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Beschlussvorlage (Fachkräftemangel in Kitas – Konzept zu neuen Wegen)

                                    
                                        Beschlussvorlage
Amt: 50
Töpfer

Datum: 16.09.2019 Az.:

Drucksache Nr.: 249/2019

Beratungsfolge

Termin

Beratung

Kennung

Abstimmung

Ausschuss für Soziales, Schulen und
Sport

20.11.2019

vorberatend

nichtöffentlich

Haupt- und Personalausschuss

02.12.2019

vorberatend

nichtöffentlich

Gemeinderat

16.12.2019

beschließend

öffentlich

Beteiligungsvermerke
Amt
Handzeichen

102

Eingangsvermerke
Oberbürgermeister

Erster Bürgermeister

Bürgermeister

Haupt- und Personalamt
Abt. 10/101

Kämmerei

Rechts- und
Ordnungsamt

Betreff:

Fachkräftemangel in Kitas – Konzept zu neuen Wegen

Beschlussvorschlag:

Dem Konzept und dessen Umsetzung wird zugestimmt.

Anlagen:
Anlage 1_Inhalte der Qualifizierung
Anlage 2_Kriterien Ausnahmezulassung KiTaG

BERATUNGSERGEBNIS

Sitzungstag:

Bearbeitungsvermerk

 Einstimmig  lt. Beschlussvorschlag  abweichender Beschluss (s. Anlage)
 mit Stimmenmehrheit

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthalt.

Datum

Handzeichen

Drucksache 249/2019

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Sachdarstellung:
I.
Ausgangslage
Über den Fachkräftemangel in Kitas wird hinreichend auf allen Ebenen informiert und davor gewarnt, dass dieser sich künftig noch ausweiten wird. Neben der demografischen Entwicklung, die
allgemein zu einem Fachkräftemangel in ganz Deutschland führt, kommt in Lahr die Besonderheit
hinzu, dass die Kinderzahlen aktuell steigen und künftig in jedem Fall stabil bleiben werden. Darüber hinaus will das Kultusministerium an einer Vorverlegung des Einschulungstermins festhalten.
Aufgrund der stufenweisen Einführung der Vorverlegung des Einschulungsstichtages wird die
Stadt Lahr zunächst im ersten Jahr etwa 40, im folgenden Jahr etwa 80 und ab dem darauffolgenden Jahr dauerhaft 120 Kita-Plätze mehr benötigen. Die Änderung ist momentan im Schulgesetz noch nicht verankert, verunsichert aber durch die kurzfristig geplante Umsetzung zum Kindergarten- bzw. Schuljahr 2020/2021 bereits jetzt.
Auf Landes- bzw. Bundesebene ist die Thematik der fehlenden Erzieherinnen und Erzieher seit
vielen Jahren angekommen, der ganz große Wurf der Lösung lässt aber auf sich warten. Auch
durch das neue sog. Gute-Kita-Gesetz sind unserer Einschätzung nach keine bahnbrechenden
Besserungen in Sicht. Damit soll v.a. die Praxisintegrierte Ausbildung gestärkt werden, z.B.
dadurch, dass man Zuschüsse für zusätzliche Plätze erhält (verdoppelt man die Anzahl der PiAKräfte, erhält man z.B. 100 € pro Kraft als Zuschuss). In Lahr haben wir derzeit in städtischen
Kitas und Horten 11 PiA-Auszubildende vom 1. bis zum 3. Ausbildungsjahr1. Selbst wenn es gelingt, diese zu verdoppeln, ist in der Summe wenig gewonnen, da etwa die Hälfte der PiA-Azubis
sich durch ergänzende Ausbildungen und Studium weiterentwickeln möchte und damit nicht im
Berufsfeld verbleibt. Auch ist auf Grund der hohen Anforderungen die Abbrecherquote im 1. und
2. PiA-Ausbildungsjahr hoch.
Die Problematiken liegen unserer Meinung nach an anderer Stelle und bedürfen anderer Lösungen. Da die Landes- und Bundespolitik eher langsam voranschreitet, müssen wir uns auf kommunaler Ebene um praktische Lösungen bemühen. Denn wir sind es letztlich, die als Träger der
Kitas vor Ort die Herausforderungen tagtäglich vorfinden und damit arbeiten müssen.
Immer mehr pädagogische Fachkräfte klagen über eine Zunahme der Aufgaben, vor allem im
Sinne von Übernahme von Erziehungsaufgaben anstelle des Elternhauses (wie z. B. Sauberkeitserziehung, Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten, Bewegungsförderung, Ernährung und
Naturerfahrung sowie Regel- und Grenzsetzung). Eine hohe Anzahl an Kindern zeigt Sprachschwierigkeiten, Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensbesonderheiten und fehlendes Regelbewusstsein. Diese zusätzlichen Aufgaben sind mit einem Personalschlüssel zu leisten, der die Besonderheiten der veränderten Lebenssituationen nicht berücksichtigt. Die Fachkräfte sind durch
diese Situationen belastet und es zeigen sich dadurch krankheitsbedingte Ausfälle, die weitere
Folgen wie Überbelastung nach sich ziehen können.
Die Lahrer Kinder zeigen besonders hohe Bedarfe an Entwicklungs-, Sprach- und Bewegungsförderung. Dies machen Untersuchungen des Präventionsnetzwerkes Ortenaukreis (PNO), Einschulungsuntersuchungen und SETK-Sprachtests deutlich. Darüber hinaus nehmen die Zahlen im Bereich der Rückstellungen bei den Einschulungen und Kindeswohlgefährdungen nach Ansicht der
pädagogischen Fachkräfte und Statistiken des Jugendamtes zu.
Zusätzliche Probleme resultieren daraus, dass in einem überwiegend durch weibliche Arbeitnehmerinnen geprägten Arbeitsfeld weitere Faktoren eine stabile Personallage erschweren.

1

PiA-Azubis Stadt Lahr: 1. Ausbildungsjahr - 2, 2. Ausbildungsjahr – 5, 3. Ausbildungsjahr – 4,

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Dies sind:
a) Junge Fachkräfte, die sich weiterentwickeln und/oder selbst in die Familienplanung einsteigen
wollen.
b) Gesetzliche Veränderungen des Mutterschutzgesetzes, die ab dem Bekanntwerden der
Schwangerschaft in nahezu allen Fällen Beschäftigungsverbote notwendig machen. Dies führt
dazu, dass die Fachkräfte von einem Moment auf den nächsten ausfallen und Ersatzkräfte in
der Regel nicht oder zumindest nicht sofort zur Verfügung stehen. Unterjährig gelingt es erfahrungsgemäß selten neue Fachkräfte zu akquirieren.
c) Ältere Fachkräfte haben durch die stetig hohe Arbeitsbelastung ein erhöhtes Risiko von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie von
psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Erkrankungen und Ausfälle von mehr als
sechs Wochen, teilweise über mehrere Monate, nehmen zu.
Verschiedene bisherige Bemühungen wie der starke Fokus auf Ausbildung und Übernahme der
Auszubildenden, die Kooperation mit Fachschulen, annähernd dauerhafte Veröffentlichungen von
Stellenausschreibungen, Hospitationsangebote, Springerpool, flexible Arbeitsmodelle etc. zeigen
nur bedingt Erfolg und lösen das große Problem ebenfalls nicht. Die Entwicklung der Bedarfszahlen in den Kindertagesstätten mit der Zunahme von Kindern mit immer höheren Bedarfen im Bereich der Entwicklungs- und Gesundheitsförderung einerseits und sinkenden Fachkräftezahlen
andererseits ist besorgniserregend. Es ist nun an der Zeit, sich eigene Wege zu überlegen, um
künftig in den Kitas in Lahr arbeitsfähig bleiben zu können.
II.
Lösungsansätze – Vorgehen, Idee, Konzeption und Finanzierung
In verschiedenen Kontexten wurde das Thema Fachkräftemangel immer wieder diskutiert und besprochen. Die Patentlösung wurde bisher nicht gefunden, daher ist es wichtig, neue Ideen zu diskutieren und auszuprobieren. Diese müssen evaluiert, ggfs. modifiziert und anschließend bei Erfolg ausgeweitet werden. Dabei gab es zunächst keine Denkverbote.
Zur Entwicklung einer Grundkonzeption wurden vielfältige Gespräche mit dem Städtetag, der Politik, dem Personalamt, der Musikschule und den Kita-Leitungen geführt. In einer kleinen Arbeitsgruppe bestehend aus Frau Müller, Kita Kuhbach, Frau Grothe, Kita Schießrain, Frau Augsten,
Sachgebietsleitung und Frau Töpfer, Amtsleitung wurden die bestehenden Ideen auf Praktikabilität hin überprüft und detailliert ausgearbeitet.
Unserer Meinung nach lässt sich das Problem der fehlenden Fachkräfte v.a. dadurch kompensieren, dass man weitere Berufsgruppen für die Arbeit in den Kitas gewinnt. Ziel unserer Überlegungen ist es, diese für die Arbeit in Kitas zu interessieren und gewinnen sowie darüber hinaus anhaltend und auf den Personalschlüssel anrechenbar in den pädagogischen Betrieb zu integrieren.
Besonders interessant erscheinen uns hier Personen aus den Berufsgruppen der z. B. Physiotherapeut*innen, Krankenpfleger*innen, Logopäd*innen, Arzthelfer*innen, Sport- und Ernährungswissenschaftler*innen. Da viele dieser Personen bereits im Berufsleben stehen, muss ihnen von Beginn an eine ihrer Berufsausbildung angemessene und für sie adäquate Bezahlung zur Verfügung
stehen.
Möglich und TVöD-konform umsetzbar (TVöD SuE 4), wird eine solche angemessene Bezahlung
dieser „anderen Berufsgruppen“ durch eine jeweils zum 1. September eines Jahres (erstmals
2020) zeitlich befristete sachgrundlose 2-jährige Beschäftigung als Zusatzkraft in einer Kindertagesstätte.
Die Beschäftigung von Zusatzkräften ist für jeden Träger möglich, jedoch sind diese Personen
nicht als Fachkräfte auf den vorgegebenen Personalschlüssel anrechenbar. Die Einstellung als
Zusatzkraft muss daher neben der Entlastung für den allgemeinen Kita-Betrieb eine nachhaltige
Perspektive sowohl für diese Zusatzkräfte als auch für die Stadt Lahr ergeben.

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Diese Perspektive wird durch die parallele Teilnahme an einem Vorbereitungskurs zur Schulfremdenprüfung an der Merian-Schule Freiburg ermöglicht. Im Rahmen eines zweijährigen Kurses
werden hier Personen auf die pädagogisch Inhalte im Rahmen der Erzieher*innenausbildung vorbereitet. Anschließend erfolgt die schulische Prüfung, an deren Bestehen sich ein Anerkennungsjahr als Erzieherin in der Praxis anschließt. Im Rahmen dieses Anerkennungsjahres könnten die
oben erwähnten Zusatzkräfte erneut im Rahmen des Anerkennungsjahres und mit der Vergütung
als Zusatzkraft (TVöD SuE 4 befristet für die Dauer des Anerkennungsjahres) beschäftigt werden.
Eine Pflicht zur Einstellung nach TVPöD mit entsprechender geringerer Ausbildunsvergütung besteht nicht und ist mit der Merian-Schule bereits in einem Fall entsprechend TVöD SuE 4 und einer zusätzlichen Vereinbarung umgesetzt worden.
Bereits im Anerkennungsjahr als Erzieher*in sind die Beschäftigten als Fachkräfte entsprechend §
7 Kindertagesbetreuungsgesetz Baden-Württemberg (KiTaG BW) voll (zu 100%) auf den Personalschlüssel anrechenbar. Nach Erreichen des Abschlusses im Anerkennungsjahr, sind diese so
ausgebildeten Zusatzkräfte danach selbstverständlich als vollwertige Fachkräfte anerkannt.
III.
Voraussetzungen
Bei der Umsetzung gilt es auf einige Punkte zu achten. So muss einerseits gewährleistet sein,
dass Personen aus anderen Berufsgruppen, die über eine Ausbildung verfügen und oft schon im
Beruf stehen, beim Einsatz in der Kita von Beginn an ein adäquates Gehalt beziehen können. Andererseits darf der Wert der Pädagogik nicht gefährdet sein, wenn andere, nicht pädagogische
Fachkräfte in den Kita-Betrieb einsteigen.
Um diese Gradwanderung zu meistern wäre der Vorschlag, die neuen Mitarbeiter*innen in einer
zweiwöchigen Schulung über die Grundsätze des Kita-Alltages und der Pädagogik zu informieren.
Diese Grund-Qualifizierung2 könnte „Inhouse“ durch erfahrene und teils in der Lehre tätigen Leitungs- und Fachkräfte der städtischen Kitas erfolgen. Bereits ab dem ersten Tag beziehen die
Mitarbeiter gemäß Eingruppierung TVöD ihr Gehalt als Zusatzkraft entsprechend TVöD SuE 4.
Nach der Kompakt-Schulung starten sie in der Kita und werden dort gut und intensiv angeleitet.
Sie beginnen damit, in ihren Themenschwerpunkten Angebote für alle Kinder zu entwickeln und
diese durchzuführen. Begleitend finden Anleitungsgespräche statt und die Fortbildung zur Schulfremdenprüfung wird aufgenommen. Ziel ist, dass diese Personen parallel zu staatlich anerkannten Erzieher*innen ausgebildet werden.
IV.
Finanzierung
Da die beschriebenen weiteren Berufsgruppen bzw. Zusatzkräfte in den ersten beiden Jahren ihrer Tätigkeit nicht im Fachkräftekatalog des KVJS aufgenommen sind, können diese nicht auf den
Betreuungsschlüssel angerechnet werden und müssten zusätzlich als freiwillige Leistung der
Stadt Lahr finanziert werden. Deshalb sollten erstmals zum September 2020 mindestens zwei
Vollzeitstellen befristet für zwei Jahre geschaffen werden, um eine Erprobungsphase des neuen
Konzeptes zu ermöglichen. Zusätzlich werden aus dem Bereich der Spring- und Zusatzkräfte (bereits genehmigte Stellen für langfristige Krankheitsvertretungen und weitere Ausfälle) zwei weitere
Vollzeitstellen im Rahmen des Projektes „Fachkräftemangel in Kitas - Konzept zu neuen Wegen“
zur Verfügung gestellt. Über im Vorfeld definierte Erfolgsfaktoren soll der Nutzen des Projektes
überprüft werden können.
Die Akquise der weiteren Berufsgruppen bzw. Zusätzkräfte müsste idealerweise bereits zu Beginn
des Jahres 2020 erfolgen, da die Merian-Schule über die Aufnahme zur Berufsweiterqualifizierung
im Rahmen der Schulfremdenprüfung bereits im März des jeweiligen Schuljahres entscheidet und
das Projekt eng an die rechtlichen Rahmenbedingungen des TVöD, insbesondere im Zusammenhang mit den Befristungen, gebunden ist.
2

s. Anlage Qualifizierungen

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Wünschenswert, aus Sicht des Fachamtes, wäre eine höhere Zahl an Zusatzkräften mit denen
dieses Projekt erprobt werden könnte. Pro Zusatzkraft entstehen für die Stadt Lahr Personalkosten mit Arbeitgeberanteilen in Höhe von 46.990,67 Euro pro Jahr (das Jahresbruttogehalt für die
Zusatzkraft liegt bei 36.146,67 Euro, die über die Dauer von zwei Jahren zusätzlich getragen werden müssten, die jedoch auch dazu beitragen Ausfälle in Kita- und Horteinrichtungen und die Reduzierung von Öffnungszeiten gegenüber den Eltern der betreuten Kinder abzufedern. Das Bruttogehalt einer Zusatzkraft beträgt nach TVöD SuE 4 (Stufe 2) 2.825,04 Euro, das einer Erzieherin
liegt entsprechend TVöD SuE 8a (Stufe 2) bei 3.005,83 Euro.
V.
Evaluation und Roll-out
Nach zwei Jahren, mit Abschluss der Schulfremdenprüfung und nach drei Jahren mit Abschluss
des Anerkennungsjahres erfolgen Projekteilauswertungen bzw. Projektauswertungen. Parallel sollen die Erkenntnisse auf Landesebene über den Städtetag mit dem Ziel transportiert werden, dass
der Fachkräftekatalog angepasst und zusätzliche Qualifizierungsmöglichkeiten geschaffen werden, die es weiteren Berufsgruppen ermöglichen, den Beruf der/des Erzieher*in zu einem späteren Zeitpunkt im beruflichen Leben zu ergreifen. Ist das Projekt erfolgreich, kann es auf alle Kitas
in Lahr ausgeweitet werden.

Guido Schöneboom
Erster Bürgermeister

Senja Töpfer
Amtsleitung