Beschlussvorlage (Satzung der Stadt Lahr/Schwarzwald über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer (Zweitwohnungssteuersatzung))
21. November 2022
Beschlussvorlage Federführende Stelle: 202 Sachbearbeitung: Singler Drucksache Nr.: 180/2022 Az.: 968.3 An der Vorlagenerstellung beteiligte Stellen Beratungsfolge Termin Beratung Kennung Abstimmung Verwaltungs- und Vorlagenkonfe- 28.09.2022 renz vorberatend nichtöffentlich Freigabe Haupt- und Personalausschuss vorberatend nichtöffentlich 14 Ja-Stimmen 10.10.2022 1 Nein-Stimme 0 Enthaltungen Ortschaftsrat Kuhbach 11.10.2022 vorberatend öffentlich Einstimmig Ortschaftsrat Mietersheim 13.10.2022 vorberatend öffentlich Einstimmig Ortschaftsrat Langenwinkel 18.10.2022 vorberatend öffentlich Einstimmig Ortschaftsrat Kippenheimweiler 19.10.2022 vorberatend öffentlich Einstimmig Ortschaftsrat Hugsweier 20.10.2022 vorberatend öffentlich Einstimmig Ortschaftsrat Sulz 27.10.2022 vorberatend öffentlich Einstimmig Ortschaftsrat Reichenbach 02.11.2022 vorberatend öffentlich Einstimmig Gemeinderat 21.11.2022 beschließend öffentlich Betreff: Satzung der Stadt Lahr/Schwarzwald über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer (Zweitwohnungssteuersatzung) Beschlussvorschlag: Der Gemeinderat beschließt die als Anlage beigefügte Satzung der Stadt Lahr/Schwarzwald über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer (Zweitwohnungssteuersatzung) Zusammenfassende Begründung: Inhaber von Zweitwohnungen haben keine, bzw. allenfalls nur geringe Teilhabe an der Finanzierung kommunaler Infrastruktur. Mit den Einnahmen aus der Zweitwohnungssteuer kann hier ein Finanzierungsbeitrag erfolgen. Drucksache 180/2022 Seite 2 Sachdarstellung Aktuelle Situation und Handlungsnotwendigkeit: Bislang werden Inhaber von Zweitwohnungen nicht der Besteuerung unterworfen. Zielsetzung: a.) Beteiligung der Gruppe der Zweitwohnungsinhaber an der Infrastrukturfinanzierung. b.) Erhöhung der Anzahl an Erstwohnsitzinhabern. c.) Erhöhung des Angebots an Wohnraum Maßnahmen: Einführung Zweitwohnungssteuer Alternativ geprüfte Maßnahmen: Keine alternative Maßnahme geeignet um Ziel zu erreichen. Erwartete finanzielle und personelle Auswirkungen: ☐ Die Maßnahme hat keine finanziellen oder personellen (i.S.v. Personalmehrbedarf) Auswirkungen ☒ Die finanziellen/personellen Auswirkungen können aufgrund ihrer Komplexität nicht sinnvoll in der Übersichtstabelle dargestellt werden und sind daher in der Sachdarstellung oder als Anlage beigefügt ☐ Die einmaligen (Investitions-)Kosten betragen weniger als 50.000 EUR und die dauerhaft entstehenden Folgekosten inklusive der Personalmehrkosten betragen jährlich weniger als 20.000 EUR ☐ Die einmaligen (Investitions-)Kosten betragen mehr als 50.000 Euro und/oder die dauerhaft entstehenden Folgekosten inklusive der Personalmehrkosten betragen jährlich mehr als 20.000 Euro Finanzierung: Ist die Maßnahme im Haushaltsplan berücksichtigt? ☐Ja, mit den angegebenen Kosten ☐Ja, mit abweichenden Kosten ☐Nein Ist die Maßnahme in der mittelfristigen Planung berücksichtigt? ☐Ja, mit den angegebenen Kosten ☐Ja, mit abweichenden Kosten ☐Nein Drucksache 180/2022 Seite 3 Begründung: I. Sachverhalt Die Stadt Lahr stellt ihren Bürger:innen im Rahmen der Aufgabenerfüllung eine leistungsfähige Infrastruktur zur Verfügung. Diese wird hergestellt und unterhalten aus allgemeinen Haushaltsmitteln. Die Gemeinde hat bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die erforderlichen Erträge und Einzahlungen aus Entgelten für ihre Leistungen und im Übrigen aus Steuern zu beschaffen. Die Einnahmen aus Steuern stammen dabei aus der Grund-, Gewerbe-, Vergnügungs- und Hundesteuer aber auch zu großen Teilen aus Anteilen an der Einkommensteuer der in Lahr mit Erstwohnsitz gemeldeten Bürger:innen sowie aus Schlüsselzuweisungen des Landes. Die Höhe der Schlüsselzuweisungen nach § 5 des Finanzausgleichsgesetzes ist u.a. von der Zahl der am 30.06. des Vorjahres mit Erstwohnsitz in Lahr gemeldeten Personen abhängig. Die mit Zweitwohnsitz oder Nebenwohnung in Lahr Gemeldeten nehmen zwar die Vorteile der aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanzierten Infrastruktur in Anspruch, partizipieren aber nicht in vollem Umfang an deren Finanzierung. Daher ist es sachgerecht, die Inhaber einer Zweitwohnung adäquat an den der Stadt entstehenden Ausgaben und Aufwendungen der Infrastruktur zu beteiligen. Im Jahr 2021 waren im Gebiet der Stadt Lahr 1.438 Zweitwohnsitze gemeldet. II. Zweitwohnungssteuer Die Zweitwohnungssteuer ist eine örtliche Aufwandssteuer nach Art. 105 Abs. 2 a Grundgesetz (GG). Merkmal einer Aufwandsteuer ist die Besteuerung einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die darin zum Ausdruck kommt, dass eine über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehende Verwendung von Einkommen und Vermögen erfolgt. Sowohl die Hundesteuer, die Vergnügungs- als auch die Wettbürosteuer fallen ebenfalls in die Kategorie der Aufwandssteuern. Bei der Zweitwohnungssteuer unterliegt das Innehaben einer Zweitwohnung der Besteuerung. Rechtsgrundlage ist § 9 Abs. 4 Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg in Verbindung mit der zu beschließenden Zweiwohnungssteuersatzung. Mit der Zweitwohnungssteuer werden neben dem rein fiskalischen Zweck auch Lenkungszwecke verfolgt. Primär sollen Erträge zur Aufgabenfinanzierung erzielt werden. Sekundär wird die Einführung aus Erfahrungen anderer Kommunen, die eine solche Steuer bereits eingeführt haben, dazu führen, dass es zu Verschiebungen weg von Zweitwohnsitzen hin zu Erstwohnsitzen kommt. Die Stadt Lahr erhält je zusätzlichem Erstwohnsitz rund 1.000 € aus Einkommenssteueranteilen und Landeszuweisungen. Daneben kann die Einführung einer Zweitwohnungssteuer dazu dienen, dass Zweitwohnungen endgültig aufgegeben werden und dann am Markt zur Verfügung stehen. Damit könnte die Zweitwohnungssteuer ein weiterer Baustein sein, die Wohnungsnot in Lahr zu beheben. III. Satzungsinhalt a) Was wird besteuert? Das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet wird besteuert. Drucksache 180/2022 Seite 4 b) Was ist eine Zweitwohnung? Jede Wohnung, die jemand neben einer außerhalb oder innerhalb des Stadtgebiets gelegenen Hauptwohnung zu Zwecken der Erholung, Berufsausübung, der Ausbildung oder des sonstigen Lebensbedarfs innehat. Innehaben setzt voraus, dass der Zweitwohnungsinhaber im Erhebungszeitraum die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Wohnung hat und ihm ein Verfügungsrecht zusteht. Dabei ist das Vorhalten der Wohnung auch für die persönliche Lebensführung erforderlich. Das Bundesmeldegesetz definiert eine Hauptwohnung als vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Jede weitere Wohnung des Einwohners stellt eine Nebenwohnung dar. Zweitwohnung im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung ist jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Hat eine Person eine Wohnung inne, mit der sie melderechtlich nicht erfasst ist, dient die Wohnung als Zweitwohnung im Sinne dieser Satzung, wenn die Person eine andere Wohnung als Hauptwohnung im Sinne des Bundesmeldegesetzes innehat. Die vorübergehende Nutzung der Zweitwohnung zu anderen Zwecken, insbesondere zur Überlassung an Dritte, steht der Zweitwohnungseigenschaft nicht entgegen. c) Wer ist steuerpflichtig? Steuerpflichtig ist jede volljährige Person, die im Stadtgebiet eine Zweitwohnung innehat. Hierunter fallen Eigentümer, Mieter/Pächter oder sonstige nutzungsberechtigte Personen. d) Welche Wohnungen sind steuerbefreit? 1. Wohnungen, die von öffentlichen oder gemeinnützigen Trägern zu therapeutischen Zwecken oder für Zwecke der Erziehung zur Verfügung gestellt werden, 2. Wohnungen, die der Betreuung pflegebedürftiger oder behinderter Menschen dienen und sich in Altenwohn- und Pflegeheimen, Behindertenheimen oder vergleichbaren Einrichtungen befinden, 3. Wohnungen, die eine nicht dauernd getrennt lebende verheiratete oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Person aus Gründen ihrer Erwerbstätigkeit, ihrer (Berufs-) Ausbildung oder ihres Studiums innehat, wenn sich die gemeinsam genutzte Hauptwohnung nicht im Stadtgebiet befindet. Die Befreiung gilt nur, wenn die als Nebenwohnung gemeldete Wohnung die vorwiegend genutzte Wohnung der verheirateten oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Person ist. Die von der Zweitwohnungssteuer auszunehmende Wohnung darf nicht von beiden Partnern gehalten werden, 4. Wohnungen, die Studierende oder noch in Ausbildung befindliche Personen bei den Eltern oder einem Elternteil innehaben, soweit sich die Hauptwohnung am Studien- oder Ausbildungsort befindet. e) Wie hoch ist der Steuersatz? Die Steuer beträgt jährlich 10 Prozent der Jahresnettokaltmiete, also der Miete ohne Heiz- und Nebenkosten. Drucksache 180/2022 Seite 5 f) Wie ermittelt sich die Steuerhöhe? Berechnungsbeispiel zur Zweitwohnungssteuer Art der vereinbarten Miete monatlich Höhe der vereinbarten Miete jährlich vereinbarte Miete = Bruttokaltmiete abzüglich 10 % vereinbarte Miete = Bruttowarmmiete abzüglich 20 % Jahresnettokaltmiete * Steuersatz Jahressteuer Nettokaltmiete 400,00 € x 12 Monate 4.800,00 € Bruttokaltmiete 444,45 € x 12 Monate 5.333,40 € Bruttowarmmiete 500,00 € x 12 Monate 6.000,00 € 533,34 € 4.800,00 € 10% 480,00 € 4.800,06 € 10% 480,00 € 1.200,00 € 4.800,00 € 10% 480,00 € * Sofern in der vereinbarten Miete ein Möblierungszuschlag enthalten ist, verringert sich die Jahresnettokaltmiete um weitere 10 % bevor der Steuersatz zur Anwendung kommt. g) Beginn und Ende der Steuerpflicht? Wird eine Zweitwohnung zum 1. eines Monats bezogen, beginnt die Steuerpflicht am 1. dieses Monats. Wird eine Zweitwohnung erst nach dem 1. eines Monats bezogen, beginnt die Steuerpflicht am 1.Tag des folgenden Monats. Die Steuerpflicht endet mit Ablauf des Monats, in dem die Zweitwohnung aufgegeben wird. h) Wann ist die Steuer fällig? Die Steuer wird einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheides fällig. Bis zur Bekanntgabe eines neuen Steuerbescheides ist die Steuer jeweils zum 01. Juli eines jeden Jahres fällig und ohne weitere Aufforderung zu entrichten IV. Auswirkungen Die Verwaltung hat sich bei Erarbeitung der Unterlagen am Vorgehen anderer Städte orientiert, die eine solche Steuer bereits eingeführt haben. Daneben wurde die vom Städtetag Baden-Württemberg erstellte letzte Abgabenumfrage zur Bewertung herangezogen. Insgesamt haben 381 Kommunen an der Abgabenumfrage in diesem Segment teilgenommen. Davon erheben 67 Kommunen die Zweitwohnungssteuer. In der Städtegruppe A (Stadtkreise) erheben von 11 Kommunen 7 Kommunen die Zweitwohnungssteuer. In der für die Stadt Lahr relevanten Städtegruppe B (Kommunen > 15.000 Einwohner) erheben von den an der Umfrage teilnehmenden 95 Kommunen 23 Kommunen, davon 5 im Regierungsbezirk Freiburg, die Zweiwohnungssteuer. Dabei haben sich die Orientierung an der Nettokaltmiete und ein Steuersatz von 10 % jeweils deutlich herausgebildet. Es ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass ein Beschluss über die Einführung und in der Folge die Information der Zweitwohnungsinhaber zu einer deutlichen Bereinigung des Melderegisters führen wird. Eine vergleichbare Große Kreisstadt ist bei der Einführung der Zweitwohnungssteuer im Jahr 2017 davon ausgegangen, dass sich die Zahl der Zweitwohnungen um rund 1.000 verringern werde. Tatsächlich reduzierte sich dort die Zahl der Zweitwohnsitze in Summe um le- Drucksache 180/2022 Seite 6 diglich 714. Die Stadt Lahr hat eine höhere Ausgangszahl an Zweitwohnsitzen als die Vergleichskommune und würde bei einem ähnlich hohen Rückgang eine breitere Besteuerungsbasis haben. Allerdings hat die Vergleichskommune aufgrund ihrer räumlichen Nähe zu zwei Großstädten vermutlich ein höheres Mietniveau als Lahr und damit vermutlich auch höhere Einnahmen aus der Zweitwohnungssteuer. Das potenzielle Steueraufkommen lässt sich aufgrund der geschilderten Unsicherheiten daher nur schwer einschätzen. Die Verwaltung schätzt die potentiell möglichen direkten Erträge aus der Zweitwohnungssteuer auf jährlich 100.000 Euro. Es wird vermutet, dass die Sekundäreffekte aus der Verschiebung der Zweitwohnsitze hin zu Erstwohnsitzen und der damit verbundenen höheren Einkommenssteueranteile und Schlüsselzuweisungen mit einem zeitlichen Versatz mindestens nochmal ähnlich hoch sein werden. Der direkte Steuerertrag und die indirekten Mehrerträge aus Einkommenssteueranteilen und Schlüsselzuweisungen entwickeln sich gegenläufig, d.h. steigen die direkten Steuereinahmen sind die indirekten Auswirkungen eher geringer zu erwarten und umgekehrt. Dem zusätzlichen Ertrag steht ein zusätzlicher jährlicher Verwaltungssaufwand von geschätzt 15.000 € gegenüber. Zusätzlicher, dauerhafter Personalaufwand wird für die weitere Steuererhebung nicht erwartet. Der Personaleinsatz wird im Zuge der Einführung der Zweitwohnungssteuer vorübergehend deutlich ansteigen. Hierfür wird aufgabenübergreifend Personalkapazität hinzugezogen. Es wird erwartet, dass die laufende Steuerveranlagung mit dem bestehenden Personalkörper noch bewältigt werden kann. Die für die Steuererhebung zuständige Sachbearbeitung verfügt bereits über die technischen Veranlagungskenntnisse. Die zusätzlichen Kenntnisse für die Steuerveranlagung werden im Rahmen der praktischen Tätigkeit in Laufe der Zeit angeeignet. Die Verwaltung wird die Ertrags- und Aufwandsentwicklungen regelmäßig evaluieren. Die Einführung einer Zweitwohnungssteuer setzt eine längere Vorbereitungs- und Einführungsphase voraus. So bedarf es einer umfassenden schriftlichen und mündlichen Information der Betroffenen sowie eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit. Die Bereinigung des Melderegisters wird ebenfalls einige Zeit in Anspruch nehmen. Es sind umfangreiche Systemeinstellungen im Buchhaltungs- und Abrechnungssystem vorzunehmen, Steueranmeldungsvordrucke und -bescheide zu entwerfen, etc. Der Zweitaufwand hierfür wird insgesamt auf mehrere Monate geschätzt. Mit Beginn der Steuererhebung ist daher frühestens ab 01.07.2023 zu rechnen. Die Verwaltung empfiehlt der Satzung der Stadt Lahr/Schwarzwald über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer (Zweitwohnungssteuersatzung) zuzustimmen. Markus Ibert Oberbürgermeister Markus Wurth Stadtkämmerer Anlage(n): Zweitwohnungssteuersatzung Anlage 0 Hinweis: Die Mitglieder des Gremiums werden gebeten, die Frage der Befangenheit selbst zu prüfen und dem Vorsitzenden das Ergebnis mitzuteilen. Ein befangenes Mitglied hat sich in der öffentlichen Sitzung in den Zuhörerbereich zu begeben und in der nichtöffentlichen Sitzung den Beratungsraum zu verlassen. Einzelheiten sind dem § 18 Abs. 1-5 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg zu entnehmen.