Beschlussvorlage (Konzept EiA 2022)
18. Oktober 2021
Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) Antrag auf Gewährung einer Zuwendung für Berufsorientierungsmaßnahmen nach § 48 SGB III „Erfolgreich in Ausbildung“ Vertiefte Berufsorientierung an den Schulen Gemeinschaftsschule Friedrichschule Verbundschule Lahr Projektzeitraum 01.01.2022 bis 31.12.2022 Amt für Soziales, Schulen und Sport Abt. Bildung und Sport Rathausplatz 7 77933 Lahr/Schwarzwald 1 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) Ausgangslage und Handlungsbedarf Eine Maßnahme wie „Erfolgreich in Ausbildung“ - oder kurz „EiA“ - ist notwendig, weil die meisten Jugendlichen in der Übergangsphase von der Haupt-, Werkreal- und Realschule in eine Berufsausbildung oder in das weiterführende Schulsystem eine intensive Begleitung, fachliche Beratung und persönliche Hilfestellungen benötigen, die weder über die Berufsberater der BA noch durch die Lehrkräfte an den Schulen in der notwendigen und hier geplanten Intensität erbracht werden können. Die Jugendlichen stehen vor weitreichenden Entscheidungen, welche zu tiefgreifenden Veränderungen führen. Sie wissen das und fühlen sich aufgrund der Tragweite und Zukunftsweisung der anstehenden Entscheidungen oftmals überfordert. Bei einigen Schülerinnen und Schülern (SuS) insbesondere der Anschlussklassen führt dieser Entscheidungsdruck sogar zu Stagnation und Lähmung. Die mit diesem Prozess verbundene Unsicherheit sorgt für Konflikte und Ängste, da von den Jugendlichen oft nur die Risiken und Anforderungen wahrgenommen werden, nicht aber die Vielzahl von Chancen, Optionen und persönlichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Dazu befinden sich die Jugendlichen in der Phase der Pubertät und Verselbstständigung. Auch dieser Umstand ist nicht selten von Konflikten, sei es in der Familie, Schule oder später dann im Ausbildungsbetrieb, geprägt. In diesem Kontext sehen sich viele Eltern nicht dazu in der Lage, ihre Kinder im Prozess der „Berufsberatung“ adäquat zu unterstützten. Dies hat mehrere Gründe und ist nicht immer auf ein elterliches Desinteresse zurück zu führen. In einzelnen Klassen der Lahrer Schulen beträgt der Anteil von SuS mit Migrationshintergrund mehr als 75%. Viele Eltern mit Migrationshintergrund kennen sich im komplexen deutschen Bildungs- und Ausbildungssystem, das zudem einem ständigen Wandel unterliegt, nicht aus. Erschwerend kommt hinzu, dass sich gerade diese Eltern auch scheuen, selbst Rat, Unterstützung und Hilfe bei Dritten einzuholen. Nicht zuletzt werden den Kindern dieser Familien auch sehr stereotype Orientierungsvorschläge1 vermittelt, die weder den Anforderungen des Arbeitsmarktes noch in irgendeiner Weise den Fähigkeiten der Jugendlichen entsprechen. Wir gehen davon aus, dass viele Berufsentscheidungen von den Vorstellungen der Eltern über bestimmte Geschlechterrollen, anstelle von wahren Fähigkeiten und Möglichkeiten, geprägt sind, welche letztendlich eine gute Passung zwischen Beruf und Person erschweren. Eine Pilotstudie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut macht deutlich, „dass Stereotype auf verschiedenen Ebenen wirken, die die „wahren“ beruflichen Präfenzen junger Menschen überlagern und dominieren können, so dass es zu einer suboptimalen Berufswahl kommt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Bedrohung durch Stereotype (Stereotype Threat), wonach Personen ihr Verhalten in einer Situation oder bei einer Tätigkeit anpassen, für die es einen negativen Stereotyp der eigenen sozialen Gruppe gibt. Studien deuten darauf hin, dass durch eine Informationsmaßnahme Stereotypen aufgebrochen werden können.“2 Viele Eltern schränken - mehr oder minder unbewusst - die beruflichen und persönlichen Horizonte und Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Kinder a priori und meist zu deren Nachteil ein. Wenn wir die in den Bildungsplänen vorgegebenen Bildungsziele wie Selbstbestimmung, 1 Generalisierte Lebenskonzepte bzw. Stereotype finden sich in allen gesellschaftlichen Gruppen und nicht nur in Familien mit Zuwanderungskontext. 2 HWWI (Hrg.): Boll, Christina; Bublitz, Elisabeth; Hoffmann, Malte: Hoffmann: Geschlechtsspezifische Berufswahl: Literatur - und Datenüberblick zu Einflussfaktoren, Anhaltspunkten struktureller Benachteiligung und Abbruchkosten; Hamburg 2015. 2 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) kritische Urteilsbildung, Mitbestimmung, Solidarität sowie Wertschätzung von Vielfalt ernst nehmen, dann ist es im Rahmen von EiA ein Muss, die Kinder und Jugendlichen auf die geschlechtsspezifische Aspekte bei der Berufswahl, Familien- und Lebensplanung hinzuweisen. Entsprechend der vorgenannten Studie helfen allein Informationsmaßnahmen, welche dann auch als chancenreich wenn nicht einzig zielführend benannt werden. Doch Informationsvermittlung ist das eine! Viel wichtiger ist, dass die Informationen auch so vermittelt werden, dass sie von den Jugendlichen auf- und angenommen werden. Die Chancen hierfür steigen, wenn zu den Jugendlichen ein tragfähiges Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann, was durch die Projektstruktur von „EiA“ vollumfänglich gegeben sein sollte. Doch nicht nur für die Informationsvermittlung gilt: Das Management der Übergangspassage muss gelingen, da ansonsten die Gefahr groß ist, dass besonders benachteiligte Jugendliche in eine Abwärtsspirale geraten, die von regelmäßigen Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Abhängigkeit von Transferleistungen gekennzeichnet sein wird. Zunehmend können wir aber auch beobachten, dass viele Eltern davon ausgehen, ihre Kinder würden die anstehenden Entscheidungen über die Lebens- und Berufswegeplanung selbst am besten bewerkstelligt bekommen. Hierbei übersehen viele Eltern aber, wie komplex und mannigfaltig die Entscheidungsgrundlagen in Bezug auf die berufliche Orientierung geworden sind. Zu glauben, dass alle Kinder und Jugendliche diese Entscheidungen selbst finden können, führt diese zwangsläufig in ein System von Irritation, Orientierungslosigkeit und Überforderung. Ohne eine professionelle Unterstützung würden auch hier wieder bestimmte Gruppen von Kindern und Jugendlichen eine Benachteiligung erfahren. Natürlich setzten wir alles daran, die jungen Menschen zu befähigen, künftig eigenverantwortlich und aktiv ihre Lebens- und Berufswegeplanung selbst gestalten zu können, doch bis dieses Ziel erreicht ist, benötigen die meisten 14- bis 16-Jährigen noch Rat, Hilfe, Reflexionsmöglichkeiten und Unterstützung. Für uns gehören frühzeitige Maßnahmen zur beruflichen Orientierung und eine optimale Informationsvermittlung zu den wichtigsten Instrumenten, um die Teilhabegerechtigkeit und -chancen in einer Erwerbsgesellschaft herzustellen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen aus bildungs-, arbeitsmarkt- und/oder „kulturfremden“3 Familien. Wir tragen vollumfänglich das Motto der Partner des Nationalen Paktes für Ausbildung mit: „Berufswegeplanung ist Lebensplanung“. Auch wenn der Punkt „Lebensplanung“ dem Grund nach nicht zum Konzept des EiAProjektes gehört, so findet sich aber genau an diesem Punkt eine weitere Schnittstelle zwischen „EiA“ und den Lehrplänen der Schulen. So erscheint der Punkt „Lebensplanung“ im Berufswahlpass (Steuern, Kaufverträge, Kredite, Versicherungen etc.) aber auch im Fach Berufsorientierung/Kompetenztraining in den 10. Klassen der Werkrealschulen. Die Lehrkräfte suchen zu dem Thema regelmäßig nach gutem Material und tauschen sich auch hierzu mit dem EiA-Team aus. Jugendliche orientieren sich grundsätzlich stark an ihrer „peer group“. Die über diesen Weg eingeholten Informationen sind aber unvollständig und meist nur aus dem eigenen, d.h. beschränkten Erfahrungshorizont geprägt, nicht zuletzt wieder durch Stereotype. Das führt oft dazu, dass die über diesen Weg „ermittelten“ Fähigkeiten, Möglichkeiten und selbst 3 Natürlich gehen wir davon aus, dass auch Menschen, die unser Gemeinwesen nicht kennen, eine Kultur haben. Allerdings sehen wir auch, dass es in unserem Umfeld spezifische Techniken gibt, welche konkret helfen, sich optimal in einem auf Erwerbswirtschaft gründenden Gemeinwesen einzufinden. 3 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) Interessen von den Jugendlichen falsch eingeschätzt und gewichtet werden und dadurch berufsrelevante Entscheidungen auf mangelhaften Grundlagen getroffen werden. „Berufsintegrationslotsen“ müssen sich darüber bewusst sein, dass auch Berufe bestimmten Trends unterliegen. Berufe können deshalb je nach Zeitgeist als en vogue und chic oder ätzend und abschreckend bewertet werden. Derzeit beobachten wir beispielsweise, dass viele SuS vermehrt körperlich anstrengende und mit „Schmutz“ verbundene Tätigkeiten und Berufsausbildungen trotz guter Eignung und hervorragenden Chancen meiden, weil diese in den „peer-groups“ kaum Reputation genießen. Beispielsweise streben viele Jugendliche s.g. „white-collar-jobs“ an, obwohl ihnen die Talente dafür - und auf den Beruf bezogene Grundkompetenzen - vollkommen fehlen. Durch die Methode der „systematischen Desillusionierung“ wollen wir absehbare Fehlentwicklungen verhindern. Jugendliche verstehen nach eingehender Beratung sehr wohl, dass sich der vermeintliche Traumberuf nach ein bis zwei Ausbildungsjahren dann doch als „Horrorjob" herausstellen kann, wenn die berufliche Realität und die Anforderungen der Berufsschule am Ende dann doch vollkommen anders aussehen als von ihnen angenommen wurde. Die Erfahrung zeigt deutlich, dass Jugendliche die „systematischen Desillusionierung“ von unparteiischen Dritten eher annehmen, als von den eigenen Lehrern oder den Eltern. Die Kolleginnen und Kollegen von EiA werden als solche unparteiische Helfer wahrgenommen, was die Kritikfähigkeit erhöht und den Jugendlichen den „Umdenkprozess“ erleichtert. Kein Jugendlicher plant seinen Misserfolg und keiner möchte durch Fehlentscheidungen unnötig Zeit4 verlieren. Behutsam müssen viele Jugendliche deshalb darauf hingewiesen werden, dass der angestrebte Berufswunsch mit den vorliegenden Notenbildern, Talenten und erkannten Kompetenzen nicht in Einklang gebracht werden kann. Gegebenenfalls müssen die SuS auch auf mangelnde Motivation, Engagement und fehlende Schlüsselqualifikationen hingewiesen werden. Durch das Projekt EiA wollen wir SuS dabei unterstützen, ihre tatsächliche Fähigkeiten und Interessen richtig einzuschätzen, nicht nur durch die Ergebnisse des Profil-AC, Elemente des Berufswahltest (BWT), Berufswahlpass, Berufeuniversum etc. sondern durch geduldige und sachliche Beratung aber vor allem auch mithilfe unserer Kooperationsbetriebe bspw. durch Betriebsbesichtigungen, BerufsbotschafterInnen und natürlich mittels vielfältiger Praktikumsmöglichkeiten. Leider stellen wir zunehmend auch fest, dass Jugendliche einen weiteren Schulbesuch anstreben und zwar ohne, dass sich daraus für sie ein signifikanter Mehrwert oder eine Steigerung der Berufseinmündungschancen ergeben würde. Diesen SuS ist dieser Umstand oft selbst nicht bewusst, ebenso wenig ist ihnen klar, wie gut ihre Berufseinmündungschancen derzeit sind. Der Bewerbermarkt ist vorhanden und von Lehrstellenmangel kann zumindest in der Ortenau im Moment keine Rede mehr sein. Auch hier müssen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einem Stereotyp bzw. Mythos begegnen, der den Jugendlichen noch vor kurzem vermittelte, den Schulbesuch möglichst lange hinauszuschieben und weiter zu „genießen“. Über die Forschungsprojekte der Uni Duisburg-Essen “Berufswahl und Transfer“ aber auch „Berufsorientierung Jugendlicher“ kann belegt werden: „Im Rahmen einer weiteren Studie zum Entscheidungsverhalten von Jugendlichen beim Übergang von der Schule in den Beruf hat sich gezeigt, dass viele Schüler im Verlauf des 10. Schuljahrs aufgrund der antizipierten Erfahrung von 4 Vgl. Nachhaltigkeit 4 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) Chancenlosigkeit auf dem Ausbildungsmarkt den Wunsch, eine Berufsausbildung zu beginnen, zurückstellen und sich zunehmend an den Gelegenheitsstrukturen des Ausbildungsmarktes orientieren und häufig auf eine weiterführende Schule ausweichen.“5 Diese Entscheidungen wurden in den letzten zwei Dekaden gefördert und wurden zum Credo ganzer Schüler- und Elterngenerationen. Sie waren aber einem vollkommen anderen Ausbildungsmarkt geschuldet, was den SuS im Beratungsgespräch klar vermittelt werden muss. Hilfreich wird hier sein, der Verweis auf Unabhängigkeit, Selbständigkeit und andere Mehrwerte, die Pubertierenden in dieser Entwicklungsphase zunehmend wichtig sind. Weiterhin ist die Schullandschaft im Umbruch. Lehrer der Hauptschule und Werkrealschule bemängeln die Theoretisierung ehemals praxis-betonter Fächer. Wo vor zwei Jahren noch ein erstelltes Werkstück nebst dazu gehöriger Dokumentation benotet wurde, steht heute ein schriftlicher Test. Auch hat der Wegfall der Notenhürden für weiterführenden Schulbesuch6 in den letzten Jahren zu erheblichen Beratungsbedarfen geführt. Das „Sitzenbleiben“ und „Abschulen“ häuft sich dadurch zunehmend. Auch entfaltet das EiA-Team Wirkung, weil es frustrierte Kinder auffängt und ihnen gute Wege in „Reich der Berufe“ aufzeigt. Auch wurden in Lahr Internationale Vorbereitungsklassen für Zuwanderer eingerichtet, deren SuS oft erst in den Vorabschluss- oder Abschlussklassen die Regelklassen besuchen dürfen. Gerade die „frisch“ zugewanderte Klientel hat kaum Kenntnisse über unseren Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Deshalb bleibt das Aufzeigen konkreter beruflicher Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten für SuS der Abgangsklassen von zunehmender Wichtigkeit. Auch machen die neue Bildungsplanung aber auch die Entwicklungen hin zu Ganztags- und Gemeinschaftsschulen die Neuentwicklung und Umsetzung eines angepassten und sinnvollen Berufsorientierungskonzepts erforderlich. Es wird beklagt, dass die politischen Vorgaben des Kultusministeriums kaum mit den entsprechenden Deputaten ausgestattet wurden, so dass die Angebote an den Schulen weiterhin sehr allgemein gehalten bleiben müssen. Die Lehrerinnen und Lehrer sind sehr dankbar, dass das EiA-Team die individuelle BO der SuS vollständig übernimmt. Von dieser individuellen BO profitieren zuallererst benachteiligte Schülergruppen. Das Übergangsmanagement in den Beruf ist für die Gruppe mithin die größte Herausforderung, weil sie keinen adäquaten Zugang zu integrations- und entscheidungsrelevanten Informationen haben. EiA unterstützt die Jugendlichen dabei die richtigen“ Informationen zu finden, herauszufiltern und geeignete Maßnahmen hierzu umzusetzen. Auch die Ergebnisse der Berufsberatung der Agentur für Arbeit umzusetzen, fällt vielen Schülern und Schülerinnen schwer, da sie von zuhause aus, weder das hierzu nötige Feedback noch eine kompetente Unterstützung bekommen. Ebenso wenig können wir davon ausgehen, dass den Jugendlichen in allen Haushalten die für ein Bewerbungsverfahren nötige technische Ausstattung und das entsprechende Anwender-Know How zur Verfügung stehen. Auch in diesem Kontext hätten die Kinder aus benachteiligten Familien ohne unsere Unterstützung und ein konkretes Hilfeangebote wieder ein deutliches Nachsehen. 5 Vgl. Birkelbach, Klaus: Schule als Notlösung. Die Entwicklung der Entscheidung zwischen einer Berufsausbildung und einem weiteren Schulbesuch im Verlauf des letzten Schuljahres der Sekundarstufe I bei Haupt-, Real- und Gesamtschülern: In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 103, H. 2, S. 248-263, 2007. 6 Kinder, die 2012 vom Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung profitierten, erreichen nun peu a peu die Abschlussklassen. 5 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) Die Herausforderungen für diese Kinder und Jugendlichen sind mannigfaltig: Besonders schwierig ist dabei die online-Bewerbung, die mittlerweile von allen großen Arbeitgebern in der Region gefordert wird. Auch sind die Auswahlprozesse der Firmen in den letzten Jahren immer anspruchsvoller geworden. Benachteiligten Bewerbergruppen fällt es bspw. in den vermehrt stattfindenden Assessment Centern zunehmend schwer, sich gegen ihre Mitbewerber durchzusetzen, die solche Situationen beispielsweise in ihren Familien durchsprechen, üben und sich über diese Struktur vorbereiten können. Auch um Fristen verlässlich wahrzunehmen oder um Schülern zu ermöglichen, eigene aber auch schulische Vorschläge und die Vorschläge der BA umzusetzen, werden verlässliche Ansprechpartner vor Ort gebraucht. Diese sollen die Schüler auch auffangen, Misserfolge besprechen, Krisen überwinden helfen, Verbesserungspotentiale aufzeigen und die Jugendlichen permanent zum Weitermachen und Durchhalten motivieren. Auch hier ist die Rolle eines „Unparteiischen“ wichtig, weil die Bewertung dieser Kontexte sich nicht an den Bewertungsschemata der Schule orientiert, sondern auf Dialog, Verständnis und Augenhöhe ausgerichtet ist. Häufig äußern Vertreter der Wirtschaft, dass es den Bewerbern und Bewerberinnen an Ausbildungsreife sowie genügender Eingangsqualifikationen für die heutigen Anforderungen vieler Lehrstellen fehle. Viele Schüler und ganz besonders Kinder aus benachteiligten bildungs- und arbeitsmarktfernen Familien wissen nicht, was in den Betrieben und den unterschiedlichen Berufsfeldern auf sie zukommt und mit welchen Erwartungen sie in den Betrieben konfrontiert werden. Diese Unkenntnis erschwert den Jugendlichen den direkten Übergang von der Schule in einen Beruf. Um die Kenntnisse der Jugendlichen hier zu vertiefen, bspw. durch die Organisation von Praktika, welche die Arbeitswelt erlebbar und fassbar machen, benötigt es Koordinatoren. Diese organisieren gemeinsame Projekte und fördern den regen Austausch zwischen Schulen, Schülern und Firmen. Aber auch Kompetenzen, wie die allenthalben geforderte Kritik- und Reflexionsfähigkeit, werden im EiA trainiert. Im Rahmen von EiA setzen wir „Initiativkräfte“ frei, welche die Jugendlichen dazu befähigen, durch Eigeninitiative zu Mitgestaltern der eigenen Lebenswelten und des Gemeinwesens zu werden Inhalt und Methoden Erfolgreich in Ausbildung - kurz EiA - ergänzt und vertieft die Berufsorientierung allgemein bildender Schulen in Lahr und die Angebote der Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Die zusätzliche Unterstützung des Berufswahlprozesses der Jugendlichen soll den direkten Übergang aus den Schulen in Ausbildung erhöhen, durch: 1. Individuelle Begleitung und Beziehungsaufbau Eine individuelle Begleitung und der persönliche Beziehungsaufbau bis hinein in die Familien der SuS gehört zu den Hauptaufgaben des EiA-Teams. Wir unterstützen die Jugendlichen bei der Erstellung von guten Bewerbungsunterlagen und führen im Rahmen der Praktikumsvorbereitung und -reflexion viele Einzelgespräche. Alle Informationen werden gesammelt und fließen dann in die Ausarbeitung und Umsetzung einer passenden Berufswegeplanung ein. Eine zentrale Gelingensbedingung für die erfolgreiche Berufswegeplanung und das Erarbeiten einer passenden Integrationsstrategie ist die enge Zusammenarbeit mit der Berufsberatung der Bundesagentur und die Einbindung der Lehrerinnen und 6 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) Lehrer. Das EiA-Team nimmt Praktikumsbesuche wahr und nimmt dort die Rückmeldungen der Betriebe auf. Der Beziehungsaufbau wird bspw. über erlebnispädagogische Angebote unterstützt. Wichtig ist aber auch, die Jugendlichen über berufsbezogenen Risiken zu informieren. Wir vermitteln den Jugendlichen, dass die Berufsentscheidung heute mit der Arbeitswirklichkeit in der Zukunft in einer engen Wechselbeziehung steht. D.h. die Schulabgänger auch über die Zukunftschancen und das damit verbundene Arbeitsplatzverlustrisiko von bestimmten Berufen aufzuklären, genauso über Übergangswege und Fortbildungen bspw. Meister- und Technikerschulen oder auch ein Studium. 2. Vertiefte Eignungsfeststellung Die vertiefte Eignungsfeststellung findet über die Auswertung der gesammelten Informationen statt. Zu unseren zentralen Anliegen gehört, Jugendliche sensibel für die eigenen Stärken zu machen und sie individuell bei der Übernahme von Eigenverantwortung in dem Abstimmungsprozess zwischen Interessen, Wünschen, Fähigkeiten und den Anforderungen und Bedarfen der Arbeits- und Berufswelt zu unterstützen. Ein geeignetes Mittel sind, wie schon angesprochen wurde, Kompetenzfeststellungen und Potenzialanalysen (Job-Erkundungs-Tage, Volksbank-Berufenavigator, Profil-AC, Berufeuniversum, etc.), deren Ergebnisse mit den Praktikumsbewertungen aber auch den Schulnoten der Jugendlichen aber auch den Feedbackgesprächen mit Fachlehrern und Klassenlehrern abgestimmt werden. Sämtliche Ergebnisse und Vorschläge werden im Portfolio festgehalten und mit den Jugendlichen und ggf. auch den Eltern ausgewertet und diskutiert. 3. Verbesserung des Entscheidungsprozesses Die Kenntnisse über die eigenen Fähigkeiten und Interessen sind für die individuelle Berufswahl von Jugendlichen von entscheidender Bedeutung, denn nur dadurch haben die Jugendlichen die Möglichkeit eine passende und chancenreiche Ausbildung anzustreben. Zum anderen kann dadurch auch verhindert werden, dass die jungen Menschen ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen, weil zuvor eine falsche Berufswahl getroffen wurde. Wir erleben, dass Jugendliche die Auswertung und die Ergebnisse der Testungen und besonders kritische Rückmeldungen oft erst dann annehmen, wenn ihnen „unparteiische“ Ratgeber die Konsequenzen falscher Entscheidungen aufzeigen. Information und Motivation der Jugendlichen, Reflexion der Punkte 2 und 4 und bisheriger Erfahrungen im Bewerbungsprozess 4. Vertiefung berufs- und betriebskundlicher Kenntnisse und Erfahrungen Das EiA-Team organisiert gemeinsam mit den Schulen und den Berufsberatern der BA s.g. Bildungspartnerschaften, also tragfähige und mit Verträgen untermauerte Kooperationen und Schnittstellen zwischen den Schulen und Ausbildungsbetrieben der Wirtschaft aber auch sozialen Dienstleistern bzw. öffentlichen Betrieben wie dem Ortenau Klinikum. 7 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) In manchen Schulen organisiert das EiA-Team für interessierte SuS monatlich mindestens eine Betriebsbesichtigung. Diese werden im Nachgang zusammen mit den SuS ausgewertet und reflektiert. Zudem werden Schul- und auch Ferienpraktika organisiert, welche den Jugendlichen ganz praktisch eigene Kompetenzen und Interessen aufzeigen sollen. Auch das „Instrument“ der Ausbildungsbotschafter hat sich sehr gut bewährt. Hier werden Azubis - vorzugsweise ehemalige Schüler - in die Schulen eingeladen, um den Jugendlichen in den Abschlussklassen von den Anforderungen und Inhalten ihrer Ausbildung zu erzählen. Da Jugendliche - in der Übergangsphase zum Erwachsensein - „Ratschlägen“ von Institutionen (und deren Vertreterinnen), die prototypisch für die Erwachsenenwelt stehen, auch mit Misstrauen begegnen, zeigt der unmittelbare Austausch mit (fast) Gleichaltrigen vertrauensschaffende und damit positive Wirkung. Die Ausbildungsbotschafter und botschafterinnen werden, mehr noch als die Mitarbeitenden im EiA-Team, als unparteiische Ratgeber wahrgenommen und geschätzt. Im Rahmen der Bildungslandschaft, AG Übergang Schule/Beruf, wurde bereits über ein Konzept „Superpraktikum“ diskutiert, das nach dem Best-Practice-Wirtschaftsforum im Mai, auch mit Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Lahrer mittelständischer Industrieunternehmen (ALMI), Vertretern der Stadt und ihrem Wirtschaftsförderer, Vertretern der Schulen und auch unserem EiA-Team erste fruchtbare Ideen zeigte. Die ALMI möchte SuS ermöglichen, ab der 8. Klasse von der Werkrealschule bis zum Gymnasium eine Woche in den Ferien, also freiwillig, jeden Tag ein neues Unternehmen besuchen zu dürfen. Die Jugendlichen können so eine Vielzahl von Ausbildungsberufen und Möglichkeiten kennenlernen. Klar ist, dass das Konzept trotz der Freiwilligkeit von der Schule getragen und in den Schulalltag eingebaut werden muss, wozu die betroffenen Schulleitungen schon sehr positive Rückmeldungen gaben. Auch dieser Projektbaustein wird an den betreffenden Schulen über das EiATeam koordiniert Weitere Angebote sind der gemeinsame Besuch von Messen, Girls und Boys days, Elterntage und Projekte in Betrieben aber auch das BIZ-Mobil. 5. Erweiterung der Schlüsselqualifikationen Die Jugendlichen in den Abschlussklassen werden mit vielfältigen Forderungen konfrontiert, deren Lösungen nicht selbsterklärend sind und einem auch nicht so einfach in den Schoß fallen oder gar etwas mit Intelligenz zu tun haben. Es geht darum, sich adäquat verkaufen zu lernen. Dies kann und muss geübt werden. Das EiA-Team übt mit den Schülerinnen und Schülern nicht nur wie man sich in einem Vorstellungsgespräche geben soll, sondern auch die Hintergründe dieses speziellen Kontextes. Es geht auch hier - aber auch beim praktischen Üben des Instrument des Assessment Centers - darum, die Jugendlichen darauf hinzuweisen, dass Arbeitgeber mit diesen Methoden auszuloten versuchen, inwiefern die Bewerberinnen und Bewerber in ein Team, in ein Unternehmen, ein Berufsfeld bzw. eine Branche passen. Deshalb raten wir den Jugendlichen auch, die Fragen eines Persönlichkeitstests offen und ehrlich zu beantworten, was voraussetzt, dass die Jugendlichen sich im Vorfeld überlegen müssen, was die wesentlichen Punkte ihrer Persönlichkeit ausmacht. Elemente aus dem Bochumer Inventar zur Berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP), Satzergänzungstests, verschiedene Multiple Choise-Tests welche den Jugendlichen helfen sollen, die eigene Motivation für eine 8 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) Berufswahl aber auch die Selbsteinschätzung zu den Stärken, Schwächen und der Leistungsfähigkeit zu erkennen, fließen deshalb in unser Arbeit ein. Außer dem Praktikum in den Ausbildungsbetrieben selbst können über den Erfahrungshorizont der Schülerfirmen, Schlüsselkompetenzen aber auch konkretes beruflichen Handeln und Arbeitsprozesswissen eingeübt und erworben werden. Wichtig bleibt bei all diesen Methoden, dass jeder Jugendliche über das EiA-Team ein gutes persönliches Feedback erhält. Über diesen Weg wird den Jugendlichen klar, was ein Betrieb von ihnen erwartet. Im Folgenden sollen sich aber auch die Jugendlichen über die Betriebe informieren, bei denen sie sich bewerben. Was ist das für ein Unternehmen bei dem ich mich vorstelle? Erfahre ich etwas über deren Unternehmenspolitik oder den Führungsstil? 6. Individualisierte und aufsuchende Elternarbeit7 Leider müssen wir immer noch feststellen, dass die Versuche über Elternabende, Runde Tische oder Elterncafés mit den Familien in Kontakt zu kommen, nicht richtig fruchten wollen. Wir sehen in der Elternarbeit aber gute Chancen, deren Kinder besser und zielgerichteter unterstützen zu können. Deshalb werden wir auch im EiAJahr 2022 weiter nach Wegen suchen, diese zu erreichen. Im Rahmen aufsuchender Arbeit, werden wir weiterhin genau jenen Eltern „nachgehen“, die über die herkömmlichen Zugangswege nicht mehr erreicht werden bzw. erreicht werden wollen. Mit dieser bedingungslosen, niedrigschwellige und lebensweltorientierten Unterstützungs-, Vermittlungs- und Integrationsmaßnahme erhoffen wir genau jene Eltern zu erreichen, die von sich aus niemals den Weg in die Schule finden würden. Die persönliche Kontaktanbahnung geschieht, nachdem sich unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei den Kindern und Jugendlichen beispielsweise über die Sprachkompetenzen der Eltern und andere Rahmenfaktoren informiert haben. Der Erstkontakt soll über das Telefon organisiert werden, so dass idealerweise dann ein persönliches Gespräch verabredet werden kann. Falls sich im Vorfeld herausstellen sollte, dass die Eltern die Gespräche aufgrund fehlender Sprachkompetenzen scheuen, organisieren wir über den Dolmetscherpool der Stadt Lahr eine Sprachvermittlung. Durch persönliche Kontakte im vertrauten Umfeld der Familie kann ein Vertrauensverhältnis zwischen unseren Mitarbeitenden und den Eltern aufgebaut werden, welches anschließend auch genutzt werden kann, um ihnen weitergehende Hilfen und Unterstützung nahezubringen. Wir wollen so Schwellenängste abbauen und den Eltern in einem zweiten Schritt dadurch ermöglichen, selbständig den Kontakt zu den EiA-Ansprechpartnern aber auch den Schulen zu finden. Durch dieses Angebot hoffen wir nicht nur die Eigenkräfte der betroffenen Familien zu fördern, sondern ggf. die Handlungskompetenz und die soziale Situation der gesamten Familie zu verbessern8. 7 Institut für soziale Arbeit e.V. (Hrsg.): „Neue Formen aufsuchender Elternarbeit“, ISA Jahrbuch zur Sozialen Arbeit 2008. 8 Stange, Waldemar; Krüger, Rolf; Henschel, Angelika; Schmitt, Christof (Hrg.): „Planung und Strukturierung von Elternarbeit, Gesamtkonzepte und Netzwerkarbeit“ in: Erziehungs- und Bildungspartnerschaften: Praxisbuch zur Elternarbeit, S. 470 ff., Wiesbaden 2013. 9 Konzept Erfolgreich in Ausbildung (EiA) 7. Nachhaltigkeit Ein Ausbildungsabbruch kann das Ergebnis einer suboptimalen Berufswahl und somit auch Ergebnis suboptimaler Beratung sein. Für ein besseres Verständnis von Abbruchentscheidungen ist es daher wichtig, Theorien der Berufswahlentscheidung aber auch unsere Arbeit genauer zu betrachten. Nur so können mögliche Quellen von Fehlentscheidungen, unserer Fehlentscheidungen und -entwicklungen identifiziert werden. Wir gehen davon aus, dass entscheidenden Einfluss auf eine Abbruchentscheidung insbesondere die potentielle Diskrepanz zwischen der erwarteten Ausgestaltung und der realen Beschaffenheit des Berufes hat. Wir schreiben uns die passgenaue Vermittlung „unserer“ Jugendlichen auf die Fahnen. Ein zentrales Indiz für die Passgenauigkeit ist, dass die Vermittlung nicht zu Abbrüchen führt oder positiver formuliert, dass aus den Auszubildenden am Ende auch Fachkräfte werden. Diese Feststellung ist derzeit lediglich gefühlsbasiert und kann von uns im Moment nicht genau verifiziert werden, weil wir uns der Merkmale sprich einer verlässliche Datenlage - nicht gewiss sind. Deshalb haben wir im Rahmen unseres Fehlermanagements beschlossen, künftig mindestens einmal jährlich bei den Betrieben den Entwicklungsstand und die Zufriedenheit der Betriebe, in Bezug auf die über das EiA-Projekt vermittelten Auszubildenden, systematisch zu erfassen. Mit diesen Erhebungen verfolgen wir zweierlei Ziele: Zum einen erhalten wir genaue Kenntnis über mögliche Abbruch- bzw. Erfolgsquoten „unserer“ Azubis. Über qualitative Interviews erhoffen wir uns eine zentrale Daten- und Argumentationsbasis, welche uns das künftige „Vermittlungs- und Beratungsgeschäft“ erleichtern soll, indem Fehlentwicklungen aber auch best practice erkannt werden können. Außerdem können im Rahmen der Interviews aktuelle Vakanzen und Ausbildungsbedarfe ermittelt werden, so dass durch diese Methode immer auch die Jugendlichen, die sich zum Zeitpunkt der Befragung um eine Ausbildung bemühen, einen Mehrwert davon tragen können. 8. Teilnehmerzahl: Für das Schuljahr 2022 gehen wir von einer Gesamtteilnehmendenzahl von zirka 500 Personen aus. Die genaue Anzahl wird erfahrungsgemäß immer etwas variieren. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in • der individuellen Begleitung u. Unterstützung des Berufsorientierungsprozesses der SuS. • Erarbeitung einer passenden Bewerbungsstrategie • der Erarbeitung von alternativen Wegen zum Berufsziel • der Unterstützung beim Übergang in Ausbildung und weiterführende Schulen • der engen Kooperation aller am Orientierungsprozess Beteiligten • intensiven Kontakten zu Unternehmen • Mitarbeit am Konzept der Bildungslandschaft Lahr 10