Informationsvorlage (Anschlussunterbringung von Flüchtlingen)
8. März 2017
Information Amt: 30 Biendl Datum: 16.02.2017 Az.: 103.53 Drucksache Nummer: 38/2017 Beratungsfolge Termin Beratung Kennung Abstimmung Ausschuss für Soziales, Schulen und Sport 08.03.2017 zur Kenntnis öffentlich Beteiligungsvermerke Amt Handzeichen 50 Eingangsvermerke Oberbürgermeister Erster Bürgermeister Bürgermeister Haupt- und Personalamt Abt. 10/101 Kämmerei Rechts- und Ordnungsamt Betreff: Anschlussunterbringung von Flüchtlingen Mitteilung: Der Ausschuss für Soziales, Schulen und Sport nimmt den derzeitigen Stand bei der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen und den Gemeinderatsbeschluss über das Konzept der Anschlussunterbringung für die Stadt Lahr zur Kenntnis BERATUNGSERGEBNIS Sitzungstag: Bearbeitungsvermerk Einstimmig lt. Beschlussvorschlag abweichender Beschluss (s. Anlage) mit Stimmenmehrheit Ja-Stimmen Nein-Stimmen Enthalt. Datum Handzeichen Drucksache 38/2017 Seite - 2 - Begründung: I. Allgemeines zur Unterbringung von Flüchtlingen In Baden-Württemberg findet die Unterbringung von Flüchtlingen in einem gestuften Verfahren statt. Zunächst kommen Flüchtlinge in die sogenannte Erstunterbringung. Träger dieser Einrichtungen ist das Land Baden-Württemberg, vertreten durch die Regierungspräsidien. In der Erstunterbringung bleiben Flüchtlinge im Regelfall maximal sechs Monate. Hier erfolgen Registrierung, Gesundheitsuntersuchungen und die Stellung des Asylantrages. Laut Koalitionsvertrag von Bündnis 90/Die Grünen und CDU ist beabsichtigt, zukünftig das gesamte Asylverfahren während der Erstunterbringung abzuwickeln und dann nur die Personen mit Bleiberecht direkt auf die Gemeinden zu verteilen. Bis wann dies umgesetzt wird, ist nicht bekannt und wird auch maßgeblich von den Bearbeitungskapazitäten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestimmt werden. Bis dahin werden Flüchtlinge nach der Antragstellung für die Dauer des Asylverfahrens i.d.R. aber für maximal 24 Monate in die vorläufige Unterbringung weiterverteilt. Diese liegt in der Verantwortung der Landratsämter und Stadtkreise als untere Aufnahmebehörden. Nach Abschluss des Asylverfahrens bzw. nach Ablauf der 24 Monate kommen die Flüchtlinge in die Anschlussunterbringung. Diese ist zeitlich nicht begrenzt und dauert so lange, bis die Flüchtlinge in der Lage sind, sich selbstständig mit Wohnraum zu versorgen. Im Kern handelt es sich bei der Anschlussunterbringung um eine Vermeidung von Obdachlosigkeit. Die Zuständigkeit liegt gem. § 18 Abs. 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) bei den Gemeinden. Die Kosten der Unterbringung werden im Rahmen der sozialen Hilfesysteme (Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitslosengeld II, Grundsicherung) von den Sozialleistungsträgern (Landratsamt bzw. Kommunale Arbeitsförderung) getragen. II. Unterbringungssituation im Ortenaukreis und in Lahr Im Ortenaukreis befanden sich Ende 2016 ca. 3.300 Personen in der vorläufigen Unterbringung. Hiervon werden im Jahr 2017 ca. 2.150 Personen in die Anschlussunterbringung wechseln. Bei ca. 2.000 Personen erfolgte dieser Wechsel bereits in den Jahren 2015 und 2016. Die Zugänge in der vorläufigen Unterbringung beliefen sich im Jahr 2015 auf 4.150 Personen und im Jahr 2016 auf ca. 2.100 Personen. Die Verteilung innerhalb des Ortenaukreises regelt sich nach einer Aufnahmequote für die Gemeinden. Diese wird für das erste Halbjahr 2017 voraussichtlich 2,04 % der Einwohnerzahl betragen. Für Lahr bedeutet das ca. 910 Personen. Auf diese Quote werden die Kapazitäten in der vorläufigen Unterbringung, die bereits in den beiden Vorjahren aufgenommenen Personen in der Anschlussunterbringung und die in der Gemeinde untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA), für die Hilfe zur Erziehung geleistet wird, angerechnet. Wird bei Anrechnung dieser Personen die Aufnahmequote nicht erreicht, ist die Gemeinde zur Aufnahme weiterer Personen in der Anschlussunterbringung verpflichtet. Seit diesem Jahr werden nun auch Familiennachzüge bei der Quotenberechnung berücksichtigt. Da diesbezüglich keine verlässlichen Zahlen prognostiziert werden können, kann nur eine nachgelagerte Berücksichtigung erfolgen. Insofern hat sich der Ortenaukreis entschieden für das 2. Halbjahr eine neue Berechnung der Aufnahmequoten unter Berücksichtigung der Familiennachzüge im ersten Halbjahr 2017 vorzunehmen. Drucksache 38/2017 Seite - 3 - Die Stadt Lahr hatte sich bisher bei der Flüchtlingsunterbringung in der Weise engagiert, dass sie das Landratsamt bei der Schaffung von Plätzen in der vorläufigen Unterbringung unterstützt hat. Hier wurden in Lahr große Kapazitäten (zu Hochzeiten an die 1.000 Plätze) geschaffen. Daneben haben in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt ca. 120 Flüchtlinge in Lahr selbstständig Wohnraum gefunden, die ebenfalls auf die Aufnahmequote angerechnet werden. Zudem sind ca. 60 UMA in Lahr untergebracht, von denen aktuell 33 auf die Aufnahmeverpflichtung angerechnet werden. Für die weiteren UMA erfolgt keine Anrechnung, da diese sich in der vorläufigen Inobhutnahme befinden und laut Aussage des Landratsamtes von einer zeitnahen Weiterverteilung im Bundesgebiet auszugehen ist. Im Ergebnis bestand bisher keine Verpflichtung für die Stadt Lahr in der Anschlussunterbringung. Diese Situation ändert sich im Jahr 2017. Verantwortlich ist zunächst der Abbau von Kapazitäten in der vorläufigen Unterbringung durch das Landratsamt in Reaktion auf die deutlich geringeren Zuzugszahlen von Flüchtlingen. Zum 01.01.2017 standen in Lahr noch 715 Plätze zur Verfügung. Daneben wirken sich nun die hohen Zuzugszahlen im Jahr 2015 aus. Diese Personen können nun spätestens im Jahr 2017 wegen Ablaufs der maximal 24 Monate in der vorläufigen Unterbringung in die Anschlussunterbringung wechseln. Wie bereits ausgeführt betrifft dies ca. 2/3 der zum Jahresende 2016 in der vorläufigen Unterbringung untergebrachten Personen. Der Stadtverwaltung gegenüber wurde diese Situation seitens des Landratsamtes erstmals Ende Oktober 2016 kommuniziert. Dabei ging das Landratsamt von einer Unterbringungsverpflichtung von ca. 120 Personen für die Stadt Lahr aus. Mit Schreiben vom 21.11.2016 hat das Landratsamt nun offiziell mitgeteilt, dass sich die Zahl der durch die Stadt in der Anschlussunterbringung unterzubringenden Personen auf voraussichtlich 43 belaufen wird. Diese Zahl ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Sie beruht allein auf der Berücksichtigung der Personen, bei denen 2017 die Höchstdauer der vorläufigen Unterbringung abläuft. Insofern sind Personen, bei denen vor Ablauf der 24 Monate das Asylverfahren beendet wird, ebenso wenig berücksichtigt wie Personen, die entsprechend der Zielsetzung der Landesregierung bereits mit abgeschlossenem Asylverfahren aus der Erstunterbringung kommen. Auch ist in dieser Zahl ein möglicher Familiennachzug nicht enthalten. Schließlich ist auch nicht klar, ob diese Personen selbstständig eine Wohnung finden oder von der Stadt Lahr untergebracht müssen. Wie sich die Situation im Jahr 2018 darstellen wird, ist noch deutlich schwieriger einzuschätzen. Hintergrund sind die Unsicherheiten in Bezug auf die weltpolitische Lage und die Auswirkungen auf die Migrationsbewegungen, die europäische und deutsche Flüchtlingspolitik (Einführung eines unionsweiten Verteilverfahrens, Grenzsicherung, Dublin-System, TürkeiDeal, Schließung der Balkanroute, Rechtsänderungen,…) und die Umsetzung der Zielsetzung der Landesregierung, die vorläufige Unterbringung abzuschaffen. Nach derzeitigem Stand geht die Verwaltung davon aus, dass 2018 eine Aufnahmeverpflichtung bestehen wird, diese derzeit aber nicht bezifferbar ist. Für die Jahr 2019 ff. lassen sich aus Sicht der Verwaltung angesichts der oben beschriebenen Unsicherheiten noch überhaupt keine seriösen Aussagen treffen. Drucksache 38/2017 Seite - 4 - III. Unterbringungskonzept für die Anschlussunterbringung in Lahr Der Gemeinderat hat am 30.01.2017 folgendes Konzept für die Anschlussunterbringung beschlossen: Es wird zunächst angestrebt, dass die Flüchtlinge selbstständig auf dem Lahrer Wohnungsmarkt eine Wohnung finden. Dies entspricht der Zielsetzung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes nachdem die Gemeinden (und die unteren Aufnahmebehörden) auf eine „zügige endgültige Unterbringung und Unabhängigkeit […] von öffentlichen Leistungen hin[wirken]“ (§ 18 Abs. 2 Satz 2 FlüAG). Hierfür will die Stadtverwaltung das bestehende ehrenamtliche Helfernetz, das seitens der Flüchtlingsbeauftragten der Stadt unterstützt wird, und die in der Flüchtlingsarbeit tätigen freien Träger aktivieren. Nach derzeitigem Stand bestehen durchaus Chancen, dass die Aufnahmeverpflichtung 2017 vollständig auf diese Weise erfüllt werden kann. Die Personen, die auf diesem Weg keinen Wohnraum finden, muss die Stadt Lahr gem. § 18 Abs. 2 Satz 1 FlüAG unterbringen. Dies soll in regulären Wohnungen erfolgen. Eine Gemeinschaftsunterkunft soll nur im Notfall geschaffen werden. Dadurch können Konzentrationen an bestimmten Standorten vermieden werden. Angestrebt wird eine dezentrale Unterbringung mit einer ausgewogenen Verteilung im Stadtgebiet und den Ortsteilen. Dies fördert die Einbindung in bestehende Nachbarschaftsverhältnisse wie auch Wohngebietsstrukturen und wirkt sich damit integrationsfördernd aus. Zudem beugt es sozialen Spannungen und Konflikten vor. Es haben bereits Gespräche mit den in Lahr tätigen Wohnbauunternehmen stattgefunden. Grundsätzlich besteht die Bereitschaft, der Stadt eine gewisse Anzahl an Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Von daher ist für das Jahr 2017 der Kauf von bestehendem, die Schaffung von neuem Wohnraum oder die Anmietung ganzer Häuser durch die Stadt nicht vorgesehen. Beabsichtigt ist, mit dem jeweiligen Vermieter seitens der Stadt einen auf zwei Jahre befristeten Mietvertrag abzuschließen, um den Vermieter eine entsprechende Sicherheit in Bezug auf seine finanziellen Ansprüche zu geben. Die Flüchtlinge werden dann auf öffentlichrechtlicher Grundlage in die Wohnungen eingewiesen. Nach Ablauf der zwei Jahre soll dann möglichst das Mietverhältnis direkt zwischen Vermieter und Flüchtling fortgesetzt werden. So wird die gesetzlich gewünschte und integrationspolitisch sinnvolle Überführung in reguläre Mietverhältnisse sichergestellt. Als Miete zahlt die Stadt Lahr maximal die nach den sozialhilferechtlichen Maßstäben angemessene Miete. Diese erhält die Stadt Lahr dann vom Flüchtling erstattet, der seinerseits, falls er sich im Sozialleistungsbezug befindet, entsprechende Leistungen vom Sozialhilfeträger erhält. Soweit dies sozialhilferechtlich möglich ist, soll die Zahlung vom Sozialleistungsträger direkt an die Stadt Lahr erfolgen, um finanzielle Risiken der Stadt zu minimieren. Die soziale Betreuung in der Anschlussunterbringung übernimmt entsprechend der gesetzlichen Aufgabenverteilung gem. § 18 Abs. 2 Satz 3 FlüAG primär das Landratsamt Ortenaukreis. Im Rahmen des Kreishaushalts 2017 wurden hierfür kreisweit zehn Sozialarbeiterstellen geschaffen. Darüber hinaus bestehen in Lahr bereits gute ehrenamtliche und hauptberufliche Strukturen im Bereich der Unterstützung und Integration. Genannt seien beispielhaft die Angebote der freien Träger oder des Freundeskreises Flüchtlinge. Die städtischen Flüchtlingsbeauftragten koordinieren und unterstützen dieses Netzwerk. Drucksache 38/2017 Seite - 5 - Die für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen im Rahmen des Haushalts 2017 geschaffene halbe Stelle wird neben der verwaltungsmäßigen Abwicklung der Anschlussunterbringung einschließlich des Beschaffens des Wohnraums zudem bei Konflikten bzgl. konkreter Unterbringungen zur Verfügung stehen. Für das Jahr 2018 strebt die Stadtverwaltung die Verwirklichung eines Projektes des sozialen Wohnungsbaus ggf. in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern an. In diesem Rahmen ist auch in geringem Umfang Wohnraum für Flüchtlinge vorgesehen. Der überwiegende Bedarf soll am Wohnungsmarkt gedeckt werden. Guido Schöneboom Tobias Biendl Lucia Vogt