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Beschlussvorlage (Zensus 2011, Klage gegen den Feststellungsbescheid des Statistischen Landesamtes vom 21.06.2013)

                                    
                                        Beschlussvorlage
Amt: 30
Bohn

Datum: 05.02.2014 Az.: 065.05/01

Drucksache Nr.: 8/2014 1. Ergänzung

Beratungsfolge

Termin

Beratung

Kennung

Abstimmung

Haupt- und Personalausschuss

03.02.2014

vorberatend

nichtöffentlich

Gemeinderat

24.02.2014

beschließend

öffentlich

201

50

Beteiligungsvermerke
Amt
Handzeichen

Zensus-Stelle

102

Eingangsvermerke
Oberbürgermeister

Erster Bürgermeister

Bürgermeister

Haupt- und Personalamt
Abt. 10/101

Kämmerei

Rechts- und
Ordnungsamt

Betreff:

Zensus 2011, Klage gegen den Feststellungsbescheid des Statistischen Landesamtes vom 21.06.2013

Beschlussvorschlag:

Die Stadtverwaltung wird ermächtigt, gegen den Feststellungsbescheid des Statistischen Landesamtes vom 21.06.2013 im Wege der verwaltungsgerichtlichen Klage
vorzugehen, sollte das Statistische Landesamt den eingelegten Widerspruch zurückweisen.

BERATUNGSERGEBNIS
Einstimmig

Sitzungstag:

lt. Beschlussvorschlag

mit Stimmenmehrheit

Bearbeitungsvermerk

abweichender Beschluss (s. Anlage)

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthalt.

Datum

Handzeichen

Drucksache 8/2014 1. Ergänzung

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Begründung:
1. Einführung
Im Jahr 2011 wurde europaweit eine statistische Erhebung durchgeführt, die neben der Erhebung anderer statistischer Zahlen, insbesondere die Feststellung der Einwohnerzahl in
Deutschland, den jeweiligen Bundesländern und auch in den einzelnen Gemeinden zum Ziel
hatte (Zensus 2011). Die Bundesrepublik Deutschland ist europarechtlich verpflichtet, eine
entsprechende Erhebung mindestens alle zehn Jahre durchzuführen, wobei hinsichtlich der
Wahl der Methode ein erheblicher Gestaltungsspielraum besteht.
Erstmals wurde beim Zensus 2011 hierfür keine Vollerhebung durchgeführt, sondern ein
neues Verfahren der Einwohnerzahlenermittlung auf Register- und Stichprobenbasis angewandt. Dabei wurden unterschiedliche Verfahrensweisen für Gemeinden unter und über
10.000 Einwohner festgelegt. Eine echte Stichprobenziehung fand nur in letzteren statt, während in Gemeinden unter 10.000 Einwohnern nur eine Klärung von Unstimmigkeiten erfolgte.
2. Bisheriges Verfahren und weiteres Vorgehen
Mit Feststellungsbescheid des Statistischen Landesamtes vom 21.06.2013 wurde für die
Stadt Lahr die amtliche Einwohnerzahl zum 09.05.2011 mit 42.517 Personen festgestellt.
Dabei ergaben sich erhebliche Abweichungen sowohl von der Bevölkerungsfortschreibung
auf Grundlage der Volkszählung 1987 als auch vom amtlichen Melderegister. Die Bevölkerungsfortschreibung auf Grundlage der Volkszählung 1987 geht für den Stichtag 31.12.2011
von einer Einwohnerzahl von 44.174 Personen aus. Die Bevölkerungsfortschreibung auf
Grundlage des Zensus 2011 ergibt eine Zahl von 42.903 Personen. Laut Melderegister waren zu diesem Zeitpunkt in Lahr 43.518 Personen gemeldet.

Einwohnerzahl Lahr
45.000
44.500
44.000
43.500
43.000
42.500
42.000
41.500
09.05.2011 30.06.2011 31.12.2011 30.06.2012 30.09.2012 31.03.2013 31.06.2013 31.12.2013
Hochrechnung Volkszählung 1987

Melderegister

Hochrechnung Zensus 2011

Mit Schreiben vom 24.07.2013 wurde zunächst fristwahrend Widerspruch gegen den Bescheid des Statistischen Landesamtes eingelegt. Dieser Widerspruch wurde durch das
Rechtsamt mit Schreiben vom 11.10.2013 auf 17 Seiten ausführlich begründet. Wesentliche

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Grundlage für die Begründung war eine Musterbegründung, die von einer Arbeitsgruppe des
Städtetags Baden-Württemberg unter Mitarbeit von Juristen und Statistikern verschiedener
Städtetagsmitglieder erarbeitet worden war.
Mit Bescheid des Statistischen Landesamtes vom 21.10.2013 wurde die sofortige Vollziehung des Feststellungsbescheides vom 21.06.2013 angeordnet, so dass die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs entfällt. Dies hat zur Folge, dass vorläufig bei allen Rechtsvorschriften, die auf die amtliche Einwohnerzahl verweisen und die keine besonderen Regelungen enthalten, auf die Zahlen des Zensus 2011 abzustellen ist. So soll ermöglicht werden,
dass bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung für alle Gemeinden, unabhängig davon,
ob ein Widerspruch eingelegt wurde oder nicht, die gleiche Datengrundlage Anwendung findet. Entsprechend der Empfehlung des Städtetags hat die Stadtverwaltung darauf verzichtet,
hiergegen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen.
Nach den bisherigen Äußerungen des Statistischen Landesamtes geht dieses davon aus,
dass die Durchführung des Zensus 2011 geltendem Recht entspricht. Es ist daher mit einer
Zurückweisung des Widerspruchs zu rechnen. Ein Widerspruchsbescheid ist bisher nicht ergangen. Dieser war ursprünglich für Dezember 2013/Januar 2014 angekündigt. Nach derzeitigen Informationen werden die Widerspruchsbescheide im Zeitraum Februar bis Mai 2014
erlassen werden. Die Verzögerungen beruhen insbesondere auf der großen Anzahl an Widersprüchen. Von den etwas über 1.000 Gemeinden in Baden-Württemberg haben 373 Gemeinden Widerspruch erhoben. Laut Auskunft des Statistischen Landesamtes sind derzeit
noch 263 Widersprüche offen. Insbesondere die Widerspruchsquote unter den Gemeinden
über 10.000 Einwohnern ist hoch. So ist bei 160 von 248 Gemeinden über 10.000 Einwohner
der Widerspruch noch offen. Rund 40 Gemeinden haben bereits beschlossen, gegen die
Feststellung der Einwohnerzahl auch gerichtlich vorzugehen. Der Städtetag BadenWürttemberg erwartet, dass diese Zahl noch erheblich wachsen wird.
Derzeit finden daher Verhandlungen zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Städtetag Baden-Württemberg darüber statt, ob die rechtliche Klärung über eine gewisse Anzahl
an Musterklagen herbeigeführt werden kann, während alle anderen Klagen vorerst für ruhend
erklärt werden. Seitens des Städtetags Baden-Württemberg ist angedacht pro Verwaltungsgerichtbezirk ein bis zwei Verfahren, d.h. zwischen vier und acht Klagen in BadenWürttemberg auszuwählen. Das Statistische Landesamt hat mitgeteilt, dass es sich grundsätzlich die Durchführung von Musterverfahren vorstellen kann. Vor einer endgültigen Aussage möchte es jedoch die Klagebegründungen und die weiteren Entwicklungen abwarten.
Die Stadtverwaltung strebt nicht an, selbst einen Musterprozess zu führen. Die Verwaltung
plant, sich auch im weiteren Vorgehen mit dem Städtetag Baden-Württemberg und anderen
klageführenden Kommunen abzustimmen.
3. Rechtliche Beurteilung
Am Zensusgesetz (ZensG 2011) und an der Durchführung des Zensus gibt es eine Vielzahl
von Kritikpunkten.
a) Durchführung des Zensus
Es ist durchaus fraglich, ob der Zensus 2011 entsprechend den gesetzlichen Vorgaben
durchgeführt worden ist.
So schreibt bspw. das Zensusgesetz einen maximalen einfachen relativen Standardfehler
von 0,5 % vor (§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZensG 2011). Diese Vorgabe ist bei der Stadt Lahr mit
einem einfachen relativen Standardfehler von 0,41 % zwar eingehalten, bei 63 % der Städ-

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te und Stadtteile liegt der Stichprobenfehler allerdings über der gesetzlich zulässigen Maximalhöhe. Dadurch wird auch die Stadt Lahr beeinträchtigt, da fehlerhafte Einwohnerzahlen bei anderen Kommunen bspw. die Finanzzuweisungen der Stadt Lahr beeinflussen. Auch bundesweit ist die Anforderung der Einhaltung eines einfachen relativen Standardfehlers von maximal 0,5 % wohl nicht erreicht worden. Das Statistische Bundes-amt
und die Statistischen Landesämter stellen sich nun auf den Standpunkt, dass die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZensG 2011 keine verbindliche Vorgabe enthielte. Wäre
dies allerdings der Fall, so stellte sich die Frage der Verfassungswidrigkeit des Zensusgesetzes mangels verbindlicher Qualitätsvorgaben.
Erhebliche Zweifel bestehen auch an der Qualität des dem Zensus zugrundeliegenden
Anschriften- und Gebäuderegisters. Dieses Register ist für den Zensus 2011 erstmals erstellt worden und enthielt zumindest in seiner Rohfassung eine Vielzahl von Fehlern, was
angesichts der Größe und Komplexität dieses Projekts nicht verwundert. Ob diese Fehler
noch vor Durchführung des Zensus behoben werden konnten, entzieht sich mangels nicht
zur Verfügung gestellter Daten der Kenntnis der betroffenen Kommunen und damit auch
der Stadt Lahr.
Hinzu kommen weitere Zweifel an der Qualität der Stichprobe, auf die hier angesichts der
hohen Komplexität der Materie jedoch nicht näher eingegangen werden soll.
Ein grundlegendes Problem stellt die Tatsache dar, dass das Statistische Bundesamt und
die Statistischen Landesämter mit Verweis auf das Statistikgeheimnis die Herausgabe einer Vielzahl von Daten verweigern, die zu einer echten Qualitätsüberprüfung des Zensus
durch die Kommunen erforderlich wären. Hier bleibt abzuwarten, wie die Gerichte das
Verhältnis zwischen dem aus dem Recht der informationellen Selbstbestimmung hergeleiteten Statistikgeheimnis, wie es vom Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil definiert worden ist und dem ebenfalls verfassungsrechtlich (auch den Gemeinden) verbürgten Recht auf effektiven Rechtsschutz beurteilen. Diese Frage könnte sich
auch auf die Beweislastverteilung in Bezug auf die Pflicht zum Beweis der Richtigkeit/ Unrichtigkeit des Zensusergebnisses auswirken, die ggf. erhebliche Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten einer Klage hat.
Trotz der nicht vorhandenen Überprüfbarkeit der ermittelten Zahlen, gibt es durchaus Anhaltspunkte für deren Fehlerhaftigkeit. So bestimmt die Bevölkerungsfortschreibung zum
30.06.2013 auf Grundlage des Zensus 2011 für Lahr die Zahl der Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit mit 4.530 Personen. Laut Ausländerzentralregister sind in Lahr
jedoch ca. 4.900 ausländische Personen in Lahr wohnhaft. Dass tatsächlich 350 ausländische Personen in Lahr ausländerrechtlich erfasst, tatsächlich hier jedoch nicht wohnhaft
sind („Kartei-Leichen“), kann seitens der Stadtverwaltung nahezu ausgeschlossen werden.
Die Stadt Emmendingen hat ebenfalls eine entsprechende Diskrepanz bei der Anzahl der
ausländischen Personen nach Ausländerzentralregister bzw. nach Feststellung des Zensus 2011 festgestellt und weitere Überprüfungen vorgenommen. Dabei hat sich herausgestellt, dass nur sehr vereinzelt Personen (weniger als 20) im Ausländerzentral-register erfasst waren, die nicht in Emmendingen wohnhaft sind. Gründe, warum in Lahr die Qualität
des Ausländerzentralregisters erheblich schlechter sein sollte als in Emmendingen, sind
nicht erkennbar, so dass zu erwarten wäre, dass bei einer entspre-chenden Überprüfung
ähnliche Ergebnisse herauskommen.
b) Verfassungsgemäßheit des Zensusgesetzes 2011 und der Stichprobenverordnung
Daneben bestehen auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Zensusgesetz 2011 und die Stichprobenverordnung, die auf Grundlage des Zensusgesetzes erlassen wurde.

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Aus den Gewährleistungsaspekten der kommunalen Finanzhoheit und des Art. 3 Abs. 1
GG (Gleichheitsgrundsatz) ergeben sich hohe Anforderungen an die Genauigkeit und
Richtigkeit der Einwohnerzahlfeststellung. Die gegenwärtige gesetzliche Regelung der Methode des registergestützten Zensus reicht hierfür wohl nicht aus. Sie ist zudem nicht geeignet dem verfassungsrechtlich verbürgten Gebot der kommunalen Gleichbehandlung zu
genügen.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere das unterschiedliche Verfahren zur Ermittlung
der Einwohnerzahl bei Gemeinden unter 10.000 Einwohnern und bei Gemeinden über
10.000 Einwohnern zu bemängeln. Wie verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen
ergeben haben, sind je nach angewandter Methode deutlich unterschiedliche Ergebnisse
erzielt worden. So lag in Gemeinden mit 10.000 bis 15.000 Einwohnern die im Zensus
festgestellte Einwohnerzahl durchschnittlich um 1,42 % unter der Bevölkerung laut Melderegister, während die im Zensus festgestellten Einwohnerzahlen in Gemeinden mit 5.000
bis 10.000 Einwohnern lediglich durchschnittlich 0,18 % unter den Melderegister-ständen
lagen. Insgesamt ist zu konstatieren, dass Gemeinden unterhalb von 10.000 Einwohnern
signifikant geringere relative Verluste in der Einwohnerzahl durch den Zensus 2011 im
Vergleich zu Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern aufweisen. Diese Kluft lässt sich
in ihrer Tragweite nur mit dem Methodenwechsel bei der Zensusausführung an dieser
Einwohnerschwelle erklären. Die mit 1,34 % relativ hohe Abweichung zwischen Melderegisterbestand und Zensusergebnis bei der Stadt Lahr könnte deshalb (auch) auf die Anwendung des die Einwohnerzahlen sichtlich nach unten korrigierenden Stichprobenverfahrens zurückzuführen sein.
Daneben stellen sich verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Qualitätsvorgaben des
Zensusgesetzes, hinsichtlich fehlender Nachprüfungs- und Korrekturinstrumente zur Qualitätssicherung und hinsichtlich des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts in Bezug auf die
Stichprobenverordnung, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass erhebliche Zweifel an der Richtigkeit, Gesetz-mäßigkeit
und Verfassungsgemäßheit des Zensus 2011 bestehen.
4. Erfolgsaussichten und Prozessrisiken
Trotz dieser erheblichen rechtlichen Bedenken gegen den Zensus 2011 lassen sich die Erfolgsaussichten einer Klage nur schwer beurteilen.
Die maßgeblichen (verfassungsrechtlichen) Fragen sind in der Rechtsprechung noch weitestgehend ungeklärt. Dies gilt insbesondere in Bezug auf das Verhältnis von Statistikgeheimnis und dem Grundsatz effektiven Rechtschutzes und die Qualitätsanforderung an ein
auf Stichproben basierendes Verfahren zur Feststellung der Einwohnerzahl.
Auch lässt sich die tatsächliche Qualität des Zensus für die betroffenen Kommunen nur
schwer beurteilen, da das Statistische Bundesamt und die Statistischen Landesämter die
Herausgabe der zur Qualitätsbeurteilung erforderlichen Daten verweigern.
Zudem ist nur schwer vorauszusagen, inwieweit sich die Rechtsprechung dadurch beeinflussen lässt, dass die Durchführung des Zensus ein erheblicher personeller, organisatorischer und finanzieller (die bundesweiten Kosten waren mit über 700 Mio. EUR angesetzt)
Aufwand darstellte und eine kurzfristige Wiederholung/Neuerhebung daher nahezu ausgeschlossen ist. Dies könnte zum einen dazu führen, dass die Maßstäbe an die Kontrolldichte
reduziert werden und zum anderen, dass die Rechtsprechung von einer Unwirksamkeitserklärung des Zensus zurückschreckt und selbst bei erheblichen rechtlichen Defiziten sich auf

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eine Rechtswidrigkeitsfeststellung beschränkt, die Zensuszahlen aber weiter für anwendbar
erklärt.
Die entstehenden Kosten der Klageerhebung können derzeit nicht abgesehen werden. Diese
hängen auch maßgeblich davon ab, ob das Land der Führung von Musterprozessen zustimmt. Sollte dem Vorschlag des Städtetags Baden-Württemberg gefolgt werden, so würde
dies für alle Beteiligten (auch für das Land) deutliche Kostenersparnisse bringen. Ob sich die
Gemeinden, deren Verfahren vorerst ruhend gestellt werden, ebenfalls an den Kosten der
Musterverfahren beteiligen, ist noch nicht geklärt. Insofern hängen die zu erwartenden Kosten auch davon ab, wie die Kostenverteilungsregelung zwischen den Kommunen mit Musterprozessen und den anderen klageführenden Kommunen vereinbart wird.
Da sich wesentliche Kritikpunkte auf die Verfassungsgemäßheit des Zensusgesetzes beziehen, ist auch mit einer langen gerichtlichen Auseinandersetzung über mehrere Instanzen,
wahrscheinlich sogar bis zum Bundesverfassungsgericht zu rechnen. Insofern ist nicht unwahrscheinlich, dass Prozesskosten im hohen vier- bis in den mittleren fünfstelligen Bereich,
bei Durchführung des Verfahrens ohne Musterklagen auch im hohen fünf- bis in den sechsstelligen Bereich entstehen.
5. Empfehlung der Verwaltung
Trotz dieser nicht unerheblichen Prozessrisiken kann angesichts der besonderen Bedeutung
der amtlichen Einwohnerzahlen das Zensus-Ergebnis nach Ansicht der Verwaltung nicht widerspruchslos hingenommen werden. Auf die amtliche Einwohnerzahl wird in einer Vielzahl
von Rechtsvorschriften Bezug genommen. Sie ist Grundlage für staatliche und kommunale
Planungen und viele weitere Entscheidungen. Insbesondere wirkt sich die amtliche Einwohnerzahl auch auf den kommunalen Finanzausgleich aus. Daraus könnten sich erhebliche finanzielle Folgen für die Stadt Lahr ergeben. Deren genaue Bezifferung ist nur schwer möglich, sie betragen aber jedenfalls mehrere hundert Euro pro Einwohner pro Jahr. Von anderen
Gemeinden und vom Städtetag Baden-Württemberg wird sogar von einem Betrag von ca.
1.000,00 EUR pro Einwohner gesprochen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Einwohnerzahlfeststellung Grundlage für die Fortschreibung für die nächsten zehn Jahre darstellt.
Zudem ist wegen der europarechtlichen Verpflichtungen bereits jetzt klar, dass spätestens im
Jahr 2021 die nächste Bevölkerungserhebung stattfinden wird. Es gilt daher auch hierfür die
rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären, um für die nächste Erhebung eine bessere Qualität sicherzustellen.
Die Verwaltung empfiehlt im Falle des Erlasses des zu erwartenden ablehnenden Widerspruchsbescheids Klage zu erheben.

Guido Schöneboom
Erster Bürgermeister

Tobias Biendl
Leiter Rechts- und Ordnungsamt