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Beschlussvorlage (Antrag der Fraktion Linke Liste Lahr & Tierschutzpartei zum Thema „Beendigung von Feuerwerk“)

                                    
                                        Beschlussvorlage
Amt: 30
Tilebein

Datum: 23.09.2020 Az.: 107.25

Drucksache Nr.: 260/2020

Beratungsfolge

Termin

Beratung

Kennung

Abstimmung

Haupt- und Personalausschuss

02.11.2020

vorberatend

nichtöffentlich

Ziffer 1.2: 8 Ja-Stimmen
7 Nein-Stimmen
Ziffer 1.3: 4 Ja-Stimmen
11 Nein-Stimmen

Gemeinderat

16.11.2020

beschließend

öffentlich

Beteiligungsvermerke
Amt
Handzeichen

602

302

303

Feuerwehr

Eingangsvermerke
Oberbürgermeister

Erster Bürgermeister

Bürgermeister

Haupt- und Personalamt
Abt. 10/101

Kämmerei

Rechts- und
Ordnungsamt

Betreff:

Antrag der Fraktion Linke Liste Lahr & Tierschutzpartei zum Thema „Beendigung von
Feuerwerk“

Beschlussvorschlag:

Zu den Ziffern 1.2 und 1.3 des Fraktionsantrages ergeht folgender abgeänderter Beschluss:
1.2 Der Gemeinderat appelliert an den Oberbürgermeister, die gesetzlichen
Vorgaben im Sprengstoffrecht im Rahmen der Zuständigkeit der Stadt
Lahr möglichst strikt anzuwenden.
1.3 Die Stadtverwaltung möge eine Karte erstellen, die aufzeigt, wo es im
Stadtgebiet durch das Abbrennen von Feuerwerk zur Gefährdung von
Menschen, Tieren und Sachgütern kommen kann.
Der Gemeinderat nimmt die Darstellungen zur Kenntnis.

Anlage(n):
Konkretisierung des Fraktionsantrages
Rechtsgutachten Kanzlei Geulen&Klinger
Städtische Karte Denkmale Innenstadt
Anlage 0

BERATUNGSERGEBNIS

Sitzungstag:

Bearbeitungsvermerk

 Einstimmig  lt. Beschlussvorschlag  abweichender Beschluss (s. Anlage)
 mit Stimmenmehrheit

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthalt.

Datum

Handzeichen

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Sachdarstellung:
In der Gemeinderatssitzung vom 11.05.2020 stellte die Fraktion Linke Liste Lahr & Tierschutzpartei folgende Beschlüsse zur Abstimmung:
1.1 Die Stadt möge als positives Beispiel vorangehen und auf eigene Feuerwerke verzichten.
Bei Bedarf sind alternative Veranstaltungen wie Licht-Shows oder Musik-Events denkbar.
1.2 Die bestehenden gesetzlichen Vorgaben sind strikt anzuwenden. Sie erlauben keine Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier. Sach- und Umweltschäden sind zu vermeiden.
1.3 Die Stadtverwaltung möge eine Karte erstellen, die aufzeigt, wo es im Stadtgebiet durch
das Abbrennen von Feuerwerk zur Gefährdung von Menschen, Tieren und Sachgütern
kommen kann.
Mit Beschluss des Gemeinderates vom 11.5.2020 hat die Stadt Lahr selbst auf die Verwendung von Feuerwerk verzichtet. Die Beschlussvorschläge Nr. 1.2 und 1.3 wurden zur weiteren Beratung in die Ausschüsse verwiesen.
Der zulässige abgewandelte Beschlussvorschlag könnte insofern lauten:
1.2 Der Gemeinderat appelliert an den Oberbürgermeister, die gesetzlichen Vorgaben im
Sprengstoffrecht im Rahmen der Zuständigkeit der Stadt Lahr möglichst strikt anzuwenden.
1.3 Die Stadtverwaltung möge eine Karte erstellen, die aufzeigt, wo es im Stadtgebiet durch
das Abbrennen von Feuerwerk zur Gefährdung von Menschen, Tieren und Sachgütern
kommen kann.

Grundsätzliches:
Die kommunalen Aufgaben im Sprengstoffrecht fallen als Pflichtaufgabe nach Weisung in die
Zuständigkeit des Oberbürgermeisters. Hierzu kann Folgendes berichtet werden:
Pyrotechnische Gegenstände der Kategorie 2 (Feuerwerk) dürfen in der Zeit vom 2. Januar
bis 30. Dezember nur durch Inhaber einer Erlaubnis nach § 7 oder § 27 des Sprengstoffgesetzes (SprengG), eines Befähigungsscheines nach § 20 des SprengG oder einer Ausnahmebewilligung nach § 24 Abs. der 1. Sprengstoffverordnung (zukünftig SprengV) abgebrannt
werden gemäß § 23 Abs. 2 1.SprengV.
Privatpersonen dürfen ohne Ausnahmebewilligung im Zeitraum 2. Januar bis 30. Dezember
kein Feuerwerk abbrennen. Die erforderlichen Ausnahmebewilligungen hierfür werden von
der Stadt Lahr grundsätzlich nicht erteilt. Ein zusätzliches Verbot für diesen Zeitraum ist daher aufgrund der Gesetzeslage nicht notwendig.
An Silvester sind nach § 23 Absatz 2 Satz 2 der 1. SprengV volljährige Personen berechtigt,
Feuerwerkskörper der Kategorie F2 zu zünden. Dies gilt nicht für Minderjährige.
Das Abbrennen von Feuerwerk in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinderund Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen ist
verboten (§ 23 Abs. 1 der 1. SprengV).
Besonders brandempfindliche Bauten finden sich in der Lahrer Kernstadt nicht. Dennoch
wurde die in der Anlage befindliche Karte erstellt, welche Denkmale in der Kernstadt und solche im Bereich der Kasernenbauten im Süden aufführt. Auch diese Denkmale sind vorwiegend nicht aus Holz oder gar mit einem Reetdach ausgestattet, womit die besondere Brandempfindlichkeit nach aktuellen Erkenntnissen ausscheidet. Das Erstellen einer Karte für das

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gesamte Stadtgebiet, in der alle potentiell brandempfindlichen Gebäude wie z.B. auch Holzschuppen oder alte Tabakscheunen aufgezeigt und beurteilt werden, bindet erhebliche Kapazitäten der Abteilung Bauordnung und des Brandschutzes. Auf Grund der bereits bestehenden Verbotsregelung nach § 23 Abs. 2 S. 2 der 1.SprengV kann die Verwaltung einen
Mehrwert einer solchen Karte nicht erkennen und möchte sich deswegen gegen den Beschlussvorschlag Nr. 1.3 des Fraktionsantrages aussprechen.
Weitere Einschränkungen:
Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel für diesen Regelungsbereich wird in anderen Städten erwogen und teilweise auch genutzt. Es wird auch die Rechtsmeinung vertreten,
dass das Sprengstoffrecht für den Gefahrenabwehrbereich grundsätzlich abschließende Regelungen trifft (VG Oldenburg, Beschl. v. 19.7.2019 – 5 B 2073/19) Für Lahr sieht die Stadtverwaltung momentan kein Handlungserfordernis.
Hierzu bedürfte es einer sogenannten konkreten Gefahr. Dies gilt sowohl für den Erlass einer
an eine bestimmte Person gerichtete Verbotsverfügung, als auch für den Erlass einer an einen Personenkreis gerichtete Allgemeinverfügung. Eine konkrete Gefahr setzt eine Sachlage
voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung an polizeilich geschützten Rechtsgütern führt.
Konkret ist eine Gefahr dann, wenn sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes aus einem bestimmten einzelnen Sachverhalt ergibt. Bereits aus der Definition
der konkreten Gefahr lässt sich ableiten, dass derartige Maßnahmen nicht ohne Bezug zu einem Einzelfall erlassen werden können. D.h. auf die Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) gestützte
Maßnahmen lassen sich erst dann treffen, wenn sich die Situation vor Ort so darstellt, dass
das Abbrennen von Feuerwerk mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Eintritt eines Schadens befürchten lässt.
Eine Abfrage bei den Kolleginnen und Kollegen der Landespolizei und den Ämtern und Abteilungen im Hause ergab keine ausreichende Grundlage, nach der sich eine hinreichende polizeiliche Gefahrenlage ergäbe.
Der VGH Kassel leitet in seinem Urteil vom 13.5.2016 – 8 C 1136/15.N aus den gesetzlichen
Anforderungen an Feuerwerksköper der Kategorie 2 bis 4 nachvollziehbar ab, dass die hervorgerufenen Geräuschimmissionen durch Feuerwerk der Kategorie 2 nicht im Bereich der
Gesundheitsgefahr, sondern der Belästigung liegen. Damit wird die polizeirechtlich relevante
Gefahrenschwelle zumindest durch die Geräuschwirkungen nicht erreicht.
Allgemeinverfügungen aus anderen Städten stützen sich darauf, dass in der Innenstadt typischerweise die Sicherheitsabstände nicht eingehalten würden, gehäuft unzulässige Pyrotechnik verwendet wird oder gar Sicherheitskräfte attackiert würden.1 Solche Negativerfahrungen bestehen in Lahr nicht in ausreichendem Maße, um über die polizeiliche Generalklausel tätig werden zu können.

Auswertung der Polizeieinsätze über den Jahreswechsel 2019/2020
Im Zeitraum 31.12.2019 bis einschließlich 01.01.2020 zählte das Polizeirevier Lahr
auf der Gemarkung Lahr insgesamt zwölf Einsätze/Vorgänge die im Zusammenhang mit dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern anfielen. Die Einsätze/Vorgänge
lassen sich wie folgt klassifizieren:
- Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB (6 mal)
1

Exemplarisch:
https://www.hannover.de/content/download/750706/18832704/file/Allgemeinverf%C3%BCgung+Feuerwerksk%C3%B6rp
er.pdf

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- Fehlalarm (1 mal)
- Brand ohne strafbare Handlung (1 mal)
- Streitigkeit (1 mal)
- Sonstiges (3 mal)
Die insgesamt zwölf protokollierten Einsätze/Vorgänge lassen sich wiederum nach der Unmittelbarkeit unterscheiden. Insgesamt standen sieben der zwölf protokollierten Einsätze/Vorgänge in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern. Fünf der zwölf protokollierten Einsätze/Vorgänge hatten hingegen nur mittelbar mit
dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern zu tun.
Die Betrachtung von weiter zurückliegenden Zeiträumen war nicht möglich, da die Vorgänge aus früheren Jahreswechseln aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mehr einsehbar sind.
Auch das Thema Brandgefahr vermag weitere Verbote in Lahr nach dem Polizeirecht nicht
zu begründen.

Auswertung der Feuerwehreinsätze über die letzten drei Jahreswechsel
Jahreswechsel
2017 auf 2018

Jahreswechsel 2018
auf 2019

Insgesamt drei
Feuerwehreinsätze im Zeitraum
31.12.2017 bis
einschließlich
01.01.2018; kein
Zusammenhang
mit dem Abbrennen von
Feuerwerk erkennbar.

Insgesamt vier Feuerwehreinsätze im Zeitraum 31.12.2018 bis
einschließlich
01.01.2019; kein Zusammenhang mit dem
Abbrennen von Feuerwerk erkennbar.

Jahreswechsel 2019 auf 2020
Insgesamt sechs Feuerwehreinsätze im Zeitraum
31.12.2019 bis einschließlich
01.01.2020; lediglich vier der
sechs Feuerwehrsätze konnten
auf das Abbrennen von Feuerwerk zurückgeführt werden.
Lediglich bei zwei Einsätzen
war das Abbrennen der Feuerwerkskörper unmittelbar für den
Feuerwehreinsatz verantwortlich. Bei den anderen
beiden Feuerwehreinsätzen
sorgte das Abbrennen von
Feuerwerkskörpern lediglich
mittelbar für die Feuerwehreinsätze.

Auf Basis dieser Zahlen sieht die Stadtverwaltung im Rahmen der Pflichtaufgaben nach Weisung keinen Anlass für Verbote von Feuerwerk mit ausschließlicher Knallwirkung nach § 24
Absatz 2 S. 1 Nr. 2 der 1. SprengV in „bestimmten dicht besiedelten Gebieten“, also in der
Innenstadt. Der Behörde steht hier ein Ermessensspielraum zu, welcher in den hierfür bestehenden Grenzen auszuüben ist. Konkret sind die jeweils kollidierenden Interessen so in einen Ausgleich zu bringen, dass der Grad der Beeinträchtigung die Einschränkung der Freiheit rechtfertigt. Dabei sind Tierwohlbelange nicht zuletzt nach Art. 20a GG ebenso mit einbezogen worden.

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Im Rahmen des Ermessens ist klarzustellen, dass nicht jede Beeinträchtigung eine Handlung
der Gefahrenabwehrbehörde nachsichziehen muss.

Guido Schöneboom
Erster Bürgermeister

Mats Tilebein
Amtsleiter