Beschlussvorlage (Erdgasausschreibung für die Lieferjahre 2024ff.)
17. Juli 2023
Beschlussvorlage Federführende Stelle: 603 Sachbearbeitung: Martinelli Drucksache Nr.: 146/2023 Az.: 60/603GM-Ka/Ma An der Vorlagenerstellung beteiligte Stellen 622 Beratungsfolge Termin Beratung Kennung Gemeinderat 17.07.2023 beschließend öffentlich Abstimmung Betreff: Erdgasausschreibung für die Lieferjahre 2024ff. Beschlussvorschlag: Der Gemeinderat der Stadt Lahr ermächtigt den Oberbürgermeister, den Zuschlag an den im Vergabeverfahren ermittelten, wirtschaftlichsten Bieter zu erteilen und entsprechend den vereinbarten Vertragsbedingungen die Bestellaufträge zum Erdgaseinkauf bzw. zur Preisfixierung an der Börse auszulösen. Über das Ausschreibungsergebnis wird der Gemeinderat nachträglich informiert. Zusammenfassende Begründung: Aufgrund der von den Stadtwerken Bad Kissingen ausgesprochenen Kündigung des Erdgasliefervertrags zum 31.12.2023 ist eine neue Vergabe der Lieferleistung erforderlich. Drucksache 146/2023 Seite 2 Sachdarstellung Aktuelle Situation und Handlungsnotwendigkeit: Am 24.03.2023 ging bei der Stadt Lahr die fristgerechte Kündigung des bisherigen Versorgers ein. Somit endet der eigentlich auf vier Jahre ausgelegte Vertrag bereits nach Ablauf der Mindestlaufzeit zum 31.12.2023. Bei einem geschätzten Auftragswert von ca. 1,4 Mio. €/Jahr ist eine erneute Ausschreibung notwendig. Zielsetzung: Abschluss eines neuen Rahmenvertrags mit dem wirtschaftlichsten Bieter. Es wird eine feste Vertragslaufzeit von zwei Jahren mit zweimaliger Verlängerungsoption um jeweils ein Jahr angestrebt. Maßnahmen: Durchführung des Vergabeverfahrens unter fachlicher Begleitung des Ingenieurbüros für Energiewirtschaft und -technik Specht. Erwartete finanzielle und personelle Auswirkungen: ☐ Die Maßnahme hat keine finanziellen oder personellen (i.S.v. Personalmehrbedarf) Auswirkungen ☒ Die finanziellen/personellen Auswirkungen können aufgrund ihrer Komplexität nicht sinnvoll in der Übersichtstabelle dargestellt werden und sind daher in der Sachdarstellung oder als Anlage beigefügt ☐ Die einmaligen (Investitions-)Kosten betragen weniger als 50.000 EUR und die dauerhaft entstehenden Folgekosten inklusive der Personalmehrkosten betragen jährlich weniger als 20.000 EUR ☒ Die einmaligen (Investitions-)Kosten betragen mehr als 50.000 Euro und/oder die dauerhaft entstehenden Folgekosten inklusive der Personalmehrkosten betragen jährlich mehr als 20.000 Euro Einmalige (Investitions-)Kosten 2022 2023 2024 2025 2026 ff. in EUR Aufwand / Einmalig verminderter Ertrag / Investition / Auszahlung Ertrag / Einmalig verminderter Aufwand / Zuschüsse / Drittmittel (ohne Kredite) SALDO: Überschuss (+) / Fehlbetrag (-) Jährliche Folgekosten Aufwand (inkl. dauerhafter Personalmehrkosten) / Verminderung von Ertrag Ertrag / Verminderung von Aufwand Jährlich ab Inbetriebnahme / nach Abschluss der Maßnahme in EUR - Rechnungsergebnis 2022: 511.751 € (Durchschnittspreis rd. 6 Ct/kWh - Kostenschätzung Lieferjahr 2024 auf Basis der Verbrauchswerte von 2022: 1.380.000 € (Durchschnittspreis rd. 16 Ct/kWh. - Kostenschätzung Lieferjahr 2025 auf Basis der Verbrauchswerte von 2022: 1.300.000 € (Durchschnittspreis rd. 15 Ct/kWh. Anm.: eine evtl. Verlängerung der Energiepreisbremsen ist noch nicht beschlossen. Drucksache 146/2023 Seite 3 SALDO: Überschuss (+) / Fehlbetrag (-) Davon: Dauerhafter Personalmehrbedarf Stellenbezeichnung, Umfang Entgelt-/ Besoldungsgruppe Jährlicher Arbeitgeberaufwand (Lohn- und Nebenkosten) in EUR 1. 2. SUMME Finanzierung: Ist die Maßnahme im Haushaltsplan berücksichtigt? ☐Ja, mit den angegebenen Kosten ☐Ja, mit abweichenden Kosten ☐Nein Ist die Maßnahme in der mittelfristigen Planung berücksichtigt? ☐Ja, mit den angegebenen Kosten ☐Ja, mit abweichenden Kosten ☐Nein Begründung: Zum 01.01.2024 ist der Auftrag zur Belieferung der städtischen Abnahmestellen (inkl. des Spitals Wohnen und Pflege sowie des Bau- und Gartenbetriebs Lahr) mit Erdgas neu zu vergeben. Inmitten der Energiekrise hat die Stadt Lahr die Kündigung des bestehenden Versorgungsvertrages erhalten, weshalb eine zielgerichtete und marktgerechte Nachversorgung der Verbrauchsstellen sichergestellt werden muss. Derzeit werden 60 Verbrauchsstellen der Stadtverwaltung mit Erdgas versorgt. Hinzu kommen zwei Abnahmestellen des Spitals - Wohnen und Pflege in der Bismarckstr. 9 sowie die Entnahmestelle des Bau- und Gartenbetriebs Lahr in der Gutleustr. 23. Im Jahr 2022 lag der Verbrauch bei insgesamt knapp 9 Mio. kWh. Die ohnehin schon anspruchsvollen Vergabeverfahren zur Energieversorgung sind aufgrund des Ukraine-Krieges und der damit einhergehenden Konsequenzen mit all ihren Einflussfaktoren auf den Beschaffungsmarkt noch weitaus komplexer geworden. Ohnehin befindet sich der Energiemarkt aufgrund der Klimaschutzziele im Umbruch. Die Preise an der Erdgasbörse sind derart volatil, dass innerhalb eines Tages und sogar Stunden hohe Preisschwankungen zu beobachten sind. Die immer noch herrschende, augenblickliche Situation auf dem Energiemarkt ist hoch dynamisch und stellt insbesondere öffentliche Auftraggeber vor Herausforderungen, da einerseits tagesaktuelle und schnelle Handlungsfähigkeit geboten ist, andererseits die Fristen des Vergaberechts und darüber hinaus ggf. noch hausinterne Entscheidungsfindungsprozesse beachtet und eingehalten werden müssen. Um die Zusammenhänge besser verstehen zu können, wird im Folgenden die Problematik auch aus Sicht des Auftragnehmers dargestellt. Denn nur wenn es gelingt, die unkalkulierbaren Risiken nicht allein dem Versorger aufzubürden, können die nachfragenden Auftraggeber und damit auch die Stadt Lahr derzeit am Markt Angebotsabgaben erwarten. Neben den höheren Preisen haben sich die Lieferanten v.a. auch mit der hohen Volatilität dieser auseinanderzusetzen. Die Letztverbraucher wie die Stadt Lahr kaufen mit den Abnahmestellen sog. Lastprofile, welche sie in der Zukunft benötigen. Die Lastprofile geben an, welches standardisierte Abnahmeverhalten eine Verbrauchsstelle erwarten lässt. Die Lieferanten wiederum sind nach Abschluss der Energielieferverträge verpflichtet, diese Verbrauchsstellen ¼- bzw. stundengenau mit der notwendigen Energie zu versorgen. Beim Einkauf dieser Terminmarktmengen an der Börse orientiert sich der Lieferant an diesen Lastprofilen. Die Abweichungen von den beschafften Mengen zum realen Verbrauch (=tatsächlichem Abnahmeverhalten der Verbrauchsstelle) beinhalten ein hohes finanzielles Wagnis für den Lieferanten. Zu viel eingekaufte Mengen müssen wieder am Markt verkauft werden, zu wenig gekaufte Mengen müssen nachgekauft werden – beides womöglich/sehr wahrscheinlich zu ganz anderen Preisen als beim ursprünglich festgelegten Beschaffungstermin. Drucksache 146/2023 Seite 4 Andere Risiken, die durch die Art der Preisbildung hervorgerufen werden, verstärken den Effekt (u.a. steigende Kosten im Zusammenhang mit der zu erbringenden Dienstleistung wie z.B. der Strukturierung). Die Lage wird sich wohl erst mittelfristig entspannen und einige Restriktionen werden wahrscheinlich bleiben. Deshalb müssen die Beschaffungsstrategien angepasst werden. Bisher war es so, dass die Preisbildung an der Börse vorab festgelegt wurde. Somit war der Börsenenergiepreis für alle Bieter gleich und jeder Ausschreibungsteilnehmer hat darauf seinen Preisaufschlag berechnet, der verschiedene Risiken und Kosten sowie die Handelsmarge/den Gewinnaufschlag abdeckt. Dies ist so nun nicht mehr möglich. Zum einen ist es dem Lieferanten aufgrund der hohen Volatilität nicht mehr unbedingt möglich, den Börsenpreis zu fixieren, den er dann später zur Abrechnung bringen muss (=Settlementpreis). Zum anderen kommen beim Kauf dann noch Kosten für die Strukturierung hinzu, die wiederum von den Energiekosten abhängig sind (und rund 20% betragen). Daher ist ein Angebot auf eine unbekannte und ungesicherte Preisnotierung in der Zukunft mit unwägbaren Risiken für den Bieter verbunden, die er angesichts der hohen und stark schwankenden Preise nicht greifen und daher auch nicht eingehen kann. Die Folge einer Ausschreibung im bisherigen Modell wären daher fehlende oder viel zu teure Angebotslegungen. Eine entsprechende Wahl der Verfahrensart sowie die Gestaltung der Vergabeunterlagen und Angebotsinhalte soll dazu führen, Unsicherheiten auszugleichen und somit den Bietern eine seriösere Angebotskalkulation zu erlauben. Dabei müssen einerseits die im Vergaberecht vorgegebenen Bindefristen gewahrt werden, andererseits die auf dem Energiemarkt tagesaktuell und sehr kurzfristig zu treffenden Entscheidungen ermöglicht werden. Aus diesen Gründen führt das Ingenieurbüro Specht derzeit nur „Verhandlungsverfahren“ und keine Offenen Verfahren mehr durch. Nach hausinterner Abstimmung haben sich die Vergabestelle und das Gebäudemanagement zum „Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb“ gemäß § 14 VgV entschieden. Das Rechnungsprüfungsamt war in den Sachverhalt miteinbezogen und ist mit dem Vorgehen einverstanden. Ergänzend hierzu wird die Stadt Lahr die beabsichtigte Vergabe freiwillig auf der Plattform der Deutschen eVergabe vorab veröffentlichen, damit potentielle Firmen ihr Interesse bekunden und sich am Verfahren beteiligen können. Um die Angebotsbindefrist und damit das Kalkulationsrisiko für die Auftragnehmer so gering wie möglich zu halten, ist eine reguläre Beschlussfassung über die Vergabe der Erdgaslieferung im Gemeinderat nicht möglich. Daher soll der Oberbürgermeister zu den Handlungsbefugnissen entsprechend dem Beschlussvorschlag ermächtigt werden. Tilman Petters Bürgermeister Silke Kabisch Abteilungsleitung Anlage(n): 2023_07_05 Anlage 0 Hinweis: Die Mitglieder des Gremiums werden gebeten, die Frage der Befangenheit selbst zu prüfen und dem Vorsitzenden das Ergebnis mitzuteilen. Ein befangenes Mitglied hat sich in der öffentlichen Sitzung in den Zuhörerbereich zu begeben und in der nichtöffentlichen Sitzung den Beratungsraum zu verlassen. Einzelheiten sind dem § 18 Abs. 1-5 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg zu entnehmen.