Beschlussvorlage (Neuregelung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft der juristischen Personen des öffentlichen Rechts - Stadt Lahr -)
Sitzung: Gemeinderat (9. Sitzung)
28. September 2020
28. September 2020
Beschlussvorlage Amt: 201 Bauer Datum: 27.07.2020 Az.: 20/201 Drucksache Nr.: 206/2020 Beratungsfolge Termin Beratung Kennung Abstimmung Haupt- und Personalausschuss 14.09.2020 vorberatend nichtöffentlich 14 JaStimme(n) 0 NeinStimme(n) 1 Enthaltung(en) Gemeinderat 28.09.2020 beschließend öffentlich Beteiligungsvermerke Amt Handzeichen Eingangsvermerke Oberbürgermeister Erster Bürgermeister Bürgermeister Haupt- und Personalamt Abt. 10/101 Kämmerei Rechts- und Ordnungsamt Betreff: Neuregelung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft der juristischen Personen des öffentlichen Rechts - Stadt Lahr - Beschlussvorschlag: Der Gemeinderat beschließt, unter Bezugnahme auf die Beschlussvorlage 288/2016, die Anwendung der alten Rechtslage gem. § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz a.F. bis zum 31.12.2021. Anlage(n): Anlage 0 BERATUNGSERGEBNIS Sitzungstag: Bearbeitungsvermerk Einstimmig lt. Beschlussvorschlag abweichender Beschluss (s. Anlage) mit Stimmenmehrheit Ja-Stimmen Nein-Stimmen Enthalt. Datum Handzeichen Drucksache 206/2020 Seite - 2 - Sachdarstellung: Unternehmereigenschaft (Änderung durch das neue Umsatzsteuerrecht) Die Neuregelungen im Umsatzsteuerrecht der juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) betrifft die Frage, ab wann die jPdöR mit der jeweiligen Tätigkeit Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird. Bis zum 01.01.2016 musste sich die Tätigkeit der Kommune nach deutschem Umsatzsteuerrecht hierfür u.a. wirtschaftlich aus den übrigen Tätigkeiten herausheben. Maßgebend hierfür war neben weiteren Voraussetzungen insbesondere, dass die (abgegrenzte) Tätigkeit der Kommune die Jahresumsatzschwelle von 30.678 € (ab 01.01.2015 auf 35.000 € erhöht) nachhaltig überschritten hat. Aufgrund des dann nach den Regelungen des Körperschaftsteuergesetzes vorliegenden Betriebs gewerblicher Art (BgA), kamen die Bestimmungen des UStG zur Anwendung. Nach den ab 01.01.2016 geltenden Regelungen im Umsatzsteuerrecht ist die jPdöR mit ihren Tätigkeiten (ab dem ersten Euro) immer Unternehmer im Sinne des UStG, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage handelt. Handelt die jPdöR auf öffentlich-rechtlicher Grundlage wird sie mit der jeweiligen Tätigkeit grundsätzlich nur dann Unternehmer, wenn die Tätigkeit im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern steht und es zu größeren Wettbewerbsverzerrungen durch die Nichtbesteuerung der Kommune kommen kann. Diese neue Rechtslage regelt u.a. § 2b UStG. Steuerpflicht der Tätigkeit (keine Änderung durch das neue Umsatzsteuerrecht) Ist nach altem oder neuem Umsatzsteuerrecht festgestellt, dass die jPdöR mit der jeweiligen Tätigkeit Unternehmer im Sinne des UStG ist, entscheidet sich nach den weiteren Bestimmungen des UStG (diese haben sich durch die Neuregelungen nicht geändert!) ob die Tätigkeit steuerpflichtig oder steuerfrei ist. Aktuell Im Jahr 2016 konnten die bisher bestehenden Regelungen zur umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand aufgrund einer Übergangsregelung weiterhin bis zum 31.12.2020 angewandt werden wenn die jPdöR dem Finanzamt gegenüber bis spätestens zum 31.12.2016 erklärte, dass sie die alte Rechtslage für sämtliche bis zum 01.01.2021 ausgeführten Leistungen weiterhin anwenden möchte. Die entsprechende Optionserklärung der Stadt Lahr ist am 24.11.2016 beim Finanzamt Lahr eingegangen. Grundlage hierfür war der Beschluss des Gemeinderates vom 21.11.2016 (Beschlussvorlage 288/2016) der lautete: „Der Gemeinderat nimmt die gesetzliche Neuregelung zur Unternehmereigenschaft für juristische Personen des öffentlichen Rechts zur Kenntnis. Der Gemeinderat beschließt, die Anwendung der alten Rechtslage gem. § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) bis zum 31.12.2020. Hierfür wird die Verwaltung ermächtigt, eine entsprechende Optionserklärung gegenüber dem Finanzamt abzugeben.“ Aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation, bedingt durch die Corona-Pandemie, hat der Bundesrat kürzlich beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 29.05.2020 verabschiedeten Gesetz über steuerliche Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) zuzustimmen. Teil des Corona-Steuerhilfegesetz ist, dass § 2 UStG in der vor dem 01.01.2016 geltenden Fassung auch für sämtliche Leistungen, die nach dem 31.12.2020 und vor dem 01.01.2023 ausgeführt werden gilt, wenn die jPdöR die bereits abgegebene Optionserklärung nicht widerruft. Drucksache 206/2020 Seite - 3 - Weiteres Vorgehen Die Verwaltung schlägt vor, dass die Stadt die alte Rechtslage vorerst bis zum 31.12.2021 anwendet. Darüber hinaus besteht zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit, durch einen weiteren Gemeinderatsbeschluss, die alte Rechtslage bis zum 31.12.2022 anzuwenden. Für die oben beschriebene Vorgehensweise sprechen aus Sicht der Verwaltung folgende Punkte: Bei der Auslegung der neuen Rechtslage (§ 2b UStG) bestehen derzeit noch erhebliche Unsicherheiten, da der Gesetzestext eine Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen enthält. Mittlerweile wurden mehrere BMF-Schreiben zur Anwendung des § 2b UStG veröffentlicht. Diese bringen allerdings nach Ansicht der Verwaltung keine größeren Klarheiten in Bezug auf die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 2b UStG. Die Initiative zur Klärung seitens des Bundesministerium der Finanzen (BMF) wurde sehr spät ergriffen, obwohl viele Auslegungs- und Abgrenzungsprobleme bereits frühzeitig von den nicht nur auf den kommunalen Bereich beschränkten Betroffenen an das BMF herangetragen worden sind und stets die elementare Bedeutung ihrer Beantwortung betont wurde. Die bis dato verfügbaren Auslegungs- und Anwendungshilfen zum § 2b UStG sind für eine rechtssichere Bewertung künftig steuerpflichtiger Sachverhalte nicht ausreichend. Einige kommunale Anwendungsfelder erfordern dringend eine verbindliche Klärung. Selbst wenn es den obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern gelingen würde, die dringlichsten der Auslegungs- und Abgrenzungsfragen bis Ende dieses Jahres zu klären, bräuchten die jPdöR noch ausreichend Vorlaufzeit, um die Antworten der Finanzverwaltung konkret umzusetzen. Es ist jedoch keine rechtzeitige Klärung der offenen Anwendungsfragen der Praxis bis zum Auslaufen der Übergangsfrist zum 31.12.2020 in Sicht. Zahlreiche Fragen zur Anwendung des § 2b UStG auf verschiedene Formen der interkommunalen Zusammenarbeit sind weiterhin ungeklärt. Viele Gestaltungsformen interkommunaler Zusammenarbeit, die bisher eine nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete gemeinsame Erledigung von kommunalen Aufgaben und die Zusammenführung von Einzel- und verwaltungsinternen Teilleistungen ermöglicht haben, müssen angesichts des künftigen Umsatzsteuerregimes auf den Prüfstand gestellt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass zahlreiche interkommunale Kooperationen aufzugeben sein werden, weil die bisherigen Synergieeffekte durch eine drohende Umsatzbesteuerung nivelliert, wenn nicht sogar aufgehoben werden. Um dem entgegenzuwirken erfordert es in vielen Bereichen der interkommunalen Zusammenarbeit nicht nur kostenintensive steuerrechtliche Beratung durch Dritte, sondern in vielen Fällen auch eine weitreichende Umgestaltung und Neuorganisation der kommunalen Aufgabenverteilung. Derartige Maßnahmen bedürfen oft eines erheblichen zeitlichen Vorlaufs, da ihnen langfristige Verfahren wie z.B. die Planung und Änderung von Satzungen oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen vorausgehen müssen. Sie können jedoch erst dann vorgenommen werden, wenn hinreichende Klarheit über die umsatzsteuerrechtliche Einordnung der zugrundeliegenden Sachverhalte besteht. Die Verwaltung bittet aus den o.g. Gründen um Zustimmung, die alte Rechtslage gem. § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz a.F. bis zum 31.12.2021 anzuwenden. ____________________ Markus Ibert Oberbürgermeister ____________________ Jürgen Trampert Stadtkämmerer