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Informationsvorlage (Sachstandsbericht zu Kompensationsmaßnahmen bei Bauvorhaben)

                                    
                                        Information
Amt: 602
Stahl

Datum: 26.10.2018

Az.: 60/602 St

Drucksache Nummer:
290/2018

Beratungsfolge

Termin

Beratung

Kennung

Umweltausschuss

15.11.2018

zur Kenntnis

öffentlich

zur Kenntnis

öffentlich

Technischer Ausschuss

Abstimmung

Beteiligungsvermerke
Amt
Handzeichen

61

622

Eingangsvermerke
Oberbürgermeister

Erster Bürgermeister

Bürgermeister

Haupt- und Personalamt
Abt. 10/101

Kämmerei

Rechts- und
Ordnungsamt

Betreff:

Sachstandsbericht zu Kompensationsmaßnahmen bei Bauvorhaben
Mitteilung:

Der Sachstandsbericht zu Kompensationsmaßnahmen bei Bauvorhaben wird zur
Kenntnis genommen.
Anlage(n):
Aktueller Stand verfügbare Ökokontomaßnahmen

BERATUNGSERGEBNIS

Sitzungstag:

Bearbeitungsvermerk

� Einstimmig � lt. Beschlussvorschlag � abweichender Beschluss (s. Anlage)
� mit Stimmenmehrheit

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthalt.

Datum

Handzeichen

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Sachdarstellung:
Im Zuge der zahlreichen privaten und öffentlichen Bebauungspläne und Bauvorhaben sind verschiedene rechtliche Regelungen und Kompensationspflichten zu beachten. Im folgenden Sachstandsbericht soll ein kurzer Überblick und eine grobe Zukunftsprognose gegeben werden:
1. Typen von Kompensationsflächen und rechtliche Grundlagen:
a) Naturschutzrechtlicher Ausgleich und Eingriffsregelung
Die sogenannte „Eingriffsregelung“ ist ein Instrument des Naturschutzrechtes, das mit seinem allgemeinen Verschlechterungsverbot auch außerhalb von Schutzgebieten einen Mindestschutz von
Natur und Landschaft gewährleisten soll. Eingeführt wurde es formell im Bundesnaturschutzgesetz
von 1976. Zunächst wurden die Eingriffe jedoch für jedes einzelne Projekt bzw. Bauvorhaben separat
behandelt. Dies änderte sich 1993, indem die Eingriffsregelung Eingang ins Baurecht fand und festlegte, dass die Eingriffe zusammengefasst auf der Ebene der Bauleitplanung betrachtet werden.
Seither ist im Rahmen des Bauleitplanverfahrens bei der erstmaligen Entwicklung von Bauflächen
eine Umweltprüfung enthalten, die die Auswirkungen einer Planung auf Natur und Umwelt untersucht. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen und wird den Behörden zur Stellungnahme vorgelegt.
Erhebliche Beeinträchtigungen sind verpflichtend in erster Priorität zu vermeiden oder zu vermindern.
Verbleibende erhebliche Beeinträchtigungen müssen ausgeglichen werden.
Die Ermittlung des Eingriffsumfangs erfolgt getrennt nach den einzelnen Schutzgütern. Die Eingriffe
werden hierbei überwiegend verbal-argumentativ beurteilt und Beeinträchtigungen z.B. durch Verringerung von Wertstufen ausgedrückt. Hierfür müssen jeweils räumlich konkrete Ausgleichsmaßnahmen mit einer äquivalenten Aufwertung benannt werden. In einer Eingriffs-/ Ausgleichsbilanzierung
wird dargelegt, wie das Defizit des Eingriffs durch die Ausgleichsmaßnahmen kompensiert wird.
1998 wurde im Baugesetz das baurechtliche Ökokonto eingeführt. Dies ermöglichte die räumliche
und zeitliche Entkoppelung von Eingriff und Ausgleich, so dass vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen
angespart werden konnten. Seit 2010 (BNatSchG-Novelle) muss zwischen Eingriff und Ausgleich
auch kein funktionaler Zusammenhang mehr bestehen.
Mit der Einführung der Ökokontoverordnung (ÖKVO) in Baden-Württemberg 2011 wurde ein rechnerisches Bewertungsverfahren für die Ermittlung der Eingriffsschwere und der Bemessung des erforderlichen Ausgleichs für die Schutzgüter Arten und Biotope sowie Boden vorgegeben, das seither
regelmäßig als Methodenstandard angewandt wird. Danach wird jedem vorkommenden Biotoptyp ein
Wert zugewiesen und der Zustand vor und nach der Planung bewertet. Auch Eingriffe in das Schutzgut Boden müssen seither separat berechnet und separat ausgeglichen werden.
Formalrechtlich werden zwei Typen von Ökokonten unterschieden, das naturschutzrechtliche und
das baurechtliche Ökokonto. Die Maßnahmen, die im naturschutzrechtlichen Ökokonto bevorratet
werden, können an Dritte verkauft werden. Für diese Maßnahmen gelten höhere inhaltliche Anforderungen als an die Maßnahmen, die nur für die kommunale Verwendung in der Bauleitplanung in das
baurechtliche Ökokonto eingebucht wurden. Inzwischen wurde jedoch die – zu Beginn noch nicht
gegebene- Möglichkeit zum Wechsel zwischen beiden Ökokonten und somit größere Flexibilität eingeräumt
Eingriff in geschützte Biotope
Sobald im Rahmen von Bauvorhaben oder anderen Eingriffen gesetzlich geschützte Biotope geschädigt oder beseitigt werden, muss eine Ausnahmegenehmigung bei der Unteren Naturschutzbehörde
beantragt werden. In der Regel ist dann das Biotop an anderer Stelle in gleicher Größe und Wertigkeit wiederherzustellen und dauerhaft zu erhalten.

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b) Artenschutz
Zusätzlich zur Betrachtung von seltenen und besonderen Arten im Rahmen der Eingriffsregelung
müssen seit einigen Jahren auch die direkten Regelungen des Artenschutzrechtes beachtet werden,
die dem Schutz der Populationen und deren Lebensstätten dienen.
Das Artenschutzrecht wurde 2007 bzw. 2010 im Rahmen des Bundesnaturschutzgesetzes
(BNatSchG) neu ausgestaltet und an die europarechtlichen Vorgaben angepasst. Die neuen Regelungen in den §§ 44 und 45 sehen vor, dass Fangen, Tötung oder Verletzung der geschützten Tierund Pflanzenarten sowie die Beschädigung ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten streng verboten
sind. Unterschieden wird zwischen besonders geschützten Arten und streng geschützten Arten, wobei die streng geschützten Arten eine Teilmenge der besonders geschützten Arten darstellen. Bei
den streng geschützten Arten ist zusätzlich eine Störung der Arten untersagt. Es liegt jedoch dann
kein Verbotstatbestand im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätte im räumlichen Zusammenhang
weiterhin erfüllt ist oder wenn dies durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (sog. CEFMaßnahmen, „continuous ecological functionality-measures“) erreicht werden kann.
Bei der Zulassung und Ausführung von Vorhaben sind die Auswirkungen auf die besonders benannten, geschützten Arten zu prüfen. Hierzu wird für Projekte eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) als Gutachten erstellt, das untersucht, ob die Verbotstatbestände erfüllt werden bzw. wie
diese vermieden oder kompensiert werden können. Untersucht werden i.d.R. alle europäischen Vogelarten und alle Arten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL), die im Anhang IV stehen. Das
Gutachten und die ev. erforderlichen Maßnahmen benötigen i.d.R. ein bis drei Jahre Vorlaufzeit, da
viele Tier- und Pflanzenarten zum einen nur zu bestimmten Zeitpunkten im Jahresverlauf sicher kartiert und aufgefunden werden können und zum anderen die erfolgreiche Umsiedlung der Arten Zeit
benötigt. Wenn dieser zeitliche Vorlauf nicht gegeben ist – dies ist leider immer noch sehr oft der Fall
-, dann wird auf Grundlage der vorhandenen Biotopstruktur abgeschätzt, welche geschützten Arten
„im schlimmsten Fall“ potentiell vorkommen könnten („worst-case-Annahme“). Zudem muss eine zeitlich spätere Maßnahmenrealisierung durch eine Vergrößerung der Maßnahmenflächen kompensiert
werden. Dies erzeugt teilweise unnötig hohe Kosten für eilig umzusetzende Ersatzmaßnahmen, die
bei genauer Erhebung und ausreichendem zeitlichen Vorlauf häufig vermeidbar gewesen wären.
Die Anforderungen an Ersatzmaßnahmen für geschützte Arten (CEF-Maßnahmen) sind deutlich
strenger als die Anforderungen an naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen, da sie sich nur
an den Bedürfnissen der Arten orientieren. Das Weiterbestehen der Population der geschützten Art
muss garantiert und nachgewiesen sein, bevor der Eingriff bzw. die Zerstörung des ursprünglichen
Lebensraums beginnt. Die Maßnahmen können somit auch nicht durch Ökopunkte abgegolten werden. Zudem müssen sich die Ersatzflächen häufig in unmittelbarer Nähe der Eingriffsprojekte befinden und eine besondere Biotopausstattung aufweisen, die den Bedürfnissen der Art entspricht. So
lassen sich z.B. Eingriffe in Ackerflächen, die von Feldlerchen, Rebhuhn oder ähnlichen Bewohnern
der Feldflur besiedelt sind, auch nur wieder auf ähnlich geeigneten Ackerflächen ausgleichen. Die
CEF-Maßnahmen können jedoch häufig auch parallel als grundsätzliche Kompensationsmaßnahmen
angerechnet werden oder auf bereits bestehenden Ausgleichsflächen durch kleine zusätzliche und
artspezifische Maßnahmen umgesetzt werden, eine Überlagerung der Funktionen ist also möglich
und wird verstärkt angestrebt.
Das Artenschutzrecht gilt als direkte Rechtsvorgabe und ist unabhängig davon, ob bereits Baurecht
besteht. Im Prinzip muss überall und jederzeit bei Veränderungsmaßnahmen sichergestellt werden,
dass keine Tiere der geschützten Arten betroffen sind. Dies gilt z.B. auch beim Abbruch von Gebäuden (z.B. in Hinsicht auf Fledermäuse oder Gebäudebrüter), bei Baumfällungen (wenn z.B. Baumhöhlen vorhanden sind) oder bei der Bebauung eines längere Zeit brachliegenden Grundstücks innerhalb eines rechtsgültigen Bebauungsplangebiets, auf dem sich wertvolle Lebensraumstrukturen
für geschützte Arten gebildet haben. Dementsprechend hat die Stadt Lahr z.B. bereits mehrfach nach
Ausnahmegenehmigungen der Unteren Naturschutzbehörde Ersatzpflanzungen für zu fällende Brutbäume der geschützten Saatkrähe durchgeführt.

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Das Verständnis für den Artenschutz gerät stellenweise an Grenzen, wenn manche Arten, die bei uns
häufig sind, als streng geschützte Arten aufwändige Maßnahmen erfordern, wie z.B. Zauneidechse,
Saatkrähe. Bei diesen Arten befinden wir uns jedoch im Zentrum des Verbreitungsgebietes und haben daher eine besondere Verantwortung für diese Arten. Wenn sie bei uns verschwinden, besteht
die große Gefahr, dass sie überall verschwinden, da auch wesentliche Lücken in das Verbreitungsund Austauschnetz der Arten gerissen werden (Inselpopulationen ohne genetischen Austausch sterben leichter aus).
c) Bodenschutz
Seit der Einführung der Ökokontoverordnung 2011 erfolgt die Bewertung von Eingriffen in das
Schutzgut Boden ebenfalls gemäß der ÖKVO. Wie bei den Biotoptypen lässt sich ein Punktwert pro
Flächeneinheit im Ist- sowie im Planzustand ermitteln. Die Gegenüberstellung von Bestands- und
Planungswert ergibt i. d. R. ein Defizit an Wertpunkten (Ausgleichsbedarf), das den Umfang der nötigen ökologischen Ausgleichsmaßnahmen vorgibt. Vorrangig werden hierfür Ausgleichsmaßnahmen
gesucht, die auch funktional eine Aufwertung für das Schutzgut Boden bedeuten. Die Ökokontoverordnung listet hier einen abschließenden Katalog an Maßnahmen auf, z.B. Entsiegelung, nachträgliche (freiwillige) Dachbegrünungen etc. Hier sind die Möglichkeiten und Flächen jedoch sehr begrenzt.
Im Ortenaukreis wird vom Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz ein Sonderweg begangen und
auch die Kalkung von Waldgebieten mit Bodenversauerung als Boden-Ausgleichsmaßnahme anerkannt. Auch hierfür sind die Flächen jedoch begrenzt.
Daher kann im Ortenaukreis i.d.R. schutzgutübergreifend ausgeglichen werden. Hierbei wird ein
Komplementärschlüssel von 1:1 zwischen Ökopunkten für Biotope und Ökopunkten für das Schutzgut Boden angenommen.
d) Waldrecht
Müssen klassifizierte Waldflächen für nicht forstliche Zwecke, z.B. ein kommunales Baugebiet oder
den Bau einer Windkraftanlage, gerodet werden, muss der Vorhabenträger diese Rodung nach dem
Waldrecht ausgleichen. Dies erfolgt i.d.R. durch eine Aufforstung in gleicher Größe an anderer Stelle.
Die Einstufung, ob Waldflächen vorliegen, nimmt hierbei das Amt für Waldwirtschaft beim Landratsamt Ortenaukreis vor. Wenn keine eigenen Flächen zur Aufforstung vorhanden sind, können über die
Flächenagentur Baden-Württemberg Aufforstungsmaßnahmen Dritter im selben Naturraum zum Ankauf vermittelt werden.
Inzwischen haben die Abteilungen Stadtwald, Liegenschaften und öffentliches Grün und Umwelt
beim Amt für Waldwirtschaft die Anerkennung mehrerer Waldersatzflächen beantragt, quasi als
„Ökokonto Wald“. Es handelt sich hierbei überwiegend um Flächen, die nicht aktiv aufgeforstet werden, sondern die nah am bisherigen Waldrand gelegen sind, die aufgrund Nutzungsaufgabe ohnehin
durch Sukzession von selbst zuwachsen, jedoch noch nicht die offiziellen Kriterien für Waldflächen
erfüllen. Die endgültige Klärung und Anerkennung des Amtes für Waldwirtschaft steht noch aus.
Hierdurch soll eine Flächenreserve für die Zukunft geschaffen werden, damit auf die Aufforstung
landwirtschaftlicher Fläche oder auf den teuren externen Zukauf von Aufforstungsfläche verzichtet
werden kann.
Überzählige Aufforstungsflächen, die wir als Stadt Lahr kreieren, können über die Flächenagentur
Baden-Württemberg ebenfalls anderen zum Kauf angeboten werden.
e) Hochwasserschutz - Bebauung in ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten (HQ100)
Die Errichtung und Erweiterung baulicher Anlagen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten ist
nach den Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes (WHG) seit dem 22. Dezember 2013
grundsätzlich untersagt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein bereits ausgewiesenes Baugebiet, ein Gebiet, für das ein Bebauungsplan in Aufstellung ist oder um einen unbeplanten Bereich
bzw. den Außenbereich handelt (§ 78 WHG). Die betroffenen Gebiete werden in Hochwassergefahrenkarten dargestellt. In Einzelfällen kann für Bauvorhaben in Überschwemmungsgebieten eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, wenn u.a. die Hochwasserrückhaltung nicht oder nur unwesent-

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lich beeinträchtigt und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum umfangs-, funktions- und
zeitgleich ausgeglichen wird.
Um ggf. Verzögerungen für zukünftige Bauprojekte zu vermeiden, ist das Ziel des Stadtbauamts, geeignete vorgezogene Maßnahmen zur Neuschaffung von Retentionsraum zu suchen und umzusetzen und somit ebenfalls eine Art Vorratskonto anzulegen. Hierbei soll eine multifunktionale Nutzung
der Flächen auch als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme angestrebt werden.
2. Dokumentation: Ausgleichsflächen- und Biotopkataster
Eine Katasterübersicht über alle Ausgleichsflächen und Biotopflächen auf der Gemarkung Lahr wird
aktuell bei der Abteilung Öffentliches Grün und Umwelt erarbeitet und ist zu ca. 80 % fertiggestellt.
Das Kataster listet derzeit 92 rechtlich gebundene Ausgleichsflächen für verschiedene private und
kommunale Bauprojekte und Bebauungspläne sowie Ersatzflächen für geschützte Biotope (z.B. Pappelersatzpflanzungen für Saatkrähen) auf. Daneben werden 34 Biotopflächen auf städtischen Flächen aktiv von der Abteilung öffentliches Grün und Umwelt durch Biotoppflege betreut. Weiterhin
werden alle städtischen Flächen dargestellt, die nach der neuen Biotopkartierung (2016) als geschützte Biotope ausgewiesen sind.(derzeit 831 Teilflächen)
Geplant sind zukünftig hierzu ein Datenabgleich mit dem Landratsamt und die nachrichtliche Übernahme von Kompensationsflächen aus Planfeststellungsverfahren, die vom Landratsamt genehmigt
werden. Hierdurch soll ein umfassender Überblick über alle Flächen mit rechtlichen Bindungen entstehen.
Viele städtische Grundstücke, v.a. im Bereich der Vorbergzone verbrachen aufgrund von Nutzungsaufgabe und entwickeln sich zu Gehölzbeständen. Diese Bestände sollen zukünftig ebenfalls systematisch erfasst werden. Teilweise sollten Pflege- oder Nutzungsmaßnahmen eingeleitet werden, bevor der Rechtsstatus als „Wald“ oder „geschütztes Biotop“ erreicht ist, die mit entsprechenden Nutzungsbeschränkungen verbunden sind. Dies ist bislang eine Zusatzaufgabe, die nur geleistet werden
kann, sofern personelle und finanzielle Ressourcen dafür reserviert bzw. zusätzlich bereitgestellt
werden.
Die Darstellung der Kompensationsflächen zeigt, wie verstreut die Flächen in der Gemarkung liegen.
Anfangs wurde der Ausgleich möglichst in unmittelbarer Nähe zum Wohngebiet oder innerhalb des
Baugebiets durchgeführt. Nach Einführung der Ökokontoregelung wurden verstärkt siedlungsfernere
Maßnahmenvorschläge aus den Biotopvernetzungsplanungen umgesetzt. Seit der Stärkung des Artenschutzrechtes kommen zunehmend oft in Nähe der Eingriffsorte artenschutzrechtliche CEFMaßnahmen hinzu. Oft genug ist bei der Auswahl von Maßnahmen die schnelle Verfügbarkeit von
Flächen der bestimmende Faktor.
3. Bestand Ökokonto:
Das städtische Ökokonto weist derzeit 6 Maßnahmen auf, von denen die Fischtreppe Hammerschmiede als naturschutzrechtliche Ökokonto-Maßnahmen mit 111.909 Ökopunkten anerkannt wird
und extern verkauft werden könnte (siehe Anlage). Die anderen stehen als Reserve-Maßnahmen für
die Bauleitplanung zur Verfügung. Aus 3 Maßnahmen kann ein Ökopunktewert in Höhe von 78.416
Ökopunkten ermittelt werden, die Ökopunkte aus der Realisierung der Gartenschau müssen noch
einmal überprüft werden. Zwei weitere Ökokontomaßnahmen sind derzeit in der Umsetzung.
Im Ökokontoverzeichnis des Ortenaukreises ist für Lahr derzeit eine Maßnahme als verfügbare und
verkäufliche Ökokontomaßnahme aufgeführt:
- Sägewerk Benz (Lahr-Kuhbach) Bau einer Fischaufstiegsanlage linksseitig des Wehrs in der Bauweise Vertical-Slot-Fischpass (Schlitzpass),
Bewertung nach Herstellungskostenansatz: 262.626 Euro x 4 Ökopunkte/Euro = 1.050.504 ÖP

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Neu geplant auf Lahrer Gemarkung ist derzeit eine Maßnahme der Landsiedlung auf einer Ackerfläche an der Unditz. Diese Maßnahme wird voraussichtlich 2020 realisiert.
Darüber hinaus sind aktuell 61 Ökokonto-Maßnahmen im Ortenaukreis zum Verkauf eingestellt.
4. Einschätzung potentieller zukünftiger Eingriffe:
Die Frage, in welchem Ausmaß in den nächsten Jahren Eingriffe erfolgen und in welchem Maß hierfür Ökopunkte oder Kompensationsmaßnahmen benötigt werden, lässt sich an dieser Stelle nur ansatzweise beantworten. Selbst eine deutlich intensivere Vorplanung durch Flächennutzungs- und
Landschaftsplan kann dies nur näherungsweise eingrenzen.
Grundsätzlich sind jedoch aktuell in der Gemarkung Lahr weiterhin eine Vielzahl von Bauprojekten
absehbar und geplant, für die voraussichtlich sowohl naturschutzrechtliche als auch vorgezogene
artenschutzrechtliche Ersatzmaßnahmen erforderlich werden.
Für bereits im Flächennutzungsplan ausgewiesene Baugebiete, für die bereits ein rechtsgültiger Bebauungsplan besteht, ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der Regel bereits abgearbeitet. Auch in diesen Fällen ist jedoch immer der Aspekt des Artenschutzes zu überprüfen und ggf.
hierfür zusätzliche Ersatzmaßnahmen vorzusehen (Bsp: BP Hosenmatten II, 1. Änderung).
Als jüngste Änderungen im Bauplanungsrecht wurden die beschleunigten Verfahren nach §§ 13a und
13b BauGB eingeführt, für die keine Umweltprüfungen und somit auch keine Ausgleichsmaßnahmen
erforderlich sind. Da diese Verfahrensart nun häufig durchgeführt wird, ist zumindest vorübergehend
mit einem Rückgang des Kompensationsbedarfs im Rahmen der Siedlungsflächenentwicklung zu
rechnen. Dem stehen nach überwiegender Auffassung aber die stärker zu berücksichtigenden Anforderungen durch das Artenschutzrecht gegenüber.
5. Flächenverfügbarkeit und Potentiale für künftige Ökokonto-Maßnahmen
- Problematik des Flächenverbrauchs und der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Fläche
Der Flächenverbrauch durch Verkehrs- und Siedlungsfläche ist in seiner Schnelligkeit zwar in den
letzten Jahren etwas gesunken, der tägliche Flächenverbrauch in Baden-Württemberg liegt jedoch
immer noch bei 5 – 6 ha täglich, in Deutschland bei ca. 62 Hektar pro Tag. Der Flächenverbrauch
und damit der Druck auf die Fläche ist bei uns in der Oberrheinebene überproportional höher, da wir
uns in einer Wachstumsregion und wichtigen Infrastrukturregion befinden. Aktuelle Informationen des
Regionalverbands belegen, dass der tägliche Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche in unserer
Region zwischen 2010 und heute sogar wieder zunahm und 2016 wieder bei 6000 qm pro Tag lag.
Der Bedarf an naturschutz- und artenschutzrechtlichen Kompensationsflächen ist ein weiterer Faktor
für die Flächeninanspruchnahme und den allgemeinen „Flächenverbrauch“. Zwar werden durch
Kompensationsflächen keine Flächen versiegelt oder dauerhaft überbaut, sie stehen jedoch meistens
auch nicht mehr für eine landwirtschaftlich intensive Bewirtschaftung zur Verfügung. Die allgemeine
bundesweite Tendenz geht dahin, dass sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe verringert, indem kleine und mittlere Betriebe aufgeben müssen und größere Betriebe mit immer größerer Betriebsfläche entstehen. Hierdurch ist die im Südwesten verbreitete kleinbäuerliche, kleinteilige Landwirtschaft mit abwechslungsreicher Flächennutzung zunehmend in Gefahr. Generell sind in unserer
Gegend insbesondere Haupterwerbslandwirte sowie Landwirte mit Sonderkulturanbau stark von der
stetigen Abnahme der landwirtschaftlichen Fläche betroffen und sehen mittelfristig ihre Existenz bedroht.
Grundsätzlich ist in den Teilräumen der Südlichen Oberrheinniederung die Situation zur Flächenverfügbarkeit für Kompensationsflächen bei den Kommunen unterschiedlich und hängt u.a. von der
Größe der kommunalen Eigentumsflächen und der Standortgunst ab. Im Ortenaukreis scheint derzeit
kein genereller Mangel an verfügbaren Kompensationsflächen zu bestehen.

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Bei uns in Lahr ist jedoch in den letzten Jahren durch den Flächendruck eine stark sinkende Bereitschaft zum Verkauf bzw. zur Bereitstellung landwirtschaftlicher Fläche durch Flächentausch oder für
Kompensationsmaßnahmen zu beobachten. Beispielsweise mussten bereits bei der Suche nach
Blühstreifen, Kiebitzinsel und Feldlerchenfenster als Ausgleichsflächen für den temporären Parkplatz
für die Landesgartenschau verhältnismäßig hohe Summen angeboten werden, selbst wenn die Flächen nur für ein Jahr der vollen Bewirtschaftung entzogen waren.
Die in früheren Zeiten sehr häufig als Kompensationsmaßnahme praktizierte Anlage von Streuobstwiesen auf Ackerstandorten ist somit nicht nur in Lahr schon allein aus Kostengründen praktisch nicht
mehr umsetzbar. Nicht nur die Neuinanspruchnahme von Feldflur ist problematisch, auch der Entfall
von Waldflächen ist durch die Pflicht zur Durchführung von Ersatzaufforstungen teilweise nicht weniger kritisch.
Zwar können sich Landwirte als Dienstleister für die Generierung von Ökopunkten oder durch Biotoppflege ein zweites Standbein schaffen, dies scheint derzeit aber nur für Wenige interessant zu
sein.
Daher sollte das Flächensparen zukünftig mit noch größeren Anstrengungen verfolgt werden. Um
neuen Wohnraum und Gewerbeflächen zu schaffen, sollten daher auch in Lahr möglichst zunächst
alle bereits bestehenden und innerörtlichen Potentiale (Baulücken, Leerstände, Umnutzungen)
genutzt werden. Bauprojekte sollten noch konsequenter in Hinsicht auf den erforderlichen Standort
und die Flächeneffizienz optimiert werden.
Auch flächensparendes Bauen, z.B. durch mehrstöckige Gewerbebauten sowie Tiefgaragen und
Parkhäuser statt großflächiger Stellplätze, sollte beharrlich eingefordert werden. Zusätzlich sollte der
Gesetzgeber die Kommunen mit mehr Instrumenten für die Mobilisierung von Innenpotentialen unterstützen, z.B. mit einem veränderten Bodenwertmodell bei der Grundsteuer.
Sollte neue landwirtschaftliche Fläche durch Bauvorhaben in Anspruch genommen werden, so muss
mitbeachtet werden, dass mögliche Artenschutzmaßnahmen, z.B. bei Vorkommen von streng geschützten Vögeln der Feldflur wie Feldlerche oder Kiebitz, i.d.R. ebenfalls zwingend wieder auf landwirtschaftlicher Fläche im nahegelegenen Umfeld durchgeführt werden müssen. Dies ergibt sich aus
den rechtlichen Vorgaben und den Anforderungen der geschützten Arten. Eine Abwägung bzw.
“Weg“wägung, eine Vorratshaltung von Artenschutz-Maßnahmen oder auch ein Äquivalent-Ausgleich
durch Ökopunkte ist hier nicht möglich.
Für den Zweck der Eingriffskompensation sollte hochwertige landwirtschaftliche Fläche nur noch in
gut begründeten Ausnahmefällen mit hoher ökologischer Wirkung herangezogen werden (siehe unten). Es gibt nach unserer Einschätzung auch in der Gemarkung Lahr noch genügend Alternativen
und Potentiale für Kompensationsmaßnahmen, die außerhalb dieser Bereiche durchgeführt werden
können.
6. Potentiale für weitere vorgezogene naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen /
Ökokontomaßnahmen
Wenn die Möglichkeit genutzt werden soll, zunächst nicht benötigte Ökokontomaßnahmen verkaufen
zu können, so sollten diese Maßnahmen die Anforderungen der Ökokonto-Verordnung erfüllen.
Diese Anforderungen sind folgende:
- Die Maßnahme muss einem landschaftsplanerischen Konzept entsprechen, z.B. Landschaftsplan, Biotopvernetzungskonzept, FFH-Managementplan, o.Ä.
- Für flächige Maßnahmen: Mindestgröße 2.000 qm, min. 10.000 ÖP
- keine reine Flächensicherung oder Pflege einer wertvollen Fläche, es muss eine aktive Aufwertung der Fläche erfolgen
- eine Co-Finanzierung mit Fördermaßnahmen geht nur, wenn das Förderprogramm die Anrechnung des Eigenanteils als Ökokontomaßnahme explizit erlaubt
- Anerkennung durch die Untere Naturschutzbehörde ist vorab erforderlich

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- Ortsnahe Kompensation in der Nähe des Eingriffs:
Am Ort des Eingriffes sind nach wie vor Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von Beeinträchtigungen durchzuführen, z.B. Randeingrünungen. Es gilt, die Lebensqualität im Wohnumfeld zu
sichern. Jedoch sollte auf zu stark vereinzelte kleinteilige Maßnahmenflächen und zu viele Festlegungen auf Privatflächen aufgrund der begrenzten Wirkung und der schwierigen Durchsetzbarkeit
eher verzichtet werden. So kann beispielsweise auch ein kleiner Quartierspark anstelle von Straßenbäumen in beengten Wohnstraßen angezeigt sein.
- Maßnahmen an Fließgewässern
Bei der Wiederherstellung der Durchgängigkeit von Gewässern (z.B. durch Abbau von Wehren) kann
bei Inanspruchnahme von wenig Flächen eine hohe ökologische Wirkung erzielt werden. Gleiches gilt
für Gewässerrenaturierungen. Denkbar sind hier z.B. die Aufwertung der Schutter zwischen Lahr und
Hugsweier (mit Förderung, wird aktuell noch geprüft), oder Aufwertungen an FFH-Gewässern (Neugraben, Scheidgraben, Unditz, Muserebach).
- Anlage von Gewässerrandstreifen:
Für den Erwerb von Gewässerrandstreifen wurde den Kommunen ein Vorkaufsrecht durch das Wassergesetz eingeräumt. Laut Gesetz gelten im Außenbereich der Uferbereich in 10 Metern Breite, im
Innenbereich mit 5 Metern Breite als Gewässerrandstreifen. Per Rechtsverordnung hat die Stadt Lahr
auch im Innenbereich an der Schutter den Gewässerrandstreifen auf 10 Meter Breite festgesetzt, das
hier vorhandene Vorkaufsrecht für das Land (als Träger der Unterhaltungslast) wird leider jedoch
nicht konsequent ausgeübt. Ein extensiv genutzter, z.B. durch Hochstauden bewachsener Gewässerrandstreifen hat vielfältige positive Wirkungen auf den Naturhaushalt (z.B. Pufferung des Schadstoffeintrags in das Gewässer, Aufbau von zusammenhängenden Biotopvernetzungslinien entlang der
Gewässer, Schaffung zusätzlicher und vielfältiger Biotopstrukturen). Der Flächenerwerb ist hier i.d.R.
auf max. 10 m Breite begrenzt und zerschneidet keine landwirtschaftlichen Flächen. Der Gewässerrandstreifen ist aufgrund der Vorgaben des Wassergesetzes für die Landwirte ohnedies nicht voll
nutzbar. Ab dem 1.1.2019 ist im Bereich von 5 Metern an Gewässern im Außenbereich die ackerbauliche Nutzung (mit wenigen Ausnahmen, z.B. Blühstreifen) und der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln verboten. Daher überwiegen hier die positiven Wirkungen der Nutzung als Kompensationsfläche die negativen Wirkungen des Flächenentzugs für die Landwirtschaft.
- Umsetzung freiwilliger Maßnahmen aus den Managementplänen der Natura 2000 – (FFH-)
Gebiete
Die FFH-Managementpläne zu den beiden Natura2000-Gebieten in Lahr geben viele noch sehr aktuelle Hinweise zu freiwilligen Aufwertungsmaßnahmen, die für das Ökokonto angerechnet werden
können. Beispiele sind z.B. die Wiederherstellung extensiver Mähwiesen am Dammenberg in Sulz
oder die Anlage von Kleingewässern für die Gelbbauchunke im Wald. Die FFH-Managementpläne
geben auch wertvolle und belastbare Hinweise auf die Vorkommen von seltenen und wertgebenden
Arten. (siehe unten)
- Umsetzung des Böschungspflegeprogramms Vorbergzone:
Im Rahmen des Projektes „Böschungspflegemanagement mit integriertem Feuereinsatz im Breisgau“
hat der Landschaftserhaltungsverband Emmendingen e.V. im Jahr 2008 ein Pflege- und Entwicklungskonzept für die Böschungen im Breisgau (Ortenaukreis) erstellt. Viele Böschungen in der Vorbergzone werden oft nicht mehr gepflegt, so dass sie zunehmend verbuschen. Das Konzept zeigt
geeignete und aufwertungsfähige Typen von Böschungsflächen sowie neben dem Feuereinsatz weitere Pflegemaßnahmen auf. Die Pflege der Böschungen hat neben der Schonung wertvollerer landwirtschaftlicher Fläche in der Ebene die weiteren Vorteile, dass mit besonnten und extensiv gepflegten Böschungen wertvolle Lebensraumstrukturen entstehen, dass eine attraktive und vielseitige Kulturlandschaft erhalten wird und dass gleichzeitig eine zunehmende Beschattung der terrassierten
Kultur- und Rebflächen unterbleibt. Um Ökopunkte zu gewinnen, müssen innerhalb dieser Gebietskulisse konkrete Flächen benannt und Pflegemaßnahmen durchgeführt werden.

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- Maßnahmen im Wald
Ökokonto-Maßnahmen im Wald werden inzwischen von immer mehr Kommunen in der Oberrheinebene durchgeführt. Hierbei gibt es mehrere Möglichkeiten:
Bei der Durchführung eines Alt- und Totholzkonzeptes müssen Teilbereiche stillgelegt, d.h. aus der
Nutzung genommen werden. Neben zahlreichen kleineren Habitatbaumgruppen sind größere Waldrefugien auszuweisen. Je ha Waldrefugium können 40.000 Ökopunkte angerechnet werden. Als Kosten muss dem städtischen Forst hierbei der Ertragsausfall erstattet werden. Aufgrund des Wegfalls
von regelmäßigen Pflegekosten wird einem solchen Konzept ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis
nachgesagt, dies muss jedoch während der genauen Umsetzung geprüft werden.
Weitere Möglichkeiten, um Waldbereiche aufzuwerten, sind z.B. die Entwicklung von ökologisch
hochwertigen und naturnahen Waldtypen, wie z.B. naturnahen Bruch-, Sumpf- und Auewäldern, naturnahen Eichenwäldern, die Wiederaufnahme historischer Bewirtschaftungsformen (Nieder-, Huteoder Mittelwald), die Umwandlung naturferner Gehölzbestände oder die Entwicklung strukturreicher
Waldränder. Gelingt es dabei zusätzlich, besonders seltene, ökokontorelevante Arten anzusiedeln,
z.B. Heldbock, können erhebliche Zusatzpunkte angerechnet werden. Auch die Anlage von Kleingewässern für die Gelbbauchunke oder die Freilegung von Felsbiotopen kann im Wald durchgeführt
werden.
- Ansiedlung von Populationen geschützter Arten
Maßnahmen zur gezielten Ansiedlung von neuen Populationen einer geschützten Art, die in der Ökokontoverordnung genannt ist, werden ebenfalls mit Ökopunkten belohnt. Die Durchführung der Maßnahme selbst wird mit 20 % der erreichbaren Ökopunkte bewertet. Voraussetzung ist, dass ein aktuelles Vorkommen der Art im Umfeld vorliegt, von dem aus die neuen Flächen besiedelt werden können. Potentiale liegen in Lahr für Kiebitz, Wendehals, Braunkehlchen, Dunkler und Heller Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling und Heldbock vor, allerdings mangelt es häufig an belastbaren Informationen
zu deren aktuellen Vorkommen.
- Aufwertungsmaßnahmen in geschützten Biotopen
Diese sind denkbar, wenn die Maßnahme über die reine Erhaltung des Ausgangszustands hinausgeht und eine deutliche freiwillige Aufwertung darstellt, z.B. die Ausdehnung einer Feuchtwiese, stärkere Wiedervernässungsmaßnahmen oder Beseitigung einer Störwirkung.
- Multifunktionale Überlagerung von Ausgleichsfunktionen, z.B. naturnahe Gestaltung von Retentionsflächen, Naturschutzflächen mit CEF-Maßnahmen
Wenn Wasserrückhaltebecken oder Retentionsflächen gleichzeitig als Biotop gestaltet werden können, tritt ein Mehrfachnutzen von einzelnen Flächen ein. Auch das Landschaftsbild kann hierdurch
gewinnen. Bereits mehrfach wurden bislang bestehende naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen
durch artenschutzrechtliche CEF-Maßnahmen überlagert, z.B. durch Zusatzmaßnahmen zur Ansiedlung besonderer Vogel- oder Schmetterlingsarten.
- Potentiale zum Bodenausgleich
Die Potentiale zum Ausgleich innerhalb des Schutzguts Boden müssen weiterhin intensiv geprüft
werden, z.B. Entsiegelungsmaßnahmen oder Maßnahmen zum Erosionsschutz (hier sind ev. Überlagerungen mit Maßnahmen zur Starkregenprävention möglich).
- Maßnahmen zur Biotopvernetzung:
In Lahr liegen übergeordnete Biotopvernetzungslinien zum einen entlang von Gewässern in NordSüd-Richtung, um Arten großräumig die Wanderung in klimatisch passendere Gegenden zu ermöglichen. Zudem empfiehlt das Biotopvernetzungskonzept des Landes im Bereich Langenwinkel / Kippenheimweiler in West-Ost-Richtung einen Wildtierkorridor, der waldgebundenen Arten wie z.B. der
Wildkatze, die Wanderung zwischen Waldkomplexen der Rheinebene sowie dem Schwarzwaldrand
ermöglichen soll. Darüber hinaus kann ein kleinräumiges Netz in der Feldflur zur Vernetzung von geschützten Biotopen z.B. mittels einiger sorgfältig ausgewählter Trittsteinbiotope oder mittels der sogenannten produktionsintegrierten Kompensation (piK) realisiert werden. Hierbei behält der

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Landwirt seine Flächen und wird nach vertraglicher Abstimmung für Blühstreifen, Lerchenfenster oder
ähnliche Maßnahmen entlohnt. Hierzu gibt es allerdings bislang noch wenig praktische Erfahrung, die
Umsetzung erscheint schwierig und relativ teuer und bislang finden sich nur wenige Landwirte hierzu
bereit. Zudem sind Blühstreifen und Lerchenfenster in Maisanbaugebieten weit weniger wirksam und
flächeneffizient als in Getreideanbaugebieten.
- Zukauf von Maßnahmen
Ökopunkte können von Dritten innerhalb des eigenen Naturraums angekauft werden. Die
Flächenagentur Baden-Württemberg ist hierbei der Vermittler für Ökopunkte und Waldersatzmaßnahmen. Die Kosten pro Ökopunkt werden hierbei durch Angebot und Nachfrage geregelt, sie liegen
i.d.R. zwischen 0,25 € und 1 € je Ökopunkt.
7. Kosten und Refinanzierbarkeit
Die „Satzung der Stadt Lahr zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen für naturschutzrechtliche
Ausgleichsmaßnahmen nach §§ 135a – 135c Baugesetzbuch (BauGB)“ wurde 1988 auf Grundlage
einer Mustersatzung des Städtetags Baden-Württemberg vom Gemeinderat beschlossen. Sie sieht
vor, dass max. 5 Jahre der Pflege für alle Typen von Ausgleichsflächen in die Refinanzierung eingerechnet werden können. Die darüber hinausgehenden dauerhaften Pflegekosten trägt die Stadt Lahr
alleine. Diese Maßgabe wird aus Gründen der Gleichbehandlung bislang auch bei allen privaten Bauträgern praktiziert, bei denen die Stadt Lahr mit städtischen Ausgleichsflächen aushilft.
Viele der Lahrer Ausgleichsmaßnahmen wurden noch nach verbal-argumentativen Methoden festgelegt. Hierfür wurde größtenteils noch keine Umrechnung in Ökopunkte durchgeführt. Für die neueren
Maßnahmen liegt zwar i.d.R. der Ökopunkte-Wert vor, jedoch ist die 5-jährige Pflege oft noch nicht
abgeschlossen und die refinanzierbaren Gesamtkosten stehen noch nicht fest. Daher lässt sich derzeit noch kein Durchschnittswert oder eine Preisspanne für die Herstellung von „einem Lahrer Ökopunkt“ angeben. Zudem müssten hier ja auch die Kosten der Dauerpflege und -unterhaltung, die bei
der Stadt Lahr verbleiben und nicht refinanziert werden können, berücksichtigt werden.
Die Preisspanne für Ökokonto-Maßnahmen liegt nach den Erfahrungen der Flächenagentur BadenWürttemberg beim Verkauf in der Oberrheinebene zwischen 0,60 € 0,80 € je Ökopunkt.
Die Ökokontoverordnung beinhaltet für „kleinflächige Maßnahmen mit großer Flächenwirkung“ einen
Herstellungskostenansatz, d.h. dass je 1 Euro Maßnahmenkosten 4 Ökopunkte angerechnet werden.
Dies ist jedoch nur für die Wiederherstellung von Gewässerdurchgängigkeit, z.B. Bau von Fischtreppen oder für Renaturierungsmaßnahmen an Fließgewässern, anwendbar.
Ist ein monetäres Ökokonto möglich?
Die reine Erhebung von Ersatzzahlungen statt der Auferlegung von Ausgleichsmaßnahmen wird oft
auch aus Gründen der Gleichbehandlung gewünscht. Dies ist jedoch rechtlich nicht möglich. Die jeweils erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen müssen zur Refinanzierung im Bebauungsplan den geplanten Eingriffen konkret und flächenbezogen zugeordnet werden (§§ 5 und 9 BauGB). Es ist
grundsätzlich nicht zulässig, nur einen Geldbetrag als Ausgleich festzulegen und im Nachhinein über
dessen Verwendung zu entscheiden.
Zum Ausgleich für Ausgleichsdefizite im Bereich Boden wurde in manchen Landkreisen schon die
Festlegung eines Ersatzgeldes praktiziert, im Ortenaukreis ist dies jedoch noch nicht üblich.
Eine Kostensenkung lässt sich in Hinsicht auf die Herstellung von Maßnahmen durch möglichst
großflächige und räumlich zusammenhängende Umsetzung von Ökokonto-Maßnahmen erzielen.
Hierdurch verteilen sich z.B. Kosten für Planung und Pflege besser. Bei der Flächenpflege ist zu prüfen, ob möglicherweise durch Verpachtung von Grünland oder Streuobst an Landwirte oder Nutzung
des Mahdguts durch Pferdehalter oder zur Energiegewinnung Einsparungen erzielt werden können.
Zu prüfen ist weiterhin eine interkommunale Kooperation: Indem sich Kommunen gegenseitig Ausgleichsmaßnahmen verkaufen, könnten sie längere Pflege in Rechnung stellen und refinanzieren.

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8. Fazit: Grundsätzliche Zielsetzungen und Empfehlungen
- Es gibt auf Lahrer Gemarkung noch zahlreiche Potentiale für ökologische Aufwertungsmaßnahmen.
Wir sollten diese nutzen und den Ausgleich für Eingriffe auf unserer Gemarkung auch möglichst
wieder auf unserer eigenen Gemarkung umsetzen. Dies kommt der Lebensqualität der Lahrer Bürger zugute.
- Die Vermeidung und Minimierung von Eingriffswirkungen muss verstärkt Beachtung finden, auch
weil hierdurch von vorneherein die Probleme bei der Mobilisierung von Kompensationsflächen vermindert werden können. Insbesondere gilt dies für den Aspekt des Flächensparens und der Neuinanspruchnahme landwirtschaftlicher Fläche.
- Um die Prioritäten für Schwerpunkträume zu setzen und damit die Naturentwicklung auf unserer
Gemarkung gezielter gelenkt werden kann, muss als Teilgutachten zum Landschaftsplan ein Ausgleichsflächen- und Biotopvernetzungskonzept erarbeitet werden. Eine ideale Grundlage hierfür bietet die Erarbeitung eines Biodiversitätschecks. Dieses Planungsinstrument enthält im Unterschied
zu den bisherigen Biotopvernetzungskonzepten und der regulären Landschaftsplanung die aktuelle
Erfassung und Bewertung wertvoller Tier- und Pflanzenarten. Dies ist leider keine Standardleistung
bei der Erstellung des Landschaftsplanes mehr. Hierdurch können zum einen die besonderen Naturschutzpotentiale und Verantwortungen auf Lahrer Gemarkung erfasst werden, so dass zielgerichtetes
Agieren mit Weitblick und großer Effizienz ermöglicht wird. Zum anderen können umso leichter große
Konflikte von Bauprojekten mit dem Artenschutz vermieden oder gesteuert werden, je genauer der
Zustand der Flächen bekannt ist. Ein Biodiversitätscheck verschafft somit Planungs-, Investitionsund Rechtssicherheit.
Die Erfahrung anderer Gemeinden zeigt, dass jene Kommunen, die sich frühzeitig und vorausschauend auf Grundlage qualifizierter planerischer Überlegungen mit dem Thema Kompensation beschäftigen, weniger Probleme mit der Bewältigung der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung haben.
- Eine räumliche Bündelung, wo es fachlich sinnvoll ist, bewirkt auch Kostenminderung. Allerdings
müssen auch für den Biotopverbund Kernzonen durch kleinräumige Trittsteinbiotope verbunden werden, dies kann auch in der Feldflur erforderlich werden. Hierzu sind weitere Kooperationsmöglichkeiten mit Landwirten zu prüfen.
- Die Möglichkeiten der interkommunalen und regionalen Kooperation sollen weiter beobachtet werden, z.B. im Bereich Gewässerentwicklung (z.B. Maßnahmenhinweise aus dem Monitoring zur Wasserrahmenrichtlinie Schutter).
Die dargestellte Thematik betrifft viele Kommunen am Oberrhein in ähnlicher Weise. Aus diesem
Grund fanden zu diesem Thema bereits Veranstaltungen zum Erfahrungsaustausch durch den Regionalverband statt. Es besteht die Möglichkeit, dass der Regionalverband hier zukünftig stärker aktiv
wird, um die interkommunale und regionale Kooperation auf diesem Gebiet zu stärken und weitere
Orientierung zu bieten.

Tilman Petters

Richard Sottru