Informationsvorlage (- Stellungnahme RA Prof. Dr. Heilshorn vom Mai 2020)
Sitzung: Technischer Ausschuss (7. Sitzung)
28. September 2020
28. September 2020
Sparwasser & Heilshorn Rechtsanwälte Partnerschaft mbB Sparwasser & Heilshorn Mozartstr. 48 79104 Freiburg Prof. Dr. Reinhard Sparwasser Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht Stadt Lahr Rathausplatz 4 Prof. Dr. Torsten Heilshorn Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht 77933 Lahr Dr. Darío Mock Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Markus Edelbluth Per Mail: henny.gauggel@lahr.de sabine.fink@lahr.de Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Peter Neusüß Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht Freiburg, den 27. Mai 2020 Az: 302/18 TH Lärmaktionsplan – Nachtfahrverbot in den Ortsdurchfahrten der B415 (Reichenbach/Kuhbach) Sehr geehrte Frau Fink, sehr geehrte Frau Gauggel, bezüglich Ihrer Anfrage zum weiteren möglichen Vorgehen: 1. Anforderungen an ein Nachtfahrverbot Wir haben uns bereits dazu ausgetauscht, dass die geplante Maßnahme die straßenverkehrsrechtlichen Anordnungsvoraussetzungen erfüllen und verhältnismäßig sein muss. a) Für das Bestehen einer „Gefahrenlage“ i.S.v. § 45 Abs. 9 S. 3 StVO sind grundsätzlich die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImschV) maßgeblich. Bei Überschreitung der dort vorgesehenen Immissionsgrenzwerte haben die Lärmbetroffenen regelmäßig einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über verkehrsbeschränkende Maßnahmen. Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.07.2018 – 10 S 2449/17, juris Rn. 33. SHP Mozartstraße 48 79104 Freiburg Telefon: 07 61/36 88 88-0 Telefax: 07 61/36 88 88-22 info@shp-rechtsanwaelte.de www.shp-rechtsanwaelte.de Raiffeisenbank Kaiserstuhl Konto: 21 43 56 00 BLZ: 680 634 79 IBAN: DE32 6806 3479 0021 4356 00 BIC: GENODE61VOK Steuer-Nr. 06373/43156 AG Freiburg PR 61 Sparwasser & Heilshorn, 27.05.2020 2 In diese Ermessenentscheidung ist auch einzustellen, ob Anwohner anderer Straßen über Gebühr belastet werden. b) Als Orientierungshilfe sind zudem die Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (LärmschutzRichtlinien-StV) heranzuziehen. Bei Überschreitung der dort vorgesehenen Orientierungswerte kann sich das Ermessen zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichten. Dazu BVerwG, Urt. v. 04.06.1986 – 7 C 76/84, juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.07.2018 – 10 S 2449/17, juris Rn. 33. Auch in diesem Falle setzt eine fehlerfreie Entscheidung jedoch voraus, dass die Belange des Straßenverkehrs und die Interessen anderer Anlieger berücksichtigt werden. Vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 01.06.2005 - 8 A 2350/04, juris Rn. 34: „Bei Lärmpegeln, die die in den LärmschutzRichtlinien-StV aufgeführten Richtwerte - in Mischgebieten 75 dB(A) tags/65 dB(A) nachts überschreiten, kann sich das Ermessen der Behörde zur Pflicht zum Einschreiten verdichten; eine Ermessensreduzierung auf Null ist aber auch dann nicht zwangsläufig gegeben“. c) Insgesamt kann die Verhältnismäßigkeit eines Durchfahrverbots sachgerecht daher nur bewertet werden, wenn insbesondere die Zusatzbelastung für sonstige Anwohner aufgrund eines Ausweichverkehrs bekannt ist. Gleiches gilt für etwaige wirtschaftliche Nachteile der vom Durchfahrverbot betroffenen Unternehmen und ähnliches (Anlieger- und Anlieferverkehr für Kuhbach und Reichenbach; Andienung der Gemeinde Seelbach; …). Die erzielbare Lärmentlastungswirkung für die betroffenen Anwohner an der B 415 muss gegen die sonstigen Folgen abgewogen werden. Bei einem Nachtfahrverbot wird es in jedem Falle zu Verlagerungswirkungen kommen. Fraglich ist daher, ob eine nähere Untersuchung der Verlagerungswirkungen und der damit verbundenen Erhöhung von Lärmbeeinträchtigungen für die Entscheidung der Stadt überhaupt aussagekräftig ist. Dies ist zu bejahen: Die schon jetzt belasteten Ausweichstrecken (B 33, B 3, L 102 und L 103) weisen unterschiedliche Vorbelastungen auf (dazu Erläuterungsbericht Fichtner vom 11.12.2019, S. 12). Dies führt zu bei Verkehrsverlagerungen zu unterschiedlichen Lärmerhöhungen und zu unterschiedlich hohen Emissionspegeln. So ist etwa die Erhöhung eines Emissionspegels von 48 dB(A) (L 103) Sparwasser & Heilshorn, 27.05.2020 3 anders zu beurteilen als die Erhöhung einer Vorbelastung von 61,5 dB(A) (B 33). Nur wenn ein Nachtfahrverbot in jedem Falle aufgrund der Verlagerungswirkungen unzulässig wäre, wäre eine nähere Untersuchung nicht zweckmäßig. Dies dürfte jedoch nicht der Fall sein, da die von Fichtner ermittelten Emissionspegel an der B 415 in Kuhbach und Reichenbach deutlich insbesondere über denjenigen an der L 103 liegen. Eine dortige Emissionserhöhung erscheint damit nicht von vornherein unverhältnismäßig. Von zentraler Bedeutung ist jedoch, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die bereits hohen Vorbelastungen an der B 33, B 3 und L 102 weiter erhöht würden. Auch die Auswirkungen an der L 103 können jedoch nicht ausgeklammert werden, insbesondere da der dortige Emissionspegel nach den überschlägigen Berechnungen von Fichtner nachts oberhalb der Werte der 16. BImSchV liegen würde (Erläuterungsbericht Fichtner vom 11.12.2019, S. 12). Möglicherweise wird die Festsetzung eines Nachtfahrverbots aufgrund der von Fichtner noch näher herauszuarbeiten Verlagerungswirkungen im Ergebnis nicht möglich sein. Der Ergebnisbericht Fichtner führt bereits aus, dass die Gesamtbilanz eines Durchfahrverbots aufgrund der Steigerungen an anderer Stelle eher „neutral“ ausfallen dürfte. In diesem Falle könnte ein Nachtfahrverbot ermessensfehlerhaft sein. Ohne diese Untersuchung und die Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Folgen wird ein Nachtfahrverbot jedoch in keinem Falle möglich sein. 2. Tempo 30 Maßstab für die Auswirkungen des Nachtfahrverbots dürfte die vorherige Anordnung eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h sein. Grundsätzlich ist für eine straßenverkehrliche Maßnahme zwar eine Pegelminderung von mindestens 3 dB(A) (aufgerundet ab 2,1 dB[A]) erforderlich. Dies gilt jedoch nicht oberhalb der Grenze zur Gesundheitsgefährdung. Z.B. Hessischer VGH, Urt. v. 19.02.2014 – 2 A 1465/13, juris Rn. 27. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h würde vorliegend zu einer Pegelminderung von „nur“ 1,2 dB(A) führen. Da aber Nachtwerte bis zu 65 dB(A) ermittelt wurden, bedarf es somit keiner Pegelminderung von mindestens 2,1 dB(A). Es dürfte auch keine belastbaren Ermessenserwägungen geben, auf eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung zu verzichten. Einer solchen Beschränkung stehen deutlich weniger Gründe entgegen als dem LKW-Fahrverbot, da insbesondere keine annähernd vergleichbaren Verlagerungseffekte entstehen wer- Sparwasser & Heilshorn, 27.05.2020 4 den. Eine befürchtete Erschwerung eines LKW-Nachtfahrverbots dürfte keinen entscheidenden Gesichtspunkt für die Ermessenserwägungen darstellen. 3. Ergebnis Die ermessensfehlerfreie Anordnung eines Nachtfahrverbots kann meines Erachtens nicht ohne weitere Untersuchungen erfolgen. Möglicherweise werden die Untersuchungen jedoch ergeben, dass ein Nachtfahrverbot aufgrund der Verlagerungswirkungen nicht zulässig ist. Wenn Sie vor diesem Hintergrund Zweifel haben, ob eine (aufwändige) Untersuchung zweckmäßig ist, könnte zunächst noch einmal das Gespräch mit dem Büro Fichtner gesucht werden, wie belastbar die vorläufig vermuteten Verlagerungswirkungen (vergleiche Erläuterungsbericht Fichtner, S. 12) voraussichtlich sind. Sollten diese aller Voraussicht nach belastbar sein, könnte versucht werden, auf dieser Grundlage eine vorläufige Ermessensentscheidung vorzunehmen und gegebenenfalls mit dem RP abzustimmen. Sollte im Ergebnis das Nachtfahrverbot angeordnet werden, wären dann aber aufgrund der obigen Ausführungen die ergänzenden Untersuchungen noch vorzunehmen, um dieses Ergebnis abzusichern. Mit Herrn Bürgermeister Petters hatte ich mich kürzlich noch dazu ausgetauscht, dass sich die Frage stellt, inwieweit bei den bisherigen Untersuchungen des Büros Fichtner die Besonderheiten der örtlichen Verkehrssituation berücksichtigt worden sind (Verkehrszusammensetzung, Leertransporte u.a.). Auch dies sollte noch einmal mit Fichtner erörtert werden - einschließlich der Frage, inwieweit die maßgeblichen Regelwerke eine Berücksichtigung dieser Besonderheiten erlauben. Ich bitte um Nachricht, ob Sie dies tun oder ich es übernehmen soll. Wir Rückfragen stehe ich natürlich gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen (Prof. Dr. Torsten Heilshorn) Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht