Beschlussvorlage (Verwendung von Pestiziden auf der Gemarkung Lahr)
16. Juli 2018
Beschlussvorlage Amt: 602 Sottru Datum: 05.07.2018 Az.: 602 so Drucksache Nr.: 180/2018 Beratungsfolge Termin Beratung Kennung Abstimmung Umweltausschuss 16.07.2018 beschließend öffentlich Beteiligungsvermerke Amt Handzeichen 622 St. Umwelt BGL Eingangsvermerke Oberbürgermeister Erster Bürgermeister Bürgermeister Haupt- und Personalamt Abt. 10/101 Kämmerei Rechts- und Ordnungsamt Betreff: Verwendung von Pestiziden auf der Gemarkung Lahr Beschlussvorschlag: 1. Auf öffentlichen Freiflächen wird auf den Einsatz von Pestiziden grundsätzlich verzichtet. 2. Die Stadt Lahr wirkt auf die in ihrer Mehrheitsbeteiligung liegenden Unternehmen (Wohnbau) ein, mit dem Ziel auf den Einsatz von Pestiziden zu verzichten. 3. Durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit (Presse, Homepage der Stadt Lahr) werden die Gründe für einen Pestizidverzicht der Bevölkerung näher gebracht: 4. Ökologisch wirtschaftende Betriebe sind bei der Vergabe der Pachten für städtische Landwirtschaftsflächen zu bevorzugen. Ein entsprechender Kriterienkatalog hierzu wird noch erarbeitet. Auf ackerbaulichen Flächen wird ein grundsätzliches Verbot von Glyphosat vereinbart. 5. In den Pachtverträgen zu Kleingärten wird ein Verbot von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln aufgenommen. 6. In öffentlichen Bereichen mit einem geringen Nutzungsdruck sollen vermehrt standortgerechte insektenfreundliche Ansaaten zum Einsatz kommen. 7. Die Anlage und Pflege von standortgerechten Blühstreifen entlang öffentlicher Wege, Gewässer und Gehölzstreifen soll durch die Stadt gefördert durch Erlass der Pachtzahlungen bzw. Bereitstellung des Saatgutes. Anlage(n): Gemeinsamer Antrag Freie Wähler und Bündnis 90/Die Grünen BERATUNGSERGEBNIS Sitzungstag: Bearbeitungsvermerk Einstimmig lt. Beschlussvorschlag abweichender Beschluss (s. Anlage) mit Stimmenmehrheit Ja-Stimmen Nein-Stimmen Enthalt. Datum Handzeichen Drucksache 180/2018 Seite - 2 - Begründung: In der Gemeinderatssitzung wurde von den vorgenannten Fraktionen der in der Anlage beigefügte Antrag eingereicht. Das Ziel des Antrags ist es, die Verwendung von Pestiziden soweit als möglich zu reduzieren. Das europäische und das deutsche Pflanzenschutzrecht gewährleisten, dass nur Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht werden, die auf ihre Umweltauswirkungen geprüft wurden. Die Umweltprüfung erfolgt im Rahmen des Zulassungsverfahrens durch das Umweltbundesamt. Im Jahr 2016 waren 753 Mittel (ohne ruhende Zulassungen) mit 1.465 Handelsnamen (Mittel können als „Vertriebserweiterungen“ unter mehreren Handelsnamen vertrieben werden) zugelassen. Die Zahl eingesetzter Wirkstoffe in den zugelassenen Pflanzenschutzmitteln ist seit 2000 (276 Wirkstoffe) annähernd konstant geblieben. Im Jahr 2016 wurden insgesamt 270 Wirkstoffe eingesetzt. Mit der Einführung sogenannter Ausschlusskriterien für die Zulassung von Wirkstoffen in der europäischen Pflanzenschutzmittelverordnung wird die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit besonders bedenklichen Wirkstoffeigenschaften auf ein Minimum reduziert. Schwer abbaubare, bioakkumulierende (sich in Tieren und Pflanzen anreichernde) und umweltgiftige Wirkstoffe sollen grundsätzlich verboten werden (z.B. Neonikotinoide) Für viele Tier- und Pflanzenarten sind Pestizide ein Verhängnis. Denn nicht nur die unerwünschten Wildkräuter und Insekten werden beseitigt, sondern auch Honigbienen, Wildbienen, Schmetterlinge u. A. Nützlinge. Entweder töten und schädigen Pestizide Insekten oder Wildkräuter direkt oder sie dezimieren ihren Lebensraum und ihre Nahrung. Darüber hinaus kommt es in vielen Fällen zu einer Anreicherung von Schadstoffen in den Tieren und im Boden und damit in der Nahrungskette. Von den fast 600 Wildbienen-Arten in Deutschland steht rund die Hälfte auf der Roten Liste. Dabei sind blütenbesuchende Insekten unentbehrlich für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen. Sie erhalten die Pflanzenvielfalt und sichern landwirtschaftliche Erträge und damit unsere Ernährung. Laut Welternährungsorganisation sind weltweit rund zwei Drittel unserer Nahrungspflanzen auf Bestäuber angewiesen. In Städten und Gemeinden sichern Honigbienen, Wildbienen und Schmetterlinge den Kleingärtnern eine gute Obsternte und den Stadt-Imkern reichlich Honig. Welchen Beitrag kann die Kommune leisten? Landwirtschaftlichen Flächen der Stadt Lahr Die Stadt Lahr verfügt über Flächen von rd. 345 ha. In der Nutzungsart Acker sind es 178 ha, Wiese 55 ha, Grünland 7,5 ha, Reben 7,3 ha, Rollrasen 17,5 ha, Garten 1,8 ha; der Rest sind sonstige Nutzungen von Mobilfunkmasten über sonstige Plätze, Nassholzlager, Sportplatz, Wald und Sonstiges. Die dort zum Einsatz kommenden Mittel unterliegen sämtlich strenger gesetzlicher Regelungen im Hinblick auf deren Wirkungsweise und Ausbringung. Nicht zuletzt die Kosten für diese Mittel veranlassen die Landwirte heute zu einem sehr reduzierten Einsatz. Dennoch liegt es im Interesse des Umweltschutzes den Einsatz dieser Mittel immer mehr zu reduzieren. Dies ist möglich durch entsprechenden Anbau und Wirtschaftsweisen. Der Stadt als Verpächter ist es in fachlicher und personeller Hinsicht jedoch nicht möglich eventuelle Verbote wirksam zu kontrollieren. Allerdings gibt es schon heute verschiedene Öko-Labels, z.B. nach EU-Bioverordnung, Biokreis, Bioland, Biopark, Demeter, Gäa, Naturland oder ähnliches. Die hinter diesen Labels stehenden Institutionen haben jeweils eigene Richtlinien welche die oben genannten Zielsetzungen einer pestizidfreien Landwirtschaft beinhalten. Gleiches gilt für bestimmte EU-, Bundes- und Landesprogramme wie FAKT (Förderung für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl). Anders als bei der Kommune verfügen diese Institutionen auch über eigene Kontroll- und Sanktionsmechanismen. Möchte man ökologisch wirtschaftende Betriebe bei der Vergabe bevorzugen wäre zuvor ein entsprechender Kriterienkatalog auch unter Wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zu erarbeiten. Drucksache 180/2018 Seite - 3 - Blühstreifen Der Bundesrat hat sich darauf verständigt, die Aussaat von Blühpflanzen auf ökologischen Vorrangflächen zu erleichtern. Die damit verbundene Direktzahlung erhöht die Attraktivität der Anlage von Blühstreifen für die Landwirte. In Abstimmung mit der Abt. Öffentliches Grün und Umwelt konnte erreicht werden, dass der Straßenbaulastträger verschiedene Verkehrsinseln, insbesondere im Bereiche der LGS, mit einer Gesamtfläche von über 1 ha als blütenreiche Wiese mit nur ein bis zwei Schnitten angelegt wurde. In Ergänzung zu übergeordneten Förderungen können Blühstreifen an Wegen, Gewässern und Gehölzsäumen auch kommunal gefördert werden, z.B. durch Bereitstellung des entsprechenden Saatgutes oder durch eine Pachtminderung für diese Blühstreifen. öffentlichen Freiflächen In der Pflege der öffentlichen Freiflächen im städtischen Eigentum wird bereits seit Jahren auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet. Wildkrautaufwuchs in Vegetationsflächen wird ausschließlich manuell entfernt, in befestigten Flächen mit speziell dafür entwickelten mechanischen Anbaugeräten. Seit einiger Zeit verfügt der BGL auch über ein sogenanntes „Wave Gerät“ welches ohne jegliche Zusatzstoffe eine wirksame Wildkrautbekämpfung alleine durch Heißwasser verspricht. Darüber hinaus wird, soweit ästhetisch vertretbar, auf eine Wildkrautbeseitigung auch gänzlich verzichtet. Schon bei der Planung von Belägen und Vegetationsflächen ist das Thema "Wildkrautbewuchs" zu berücksichtigen. Wirksame manuelle Wildkrautbeseitigung bedarf zwingend einer termingerechten, an den Witterungsverlauf angepassten Arbeitsweise, die wiederum eine entsprechende Personalausstattung erfordert. Ist dies gewährleistet, kann sich der Pflegeaufwand langfristig deutlich reduzieren. (Derzeit ist das nicht so). Soweit Nutzungsintensitäten und ästhetische Ansprüche es zulassen sind Vegetationsflächen mit insektenfreundlichen Ansaaten vorzusehen und eine entsprechende Pflege vorzunehmen. Beispielhaft hierfür können die Kreisverkehre in Reichenbach und im Blockschluck benannt werden. Eine weitere Gelegenheit bietet sich unter anderem am neuen Kreisverkehr Dr. Georg-Schaeffler-Straße. Ausnahmen: Bei einer Umfrage der Gartenamtsleiter beim Deutschen Städtetag gab es in allen befragten Städten Ausnahmen vom Pestizidverzicht, die gemacht werden um z.B. Kulturgüter zu erhalten oder um ungewünschte Pflanzenarten zu bekämpfen. Rosengarten im Stadtpark Hier ist der Einsatz von Fungiziden unumgänglich. Auch beim Buchsbaum ist eine Pilzbehandlung (hier ist weniger der Buchsbaumzünsler, sondern der mit ihm eingeschleppte Welkepilz ein Problem) zum Erhalt unumgänglich. Im Stadtpark wurde, um den Pestizideinsatz an dieser Stelle zu minimieren, deshalb der größte Teil der 700 m Buchshecke ersatzlos entfernt. Chrysanthemen Diese Pflanzen stellen eine gärtnerische Hochleistungskultur dar, die ohne den Einsatz von Pestiziden unmöglich ist. Umwelt- und Naturschutz Auch im Umwelt- und Naturschutz ist der Einsatz von Pestiziden in besonders begründeten Fällen angezeigt. Invasive Arten wie z.B. Riesenbärenklau, Riesenknöterich werden mitunter durch Herbizide bekämpft. Drohende Gesundheitsgefährdungen z.B. durch den Eichenprozessionsspinner erfordern ebenfalls mitunter den Einsatz von Pestiziden. Der Einsatz dieser Mittel erfolgt auf Anordnung und in Abstimmung mit der Naturschutzbehörde. Drucksache 180/2018 Seite - 4 - Kleingartenanlagen Die Stadt Lahr verwaltet derzeit über 1.000 Pachtverträge für Kleingärten. Aus Untersuchungen heraus ist bekannt, dass gerade im Kleingartenbereich nicht nur häufig Pestizide zum Einsatz kommen, sondern vor allem dass dort Anwendungsmengen und -termine häufig nicht eingehalten werden. Die Stadt kann zwar entsprechenden Auflagen in den Neuverträgen aufnehmen, hat aber nicht das Personal um dies zu überwachen. Wesentlich wäre hier, aktive Informationsund Weiterbildungsangebote zu machen. Der Bezirksobst- und Gartenbauverein Lahr - Ettenheim hat im Kleingartenpark der LGS eine Anlage errichtet, die nun auch dauerhaft geführt werden. Die Stadt Lahr unterstützt dies mit der Auflage, dass dort regelmäßige öffentliche Informations- und Praxisangebote unter anderem zur Vermeidung von Pestiziden in Kleingarten erfolgen. Wald Durch den Verzicht auf Monokulturen und eine an den jeweiligen Standort angepasste Artenmischung konnte der Einsatz von Pestiziden im Wald in den vergangenen Jahren nahezu ausgeschlossen werden. In besonderen Fällen, z.B. nach größeren Kalamitätsereignissen wie Sturmwurf oder Borkenkäferbefall muss anfallendes Holz, das bis zur Aufarbeitung im Wald lagert, mit Insektiziden behandelt werden, um eine Gefährdung der Bestände zu vermeiden. Jungkulturen werden in reiner Handarbeit frei gehalten, Herbizide kommen hier nicht mehr zum Einsatz. Diese gute fachliche Praxis ist auch zertifizierungskonform nach PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification). Tilman Petters Richard Sottru Hinweis: Die Mitglieder des Gremiums werden gebeten, die Frage der Befangenheit selbst zu prüfen und dem Vorsitzenden das Ergebnis mitzuteilen. Ein befangenes Mitglied hat in der öffentlichen Sitzung den Verhandlungstisch, in der nichtöffentlichen Sitzung den Beratungsraum zu verlassen. Einzelheiten sind dem § 18 Abs. 1 – 5 Gemeindeordnung zu entnehmen.