurden bereits zahlreiche Einzelmaßnahmen durchgeführt, die insbesondere bei Neubauprojekten klimaangepasstes Bauen berücksichtigt. Ein beschlossener Leitfaden und ein Katalog mit einzuhaltenden Standards für Baumaßnahmen soll im Neubau die Berücksichtigung von Klimawandelanpassungsaspekten sichern. Im Altbestand fehlt es jedoch bislang weitgehend an Anpassungsmaßnahmen. Schon umgesetzte Maßnahmen wurden bei der Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen zur Risikominimierung beachtet und aktuell geplante Vorhaben aufgegriffen. Hier ist insbesondere das im Handlungsfeld Gesundheit & Soziales angesiedelte Vorhaben mit dem Beschluss zur Erarbeitung eines Entwurfs für einen Hitzeaktionsplan zu nennen. In Tabelle 3 sind alle bereits bestehenden Prozesse und Maßnahmen der Klimawandelanpassung zusammengefasst. Trotz aller bereits unternommenen Anstrengungen der Stadt Lahr, ergeben sich nach dieser Analyse zahlreiche Klimarisiken, die schwerwiegend sein können, wenn entschiedenes Handeln zur Risikominimierung ausbleibt. Im folgenden Kapitel werden deshalb Handlungsempfehlungen aufgezeigt, um die Klimarisken abzumildern. Tabelle 3: Bereits geplante Prozesse oder umgesetzte Maßnahmen in Lahr, die der Klimawandelanpassung dienen. Bestehende Maßnahme Beschreibung Zugehöriges Handlungsfeld Anbringen/Neubau/ Pflanzung von Beschattungselementen Sonnensegel, Markisen, Pflanzung von Bäumen in Außenbereichen von Schulen und Kitas Bauen & Wohnen Bodenkühlung Berücksichtigung in Zukunft, wie z.B. schon umgesetzt: Kita in der Dreyspringstraße mit Bodenkühlung (über Fußbodenheizung) geplant Bauen & Wohnen Neue Fenster, bzw. zusätzliche Fensteröffnungen zum Kühlen Kitas/Schulen: mehr Fensteröffnungen und Lüftungsflügel zum Lüften ermöglichen; Möglichkeiten zur Nachtauskühlung schaffen Bauen & Wohnen 59 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Bestehende Maßnahme Beschreibung Zugehöriges Handlungsfeld Sanierung und Einbau von Lüftungsanlagen Zum Beispiel: Lüftungsanlage Mehrzweckhalle Bürgerpark; Sanierung Max-Planck- und Scheffel Gymnasiums Bauen & Wohnen Wärmedämmung Zum Beispiel: Wärmedämmung bei Sanierung des Max-Planck- und Scheffel Gymnasiums Bauen & Wohnen Gründächer Zum Beispiel aktuell: Kleine Erweiterung beim Schlachthof (Schlachthof - Kinder, Jugend & Kultur) mit Gründach, Kita Dreyspringstraße Bauen & Wohnen Begrünte Fassade Begrünte Fassade des Lahr-Reichenbach Kindergartens „An der Schutter“ Bauen & Wohnen Entwicklung/Ergänzung eines Katalogs mit einzuhaltenden Standards für Baumaßnahmen Ergänzung des bereits vorhandenen Katalogs um verpflichtende Standards als zu erfüllende Maßgabe bei einer Baumaßnahme zu z.B. Kühlung oder Begrünung und Gründächern bei Neubauten Bauen & Wohnen Leitfaden klima- und umweltfreundliche Bauleitplanung Beschluss: In der Bauleitplanung werden die Belange des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung anhand des Leitfadens besonders beachtet. Vorgaben werden sukzessive in die Bauleitplanung eingebunden, d.h. von der Baugebietssuche bis über verkehrliche Maßnahmen und Einzelfestsetzungen Bauen & Wohnen Beschluss: Der straßenbegleitende Baumbestand im Stadtbereich ist nachhaltig zu sichern und weiter zu entwickeln Zur Verbesserung der lokalklimatischen und lufthygienischen Situation und zur Steigerung der Aufenthalts- und Lebensqualität müssen zukünftig verstärkt und systematisch an allen Hauptverkehrsstraßen sowie an weiteren Straßen, Wegen und Plätzen im besiedelten Bereich begleitend Straßenbäume gepflanzt werden. An geeigneten Standorten sollen heimische Baumarten angepflanzt werden Bauen & Wohnen Beschluss: Begrünung städtischer Gebäude und Anlagen (sowie Extensivierung von Grünflächen und Entsiegelung von Flächen für mehr Biodiversität und Aufenthaltsqualität) Bauen & Wohnen Beschluss: Erarbeitung und Einführung eines Informations- und Förderprogramms zur Begrünung von Dächern und Fassaden und zur Bodenentsiegelung Bauen & Wohnen 60 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Bestehende Maßnahme Beschreibung Zugehöriges Handlungsfeld Arbeitsschutzmaßnahmen Hautkrebsvorsorge Mitarbeiter:innen; Zur Verfügung stellen von Wasser; Anpassung/Flexibilisierung von Arbeitszeiten; Ventilation in Büros Gesundheit & Soziales Sensibilisierung und Information von Bürger:innen Hitzeknigge „Achtung Hitze!“ vom UBA; Praxisratgeber „Klimagerechtes Bauen“; Webseite „Achtung Sommer!“ über die Sommermonate, Informationen zu Hitze für die Bevölkerung; Grundsätzliche Informationen zum Klimawandel über Klimasteckbrief der Stadt Lahr durch das LoKlim Projekt; Hinweise zur Waldbrandgefahr Gesundheit & Soziales Beschluss: Erarbeitung eines Entwurfs eines Hitzeaktionsplans mit Maßnahmen mit kurz-, mittel- und langfristigen Wirkungen zur Priorisierung im Umweltausschuss Gesundheit & Soziales Teilnahme der Stadt Lahr an der AG Klimawandel und Gesundheit Ortenaukreis Gesundheit & Soziales Leitlinie: Grünvolumen, Wohnqualitäten und kleinklimatische Aspekte vor Innenverdichtung Grundsatzbeschluss: Grünvolumen, Wohnqualitäten und kleinklimatische Aspekte (Berücksichtigung Hitzebelastung) vor Innenverdichtung Stadt & Raumplanung Ausrichtung von Neubauten ändern Neu-Orientierung der Gebäude bei Neubau (Südausrichtung nur noch unter dem Aspekt der PV-Nutzung) Stadt & Raumplanung Bewässerung Steigerung der Bewässerungsleistung zum Grünerhalt Stadt & Raumplanung Neupflanzung von Bäumen Neupflanzung von ca. einem Dutzend Bäumen, Mittelinsel B415 Stadt & Raumplanung Hochwasserangepasste Bauplanung (Beachtung von HQ100 Flächen) Hochwasserangepasste Hochbauplanung; Lage des Stadtarchivs wird überdacht; SAE-Raum Stadt & Raumplanung Aktion Trink was(ser) an Kunden Angebot von Geschäften zum Befüllen von Wasserflaschen Wirtschaft, Gewerbe & Tourismus 61 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Bestehende Maßnahme Beschreibung Zugehöriges Handlungsfeld Sanierung und Erneuerung der Kanäle GEP alle 15 Jahre, Maßnahmenpläne werden entwickelt, wenn die Hydraulik unterdimensioniert ist Bei Sanierung werden Kanäle ggf. aufdimensioniert Wasser & Bevölkerungsschutz Geröllfänge Waldwege Geröllfänge werden, wenn sie nicht ausreichend bzw. unterdimensioniert sind, neu geplant und bzw. erneuert Wasser & Bevölkerungsschutz Ausweisung von Hochwasser/Überschwemmungsgebieten Hochwassergefahrenkarten werden in regelmäßigen Abständen neu gerechnet und erstellt, inkl. Berechnung der Abflussmengen und Aufnahmefähigkeit von Gewässern (alle 1015 Jahre, durch Regierungspräsidium 53.1); Überschwemmungsgebiete werden darauf aufbauend neu ausgewiesen Wasser & Bevölkerungsschutz Versickerung von Dachwasser auf Grünflächen Grundsatz aus der Siedlungswasserwirtschaft: Wasser soll dort behalten werden, wo es anfällt. Einzelmaßnahmen dazu werden häufig umgesetzt, auch auf Privatflächen Wasser & Bevölkerungsschutz Förderung der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit Für den Themenbereich Klima hat die Stabsstelle Umwelt die einheitenübergreifende Projektsteuerung und begleitet die Projekte Allgemein 62 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 6. Handlungsempfehlungen 6.1 Methodik und allgemeine Einschätzung Handlungsempfehlungen werden methodisch in der Regel für die Fälle erarbeitet, für die zwei Kriterien gleichzeitig erfüllt sind. Handlungsempfehlungen sollen die identifizierten Risiken aller Handlungsfelder mit der höchsten Bewertung (Bewertung mittel-hoch und hoch; s. Kap. 4.2) adressieren, unter gleichzeitiger Berücksichtigung, wo eine möglichst hohe Anpassungskapazität vorliegt (Bewertung mittel-hoch und hoch) und somit eine große Hebelwirkung bei der Risikominimierung erzielt werden kann. In der Stadt Lahr wurden einerseits zahlreiche Risiken mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder Schadenshöhe identifiziert (entspricht hoher Bewertung). Andererseits ist die Anpassungskapazität für kein Handlungsfeld als „hoch“ eingestuft und liegt insgesamt im Bereich „gering“ bis höchstens „mittel“ (s. Tabelle 4). Die Diskrepanz von hohen Klimarisiken einerseits und geringen Anpassungskapazitäten andererseits stellt die Stadt Lahr zur Bewältigung der Klimawandelfolgen vor große Herausforderungen. In der Erarbeitung der Auswirkungen und Risiken innerhalb der Handlungsfelder wurden die Klimarisiken sehr differenziert erfasst (s. Kap. 4.2). Zum Beispiel wurden in den Handlungsfeldern Gesundheit & Soziales (s. Kap. 4.2.3) sowie Verkehr (s. Kap. 4.2.6) nur sehr vereinzelt Klimarisiken als „hoch“ eingestuft. In anderen Handlungsfelder wurden bis zu sechs Klimarisiken „hoch“ bewertet. In Tabelle 4 sind die Risiken mit der höchsten Bewertung inkl. entsprechender Handlungsfelder und deren Anpassungskapazitäten zusammenfassend aufgeführt. Zum Teil begründen fehlende Zuständigkeiten eine geringe Anpassungskapazität, wie zum Beispiel im Handlungsfeld Gesundheit (s. Kap. 4.2.3). Als maßgebliche Gründe, die eine höhere Anpassungskapazität zur Begegnung von Klimarisiken in Lahr bei eigener Zuständigkeit verhindern, sind jedoch in den meisten Handlungsfeldern mangelnde personelle und finanzielle Ressourcen zu nennen. Neben Empfehlungen zur Minimierung besonders schwerwiegender Risiken, zielen die erarbeiteten Handlungsempfehlungen darauf ab, die Anpassungskapazität der Stadt Lahr selbst zu erhöhen. Bereits bestehende oder umgesetzte Maßnahmen, die der Klimawandelanpassung zugerechnet werden können, werden berücksichtigt. Weiterhin wurden Fördermöglichkeiten, die die Stadt Lahr für eine entsprechende Empfehlung in Anspruch nehmen kann, ergänzt, um das handlungsfeldübergreifende Risiko von steigenden Kosten abzufedern. 63 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Tabelle 4: Zusammenfassung der Risiken aller Handlungsfelder mit der höchsten Bewertung inkl. der Anpassungskapazität der Stadt Lahr pro Handlungsfeld. Handlungsfeld Forstwirtschaft Landwirtschaft Tourismus » » » » » » » » » Wasser » » » Bevölkerungsschutz » » Verkehr Gesundheit Soziales Naturschutz & Biodiversität » » » » » » » » » » Bauen & Wohnen » » Stadt- & Raumplanung Anpassungskapazität Risiken mit höchster Bewertung » » Ausfall von Bäumen; mehr Totholz Vermehrte Fällung von standuns. Bäumen Konflikte mit Naturschutz Höhere Personalbindung Steigender Pflege- und Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft Verlust von landwirtschaftlichen Standorten Interessensveränderung von Tourist:innen hin zu anderen Freizeitangeboten; Abwanderung von Tourismusgruppen in andere Regionen Wasserqualitätsverlust in Gewässern Erhöhter Investitionsbedarf für Ausweitung der Kanäle Trinkwasserknappheit (bei Höfen im Außenbereich) Eutrophierung der Gewässer Fischsterben durch Austrocknung und Rückgang der Amphibien Höhere Zahl an Hitzetoten Flächenkonkurrenz (Grünflächen vs. Verkehrswege) Verlust der Lebensgrundlage Verlust der Lebensgrundlage Veränderte Artzusammensetzung Baumsterben und Baumbruch Verlust wichtiger Ökosystemfunktionen erhöhte Unterhaltskosten, Investitionen und Aufwand Konflikte mit der Forstwirtschaft Steigender Bedarf an Kühlung und Lüftung Steigender Energieverbrauch, Rückkopplung durch erhöhte CO2-Emissionen Gesundheitliche Risiken besonders für vulnerable Gruppen Kosten durch Sanierung und Instandhaltung von Gebäuden Investitionskosten für Prävention (z.B. Hochwasserschutz, Sanierungen) Biodiversitätsverlust Steigende Investitionskosten (Sanierung, Maßnahmenumsetzung) mittel gering gering mittel mittel gering - mittel gering mittel mittel gering - mittel gering 64 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 6.2 Empfehlungen zur Erstellung eines Klimaanpassungskonzepts und weiterer Fachkonzepte Es wird empfohlen, durch die Erstellung von Konzepten die Klimawandelanpassung in Lahr systematisch fortzuführen. Im Folgenden werden das empfohlene Klimawandelanpassungskonzept sowie die empfohlenen Fachkonzepte im Detail vorgestellt: 6.2.1 Erstellung eines Klimaanpassungskonzepts mit Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels Ausgangssituation/ Problemstellung In Lahr wird es wärmer und trockener und Extremereignisse, wie Hitze- und Trockenperioden oder Starkregenereignisse werden intensiver und häufiger (s. Kap. 2.4.3). Zahlreiche schwerwiegende Risiken mit hoher Bewertung, werden durch diese Klimaveränderungen hervorgerufen (s. Tabelle 4). Gemäß des Ende 2023 im Bundesrat verabschiedeten neuen Klimaanpassungsgesetzes, sind zukünftig flächendeckend lokale Klimaanpassungskonzepte auf der Grundlage von Risikoanalysen aufzustellen (KAnG, §12 Klimaanpassungskonzepte) 21 Die Stadt Lahr ist bereits in einigen Handlungsfeldern aktiv und ergreift Maßnahmen, die der Klimawandelanpassung zugerechnet werden können (s. Kap. 5). Bisher fehlt jedoch eine systematische Erfassung der Bedarfe. Mit der Klimarisikoanalyse liegt jetzt ein erster Baustein zur Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf die Stadt Lahr vor. Zur gezielten Minimierung der Klimarisiken in der Stadt bedarf es der Formulierung von konkreten Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in den einzelnen Handlungsfeldern. Hierbei sollten insbesondere die Klimarisiken mit einem mittleren und hohen Risiko adressiert werden, sowie der Aufund Ausbau der Anpassungskapazität über Veranstaltungen, Schulungen, Förderungen, Netzwerkarbeit etc. Relevante Handlungsfelder Das Klimaanpassungskonzept kann aufbauend auf den Ergebnissen der vorliegenden Risikoanalyse erstellt werden. Im Anpassungskonzept sollten insbesondere die Handlungsfelder, welche mittlere und hohe Risiken aufweisen besonders sorgfältig geprüft und hier konkrete Maßnahmen entwickelt werden (s. Kap. 4.2). Ziel Es wird die Erstellung eines Klimaanpassungskonzepts zur Minimierung der in Tabelle 4 genannten Risiken empfohlen (s. Kap. 4.2.1, 4.2.6 und 4.2.7). Das Konzept sollte Bausteine zur strategischen Bundesgesetzblatt (2023): Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG). Online: bgbl/1/2023/393/VO (Abgerufen: 04/2024). 21 https://www.recht.bund.de/ 65 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Zielsetzung für die Klimawandelanpassung, einen Maßnahmenkatalog für kurz-, mittel- und langfristige Zeithorizonte, Ausarbeitungen zur Öffentlichkeitsarbeit, Verstetigung und Controlling enthalten. Fördermöglichkeiten Fördermöglichkeit für ein Klimaanpassungskonzept besteht im Förderschwerpunkt Modul B: Vorbereitungsprojekte über das Programm KLIMOPASS durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Das Land fördert die Erstellung von Konzepten zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels mit 65 Prozent der förderfähigen Kosten. 22 6.2.2 Erstellung einer Starkregengefahrenkarte Ausgangssituation/ Problemstellung In Lahr wird trotz eines in der Tendenz leichten Rückgangs der Häufigkeit und Intensität von Starkregenereignissen in den letzten Jahren zukünftig eine leichte Zunahme prognostiziert (s. Kap. 2.4.3). Da Starkregenereignisse hohe Schäden mit sich bringen, wird hier die Erstellung einer Starkregengefahrenkarte empfohlen. Im Rahmen der Risikoanalyse wurden zahlreiche schwerwiegende Risiken, hervorgerufen durch die zu erwarteten Klimaveränderungen, identifiziert (s. Kap. 4.2.3, 4.2.5 und 4.2.7). Besonders hoch bewertete Risiken in den relevanten Handlungsfeldern sind: » Steigende Investitionskosten für Präventionsmaßnahmen, z.B. für Ausweitung der Kanäle » Wasserqualitätsverlust in Gewässern durch Eintrag von Schadstoffen bei Starkregen » Personen- und Sachschäden » Verlust der Lebensgrundlage Relevante Handlungsfelder » Wasser » Bevölkerungsschutz » Stadt- und Raumplanung Ziel Es wird die Erstellung einer Starkregengefahrenkarte für das gesamte Stadtgebiet empfohlen. Darauf aufbauend könnte ein Hochwassergefahrenmanagement entwickelt werden, welches die Kernstadt und die Ortsteile beinhaltet inkl. eines Maßnahmenkatalogs und eines Alarmplans. Hinsichtlich baulicher Präventionsmaßnahmen kann basierend auf den Ergebnissen einer Starkregengefahrenkarte die Identifizierung der Bedarfe und die L-Bank (2024): KLIMOPASS. Online: https://www.l-bank.de/produkte/finanzhilfen/klimopass.html (Abgerufen: 03/2024). 22 66 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Definition der Ausweitung der Kanäle ökonomisch und effizient erfolgen. Ende 2023 wurde das erste Klimaanpassungsgesetz (KAnG) im Bundestag verabschiedet. 23 In Abschnitt 3, § 8 ist dort ein Berücksichtigungsgebot für die Planungen und Entscheidungen der Träger öffentlicher Aufgaben definiert und unter Punkt (1) die Überflutung oder Überschwemmung bei Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser genannt, genauso wie die Bodenerosion. Das Gesetz tritt Mitte des Jahres 2024 in Kraft. Eine Starkregengefahrenkarte stellt die Grundlage zur Berücksichtigung von Starkregen und Sturzfluten und indirekt auch der Bodenerosion dar. Fördermöglichkeiten Das Land Baden-Württemberg fördert Kommunen die sich mit dem Thema Starkregen auseinandersetzen und sich hierbei auf den Leitfaden „Kommunales Starkregenrisikomanagement in BadenWürttemberg“ stützen, mit einem Zuschuss von 70 % der Kosten die für kommunale Starkregengefahrenkarten mit nachfolgender Risikoanalyse und darauf aufbauendem Handlungskonzept entstehen. 24 6.2.3 Erstellung einer Stadtklimaanalyse Ausgangssituation/ Problemstellung In Lahr wird es in Zukunft deutlich wärmer. Ein Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur um bis zu 3,7 °C sowie eine deutliche Zunahme der Hitze- und Sommertage ist bis 2100 zu erwarten. Hitzeperioden werden häufiger und die Anzahl der Tropennächte wird zunehmen (s. Kap. 2.4.3). Zahlreiche schwerwiegende Risiken mit hoher Bewertung, werden durch diese Klimaveränderungen hervorgerufen (s. Kap. 4.2.1, 4.2.6 und 4.2.7). Besonders hoch bewertete Risiken in den relevanten Handlungsfeldern sind: » Flächenkonkurrenz (Grünflächen vs. Verkehrswege) » Höhere Zahl an Hitzetoten » Gesundheitliche Risiken besonders für vulnerable Gruppen Steigender Bedarf an Kühlung und Lüftung und dadurch steigender Energieverbrauch, der einen Rückkopplungseffekt durch erhöhte CO2-Emissionen verursacht. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) plant für Ende des Jahres 2024 die Veröffentlichung eines neuen Klimaatlas für Baden-Württemberg. Hier soll auch die Hitzebelastung über 23 Bundesgesetzblatt (2023): Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG). Online: https://www.recht.bund.de/ bgbl/1/2023/393/VO (Abgerufen: 04/2024). 24 Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (2022): Starkregen. Online: https://um.baden-wuerttemberg.de/de/umwelt-natur/wasser/starkregen (Abgerufen: 03/2024). 67 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Klimaanalysekarten im Maßstab von ca. 50 x 50 m erfasst werden. Für eine Stadt in der Größe von Lahr mit der Lage am Mittelgebirgsrand, in der durch Kaltluftabflüsse insbesondere nachts ein erheblicher Einfluss auf das städt. Mikroklima erwartet werden kann, empfiehlt sich eine detailliertere Erfassung der Hitzebelastung in einem Maßstab von ca. min. 10 x 10 m. So können einzelne Bauwerke/Gebäude bzw. Geländehöhen zur Berechnung der Kaltluftströme räumlich hinreichend aufgelöst berücksichtigt werden. Stadtklimaanalysen können auf der Datengrundlage von Modellergebnissen, wie beispielsweise dem Stadtklimasimulationsmodell PALM-4U 25, extern oder intern erstellt werden. Relevante Handlungsfelder » » » » » Stadt- und Raumplanung Bauen und Wohnen Verkehr Gesundheit und Soziales Wasser & Bevölkerungsschutz Ziel Es wird empfohlen eine Stadtklimaanalyse zur flächenscharfen Identifizierung von Hitzebelastungs- und Gunststandorten sowie der räumlichen Verortung wichtiger Klimafunktionsbereiche (Kaltluftentstehungsgebiete und -Leitbahnen) erstellen zu lassen. Die Stadtklimaanalyse sollte konkrete Planungshinweise enthalten. Eine Stadtklimaanalyse ist eine belastbare Datenbasis, die als eine Entscheidungsgrundlage für die räumliche Verortung von Maßnahmen und die Klimawandelanpassung in der Bauleitplanung (s. Kap. 6.4.2) dienen kann. Ende 2023 wurde das erste Klimaanpassungsgesetz (KAnG) im Bundestag verabschiedet. 26 In Abschnitt 3, §8 ist dort ein Berücksichtigungsgebot für die Planungen und Entscheidungen der Träger öffentlicher Aufgaben definiert und unter Punkt (1) ist die Erzeugung oder Verstärkung eines lokalen Wärmeinsel-Effekts genannt. Das Gesetz tritt Mitte des Jahres 2024 in Kraft. Eine Stadtklimaanalyse stellt die Grundlage zur Berücksichtigung von Kaltluftströmen Erzeugung oder Verstärkung eines lokalen Wärmeinsel-Effekts dar. Gleichzeitig dient die Stadtklimaanalyse als Grundlage für die Erstellung eines Hitzeaktionsplans (s. Fachkonzept 3 in Kap 6.2.3). 25 DWD (2024): Stadtklimamodell PALM-4U. Online: https://www.dwd.de/DE/leistungen/palm4u/palm4u.html (Abgerufen: 04/2024). 26 Bundesgesetzblatt (2023): Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG). Online: https://www.recht.bund.de/ bgbl/1/2023/393/VO (Abgerufen: 04/2024). 68 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Fördermöglichkeiten Mit dem Förderprogramm KLIMOPASS fördert das Land BadenWürttemberg Kommunen und kleine und mittlere Unternehmen beim Einstieg in die Anpassung an den Klimawandel. Im Förderschwerpunkt Modul B: Vorbereitungsprojekte können mikround/oder mesoskalige modellgestützte Klimaanalysen mit 65 % gefördert werden. 27 6.2.4 Erstellung eines Hitzeaktionsplans Ausgangssituation/ Problemstellung In Lahr wird ein Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur um bis zu 3,7 °C sowie eine deutliche Zunahme der Hitze- und Sommertage bis 2100 erwartet. Hitzeperioden werden häufiger und die Anzahl der Tropennächte wird zunehmen (s. Kap. 2.4.3). Zahlreiche Risiken, hervorgerufen durch die zu erwarteten Klimaveränderungen, ergeben sich daraus in Lahr (s. Tabelle 4). Schwerwiegendste Risiken in den Handlungsfeldern Gesundheit und Soziales sowie Bevölkerungsschutz (s. Kap. 4.2.1 und 4.2.7) sind: » Höhere Zahl an Hitzetoten » Gesundheitliche Risiken besonders für vulnerable Gruppen » Laut Beschluss des Umweltausschusses vom 14.12.2023, ist die Verwaltung der Stadt Lahr beauftragt, einen Hitzeaktionsplan zu entwerfen. Relevante Handlungsfelder » Gesundheit und Soziales » Bevölkerungsschutz Ziel Zur Minimierung der höchsten Risiken in den Handlungsfeldern Gesundheit & Soziales sowie Bevölkerungsschutz wird die Erstellung eines Hitzeaktionsplans inklusive Maßnahmen mit kurz-, mittel- und langfristigen Wirkungen empfohlen. Fördermöglichkeiten Mit dem Förderprogramm KLIMOPASS fördert das Land BadenWürttemberg Kommunen seit März 2024 auch die Erstellung von Hitzeaktionsplänen. 28 Im Förderschwerpunkt Modul B unter dem Punkt „Konzepte zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ kann die Erstellung von Hitzeaktionsplänen mit 65 Prozent gefördert werden. L-Bank (2024): KLIMOPASS. Online: https://www.l-bank.de/produkte/finanzhilfen/klimopass.html (Abgerufen: 03/2024). 28 Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg (2024): Hitzeaktionspläne: Gesundheit der Bevölkerung steht im Fokus. Online: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/ pressemitteilung/pid/hitzeaktionsplaene-gesundheit-der-bevoelkerung-steht-im-fokus-2 (Abgerufen: 04/2024). 27 69 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr 6.3 Empfehlungen zur Verstetigung 6.3.1 Verstetigung der Kerngruppe Ausgangssituation/ Problemstellung Das verwaltungsinterne Energieteam kümmert sich um die Koordinierung der Energie- und Klimaaktivitäten der Stadt Lahr. Für das Handlungsfeld der Klimaanpassung wurde daraus (sowie mit Ergänzungen) die Kerngruppe gebildet, in denen folgende Abteilungen der Stadt Lahr vertreten waren: » » » » » » Feuerwehr und Bevölkerungsschutz Gebäudemanagement Soziales, Bildung und Sport Stabsstelle Umwelt Stadtplanung Tiefbau Relevante Handlungsfelder In der Kerngruppe sollten alle klimarelevanten Handlungsfelder der Stadt Lahr vertreten sein. Ziel Es wird empfohlen, die eingerichtete Kerngruppe zur Begleitung des Prozesses der Klimarisikoanalyse als verwaltungsinterne Koordinationsgruppe für Fragen der Klimawandelanpassung und zur generellen Erhöhung der Anpassungskapazität der Stadt Lahr zu verstetigen. Die Koordination der Kerngruppe liegt bei der Stabsstelle Umwelt. Aufgaben der Kerngruppe könnten sein: » Begleitung der Erstellung des Klimaanpassungskonzeptes und weiterer Fachkonzepte » Erfassung zum aktuellen Stand der Klimaanpassungsmaßnahmen » Jährliche Berichterstattung zum aktuellen Stand an die Verwaltungsspitze und den Gemeinderat » Initiativen für Themen oder Projekte » Systematische Erhebung des (personellen und finanziellen) Bedarfs zur Klimawandelanpassung 6.3.2 Inhouse-Schulungen für Klimawandelanpassung Ausgangssituation/ Problemstellung Ein Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur um bis zu 3,7 °C sowie eine deutliche Zunahme der Hitze- und Sommertage sowie Tropennächte ist in Lahr zu erwarten. Extremereignisse, wie Hitzeund Trockenperioden sowie Starkregenereignisse werden häufiger (s. Kap. 2.4.3). Zahlreiche schwerwiegende Risiken mit hoher Bewertung, werden durch diese Klimaveränderungen hervorgerufen (s. Tabelle 4). 70 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Wie die Erhebung der bestehenden Maßnahmen zeigt, liegen Standards und Leitlinien zur Berücksichtigung der Klimawandelanpassung in der Stadt Lahr vor. Bisher werden die Aspekte der Klimawandelanpassung in der Planung und Umsetzung der Fachämter allerdings nicht systematisch mitgedacht, weil es an Umsetzungswissen in den einzelnen Bereichen fehlt. Das spiegelt sich auch in der geringen bis mittleren Anpassungskapazität der Verwaltung wider (s. Kap 4). Relevante Handlungsfelder Die Schulungen sollten für alle klimarelevanten Handlungsfelder der Stadt Lahr angeboten werden. Ziel Es wird empfohlen Inhouse-Schulungen zur Berücksichtigung von Klimawandelanpassung in allen klimarelevanten Bereichen durchzuführen. Nach der Einführung der Schulungen, sollte das neue Angebot evaluiert, weiterentwickelt und dann in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Ziel der Inhouse-Schulungen sollte die Fortbildung aller Verwaltungsmitarbeitenden in den klimarelevanten Bereichen zu den bestehenden Instrumenten und deren Anwendung, sowie die Einbindung von neuen Mitarbeitenden sein. 6.3.3 Erhöhung der Personalressourcen für Klimawandelanpassung in den Fachämtern Ausgangssituation/ Problemstellung Die zentrale Koordination der Klimawandelanpassung der Stadt Lahr liegt bei der Stabsstelle Umwelt. Neben einer Koordinationsstelle für die Themen der Klimawandelanpassung, bedarf es einer Erhöhung der Personalressourcen in den klimarelevanten Fachämtern, um die Klimawandelanpassung in der Verwaltung systematisch zu verankern und die Umsetzung von Maßnahmen voranzubringen. Aktuell werden die mangelnden personellen Ressourcen als wesentlicher Engpass genannt (s. Kapitel 4.2). Relevante Handlungsfelder Alle priorisierten Handlungsfelder. Ziel Im ersten Schritt sollten die Personalressourcen in den planungsrelevanten Bereichen der Verwaltung aufgestockt werden, um eine systematische Verankerung der Klimawandelanpassung sicher zu stellen. Neben der Berücksichtigung der Aspekte der Klimaanpassung bedarf es auch der Teilnahme an zusätzlichen internen Koordinierungsrunden, um das Querschnittsthema der Klimawandelanpassung sektorübergreifend planen zu können. 71 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Fördermöglichkeiten Im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) kann eine Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels beim Bundesumweltministerium beantragt werden. Der Bund finanziert Personalstellen mit 80% der Personalkosten für zwei Jahren zur Erstellung eines Klimaanpassungskonzeptes und auch zur Umsetzung von bestehenden Klimaanpassungskonzepten. Die Förderung wird vom Projektträger Zukunft-Umwelt-Gesellschaft (ZUG) betreut 29. Das Förderfenster ist allerdings aktuell nicht geöffnet. Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (2021): Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Online: https://www.z-u-g.org/das/ (Abgerufen: 03/2024). 29 72 | Klimarisikoanalyse für die Stadt Lahr Anhang Anhang 1: Ergebnisse der Bewertung der Betroffenheiten nach Handlungsfeldern mit dem Screeningtool im Workshop I. 73 |