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Beschlussvorlage (Römisches Streifenhaus auf dem Landesgartenschaugelände)

                                    
                                        Beschlussvorlage
Amt: EBM
Bohn

Datum: 09.05.2017 Az.: 321.87/

Drucksache Nr.: 123/2017

Beratungsfolge

Termin

Beratung

Kennung

Abstimmung

Gemeinderat

15.05.2017

beschließend

öffentlich

Beteiligungsvermerke
Amt
Handzeichen

Eingangsvermerke
Oberbürgermeister

Erster Bürgermeister

Bürgermeister

Haupt- und Personalamt
Abt. 10/101

Kämmerei

Rechts- und
Ordnungsamt

Betreff:

Römisches Streifenhaus auf dem Landesgartenschaugelände

Beschlussvorschlag:

Der Gemeinderat beschließt die Rekonstruktion eines römischen Streifenhauses auf
Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bürgerpark in einem
Kostenrahmen von 385.000,00 € und beauftragt die Landesgartenschau Lahr 2018
GmbH mit der Realisierung.

BERATUNGSERGEBNIS

Sitzungstag:

Bearbeitungsvermerk

 Einstimmig  lt. Beschlussvorschlag  abweichender Beschluss (s. Anlage)
 mit Stimmenmehrheit

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthalt.

Datum

Handzeichen

Drucksache 123/2017

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Begründung:
Die Rekonstruktion eines römischen Streifenhauses im Bürgerpark ist zentraler Bestandteil
sowohl der Ausstellung im Gartenschaujahr als auch der dauerhaften Gestaltung des Parks.
Auf der Grundlage bisheriger Forschungsergebnisse und Abstimmungen mit der Universität
Freiburg wurde bislang von einem giebelständigen eingeschossigen Bau ausgegangen. Dieser Annahme lag auch der geschätzte Gesamtaufwand von 200.000,00 € für die Rekonstruktion zu Grunde. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse führen aktuell zu einer Abweichung der
bisherigen Planungen. Im Einzelnen bedeutet dies:
In Lahr wurde ein ganz besonderer Haustyp vorgefunden, der sich durch seine spezielle Unterkonstruktion auszeichnet. Es handelt sich um einen Holzständerbau auf durchgehenden
Schwellbalken. Damit diese Schwellbalken nicht allzu schnell verrotten, lagen sie auf großen
Sockelsteinen aus Bruchsandstein auf. Kleine Spalthölzer zwischen den ebenerdig verlegten
Sockelsteinen bildeten eine Art Kasten, der im Inneren mit Lehm aufgefüllt wurde und so einen erhöhten Hausboden (Podium) bildete.
Diese Sockelsteinbauten konnten in Lahr das erste Mal wissenschaftlich detailliert beschrieben werden. Die zwischenzeitlich eingeführte Bezeichnung „Haustyp Lahr“ ist von der archäologischen Forschung bereits als feststehender Begriff übernommen worden.
Die Sockelsteinhäuser „Typ Lahr“ sind für Streifenhäuser vergleichsweise klein: Die Breiten
liegen zwischen 5,2 – 6,4 m, die Längen samt aller Anbauten um 14 –17 m. Die Schwellbalken dürften einen Querschnitt von ca. 28 x 28 cm gehabt haben.
Gegenüber dem ersten Anschein hat man es beim „Haustyp Lahr“ nicht mit überlangen, niedrigen, barackenartigen Häusern zu tun, sondern mit 1,5-geschossigen „Stadthäusern“, deren
Dachflächen zur Straße hin ausgerichtet sind. Dafür sprechen vor allem vier Argumente:
1. Nur so ist eine sinnvolle Ableitung des Regen- und Schmelzwassers gewährleistet. Die
Häuser stehen gewöhnlich Wand an Wand oder besitzen mitunter eine gemeinsame Seitenwand. Bei einer giebelständigen Bauweise (d.h. der Giebel weist zur Straße) wäre die
Gefahr sehr groß, dass das Dachwasser in diese Wände laufen würde, vor allem in der
römischen Antike, die keine Regenrinnen kannte. Traufgräbchen, die das Dachwasser am
Boden abführen, liegen nur auf der Straßenseite, was darauf hinweist, dass die Dachflächen in Richtung der Straße ausgerichtet waren.
2. Ungefähr auf mittlerer Höhe der Längsseiten befinden sich in Lahr regelmäßig Querzüge
über die gesamte Hausbreite, die als Unterlager für den Dachfirst zu interpretieren sind.
Der Dachfirst verlief demnach quer zur Längsachse des Hauses.
3. Der „Haustyp Lahr“ hat nichts mit dem barackenähnlichen Langhaustyp der militärdominierten Limeszone zu tun, sondern ist eine eigenständige Entwicklung des zivilen Hinterlands am Oberrhein. Nach den archäologischen Untersuchungen finden sich die Vorläufer
für den Haustyp vor allem im östlichen Gallien (heute Frankreich/südliches Elsass bis ungefähr auf Höhe Straßburg) und in der civitas Helvetiorum (heute Nordwestschweiz). Von
hier aus wirkten die kulturellen Einflüsse auch auf Lahr. Die ersten Bewohner des römischen vicus von Lahr-Dinglingen dürften als „Pioniergeneration“ gegen 100 n. Chr. aus
diesen Gebieten nach Lahr gekommen sein. Aufgrund dieser Herkunft der Bautradition
steht der „Haustyp Lahr“ stellvertretend für ein ziviles, (klein-)städtisch geprägtes Bauen,
das ursprünglich aus dem gallisch-helvetischen Raum stammt.

Drucksache 123/2017

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4. Einige besser erhaltene Häuser in der Nordwestschweiz (z.B. in Oberwinterthur) enthalten
Treppen oder Leiterstiege, die auf eine Mehrgeschossigkeit der Bauten hindeuten. In dieselbe Richtung weisen auch die Lahrer Sockelsteine, die für Balkenquerschnitte von 28
cm und mehr vorgesehen waren, was für ebenerdige Häuser deutlich überdimensioniert
wäre.
Hausrekonstruktion
Die Universität Freiburg empfiehlt für die Hausrekonstruktion eine niedrige Variante mit Kniestock über einem Erdgeschoss. Damit verbinden sich mehrere Vorteile: In der Frontseite des
Gebäudes können über dem Vordach der Porticus (des zur Straße ausgerichteten Säulengangs) einige Fensteröffnungen vorgesehen werden, die für Licht im Gebäude sorgen. Der
zentrale hintere Raum ist so hoch, dass er als Rauchküche mit zentraler, offener Herdstelle
dienen kann. Diese regelhaft offenen Herdstellen benötigen eine gewisse Raumhöhe, damit
der Rauch unter dem Dach gut abziehen kann und nicht im Raum stehen bleibt. Der hintere
Hausbereich ist als niedriger, schuppenähnlicher Anbau konzipiert. Sein Dach entwässert in
Richtung Gartenteil der Parzelle; hier kann das Wasser z.B. in einem Bottich gesammelt
werden.
Für die überarbeitete Konzeption wird ein Kostenrahmen von 385.000,00 € veranschlagt.

Guido Schöneboom
Erster Bürgermeister

Ulrike Karl
LGS Lahr 2018 GmbH