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Beschlussvorlage (- Zwischenbericht VEP Kap. 3.5.5-3.5.8)

                                    
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3.5.5

Verkehrsentwicklungsplan Lahr | Zwischenbericht

Entwicklung des Kfz-Verkehrs (Rückblick)

Wie sich der Verkehr in den letzten Jahren entwickelt hat, zeigt ein exemplarischer Vergleich der
Belastungen an ausgewählten Querschnitten des Hauptverkehrsstraßennetzes. Die Querschnittsvergleiche wurden dort angegeben, wo entsprechend vergleichbare Daten vorlagen. Dazu wurden
die Daten der Straßenverkehrszentrale (SVZ) Baden-Württemberg/ Verkehrsmonitoring von 2005–
2017, als auch die 2019 selbst erhobenen Zählstellen herangezogen.
Tabelle 27: Vergleich Kfz-Belastung an ausgewählten Knoten, 2005 bis 2019 in Kfz/24h (DTV)
Zählstelle SVZ

1 (B 415)

2 (K 5352)

3 (K 5340)

4 (B 415)

5 (L 102)

6 (B 415)

2005

17.338

6.499

10.436

17.689

8.668

6.333

2010

16.337

5.074

6.046

18.538

9.025

6.307

2010 zu 2005

-5,8 %

-21,9 %

-42,1 %

+4,8 %

+4,1 %

-0,4 %

2015

21.153

5.222

6.691

16.021

10.182

5.876

2015 zu 2010

+29,5 %

+2,9 %

-10,7 %

-13,6 %

+12,8 %

-6,8 %

2017

18.818

5.419

6.944

13.106

10.567

6.098

2017 zu 2015

-11,0 %

+3,8%

+3,8 %

-18,2 %

+3,8 %

+3,8 %

Zählstelle 2019

1a*

1b*

2*

3*

4

5

6*

2019

19.972

22.184

5.787

8.499

15.970

11.021

6.967

2019 zu 2017

+6,1 %

+17,9 %

+6,8%

+22,4 %

+21,9 %

+4,3 %

+14,3 %

2019 zu 2005

+15,2 %

+28,0 %

-11,0%

-18,6 %

-9,7 %

+27,1 %

+10,0 %

* leicht abweichende Zählstandorte (mit Zu-/Abfahrten dazwischen)

Quelle: Planersocietät

Abbildung 95: Lage der Vergleichsstellen – Dauerzählstellen SVZ (lila), eigene Zählung 2019 (rot)

Quelle: Eigene Darstellung; Kartengrundlage: © Open Street Map Mitwirkende

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Die Vergleichswerte lassen zwar nur Rückschlüsse auf Ausschnitte des Lahrer Straßennetzes zu und
können stark durch lokale Veränderungen beeinflusst sein, insgesamt lässt sich jedoch trotzdem
eine gewisse Tendenz erkennen. So waren die Verkehrsmengen von 2005 bis 2010 auf der NordSüd-Achse aber auch im Westen der Stadt tendenziell rückläufig. Im Osten gab es hingegen leichte
Zunahmen. Bis 2015 stieg der Verkehr dann sowohl im Westen als auch im Osten spürbar an. Dies
ist vermutlich eine Ursache der Gewerbeansiedlung sowie Stärkung der Zentrenfunktion. Bis 2017
gingen die Verkehrsmengen dann jedoch teilweise (auf der B 415) wieder zurück.
Der Vergleich mit den Zählungen 2017 bis 2019 ergibt wiederum ausnahmslos Verkehrsaufkommensanstiege, wobei die hohen Werte von 2005 noch nicht überall wieder erreicht wurden. Insbesondere die Nord-Süd-Beziehung (K 5352 und K 5340) hat an dieser Stelle an Bedeutung verloren.
Die Beziehungen nach Seelbach und der Verkehr auf der B 415 haben hingegen insgesamt seit 2005
deutlich zugenommen – was vor allem am starken Anstieg zwischen 2010 und 2015 liegt.

3.5.6

Erhebung des Durchgangsverkehrs

Um die Verflechtungen Lahrs mit dem Umland darzustellen und Aussagen zu treffen, wie stark die
Straßen durch externen Verkehr belastet sind, wurde im Rahmen der Erhebungen an 12 ausgewählten Stellen eine automatisierte und anonymisierte Kennzeichenerfassung durchgeführt. Somit wurden ein- und ausfahrende Fahrzeuge an unterschiedlichen Knoten wiedererkannt und anhand ihrer
Durchfahrzeit definiert, ob es sich um Quell-/Zielverkehr16 oder Durchgangsverkehr17 handelt.
Die Erhebung fand am Donnerstag, den 04.04.2019 von 0–24 Uhr statt.

16 Quell- bzw. Zielverkehr sind Fahrten aus bzw. in die Stadt (bzw. das definierte Untersuchungsgebiet), die dort
beginnen bzw. enden. Darunter fallen z. B. Ein-/Auspendler – zweckunabhängig (Arbeit, Einkauf, Freizeit, …).
17 Als Durchgangsverkehr im gesamtstädtischen Sinn werden Fahrten definiert, die ohne Zwischenhalt das Stadtgebiet durchqueren, d. h. sie haben kein Ziel innerhalb der Stadt. Die Definition ist also abhängig von der Fahrzeit sowie des zuvor festgelegten Bezugsgebietes (Kordon).

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Tabelle 28: Liste der Durchgangsverkehrszählstellen mit Kennzeichenerfassung 2019
#

Lage

1

B 415, nördl. Einmündung Dr.-Georg-Schaeffler-Str.

2

B 3, nördl. Einmüdung K 5339

3

K 5344 (Rheinstr.), Höhe Bahntrasse

5

B3, südl. Rampen Vogesenstr. / Breisgaustr.

6

K 5352, südl. Einmündung Dammenmühle

7

Burgbühlstraße, südl. Einmündung Burgheimer Galgenberg

RP 1

B 415 (Tiergartenstraße), südl. Einmündung Schützenstr.

RP 2

B 415 (Geroldsecker Vorstadt), westl. Einmündung Breitmatten

RP 3

B 415 (Kuhbacher Hauptstr.), südwestl. Einmündung Brudertalstr.

RP 4

L 102, zw. Kreisverkehren B 415 / L 102 und L 102 / Am Bahndamm / Reichenbacher Weg

RP 5

B 415, Kreisverkehr B 415 / L 102, südöstl. Abzweig FR Biberach

RP 6

B 415 (Geroldsecker Vorstadt), westl. Einmündung Hildegard-Kattermann-Str.

Quelle: Planersocietät

Abbildung 96: Lage der Durchgangsverkehrszählstellen

Quelle: Eigene Darstellung; Kartengrundlage: © Open Street Map Mitwirkende

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Die folgende Grafik (vgl. Abbildung 97) stellt schematisch den gesamtstädtischen Durchgangsverkehr (Kfz inkl. Schwerverkehr, hochgerechnet auf DTVw) dar. Es handelt sich also nur um Fahrten,
die ohne Zwischenhalt das Lahrer Stadtgebiet durchqueren18. Dabei bleibt der genaue Streckenverlauf durch die Stadt unbekannt, ein Strompfeil kann sich durchaus auf mehrere Straßen aufteilen
(z. B. über die B 415 und Dr.-Georg-Schaeffler-Straße). Die Belastungsstärken sind in unterschiedlichen Blaustufen dargestellt.
Es fällt auf, dass es insgesamt relativ wenig Durchgangsverkehr gibt, der in Gänze quer durch die
Stadt fährt. So summiert sich dieser Verkehr z. B. auf der Ost-West-Achse am Querschnitt Ortszentrum auf lediglich knapp 3.000 Kfz/Werktag auf. Eine ähnliche Summe ergibt sich auch in Kuhbach/ Reichenbach.
Dieses Ergebnis ist grundsätzlich positiv zu werten, bedeutet es doch, dass ein Großteil des Verkehrs
in der Stadt auch einen städtischen Bezug (sei es Quell-, Ziel- oder Binnenverkehr) hat und somit
auch durch entsprechende Maßnahmen beeinflussbar ist.
Sofern man den Begriff Durchgangsverkehr lediglich aus Sicht einzelner Ortsteile definiert (dargestellt wurde dies am Beispiel Kuhbach und Reichenbach) – also auch inklusive der Fahrten, die nicht
durch die ganze Stadt führen, sondern über die beiden Stadtteile z. B. in der Innenstadt beginnen/ enden – ergibt sich ein anderes Bild (vgl. Abbildung 98):
Mit Blick auf eine mögliche Umgehung durch das Schuttertal könnte die heutige Bundesstraße in
Kuhbach/ Reichenbach um bis zu ca. 5.000 Kfz/Werktag entlastet werden. Mit Zwischenanbindung
zwischen Kuhbach und Reichenbach könnte sich dies ggf. sogar um nochmals 6.000
bis 14.000 Kfz/Werktag erhöhen, die nur einen Teil der Strecke befahren.

18 Aufgrund der technischen (Kennzeichenerfassung per Kamera) und methodischen (z. B. Definition der für
Durchgangsverkehr relevanten Durchfahrzeit) Vorgehensweisen, sowie aufgrund von datumsabhängigen
Schwankungen, kann die als Durchgangsverkehr definierte Verkehrsmenge in der Realität leicht abweichen (voraussichtlich im geringen, einstelligen Prozentbereich).

Planersocietät

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Abbildung 97: Durchgangsbeziehungen im Stadtgebiet (schematisch, Kfz/24h)

Erhebungsdaten: Geovista GmbH, Hochrechnung: Planersocietät

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Verkehrsentwicklungsplan Lahr | Zwischenbericht

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Abbildung 98: Durchgangsbeziehungen über Kuhbach/ Reichenbach (auch Ziel/ Quelle Innenstadt,
Kfz/24h)

Erhebungsdaten: Geovista GmbH, Hochrechnung: Planersocietät; Karte: © Open Street Map Mitwirkende

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3.5.7

Straßenraumverträglichkeitsanalyse

Charakter und Zuschnitt der Straßen sind heute häufig so ausgelegt, dass prioritär der Kraftfahrzeugverkehr effizient abgewickelt wird. Dabei sollten innerstädtische, angebaute Straßenräume
weitere Funktionen bedienen können. Sie sollen auch Raum für Aktivitäten neben der Verkehrsabwicklung bieten. Der Straßenraum ist neben Verkehrs- und Parkraum auch unmittelbarer Lebensraum der Anwohner, Ort zum Verweilen, von Spaziergängen, von Kinderspielen und Nachbarschaftstreffpunkt. Darüber hinaus ist speziell in Innenstädten der öffentliche Raum auch immer Fläche zur Präsentation von Waren, hat also wirtschaftliche Interessen zu befriedigen. Unter einer
monofunktionalen, häufig Kfz-orientierten Straßenraumgestaltung sind andere Funktionen häufig
zurückgedrängt. Die Tatsache, dass Straßenräume viele Jahrzehnte nahezu alleinig nach den Bedürfnissen des Autoverkehrs geplant und geprägt wurden, birgt ein erhebliches Konfliktpotenzial.
Insbesondere die „langsame“ Dimension des Verkehrs, also vor allem der Fußverkehr, aber auch
der Aufenthalt im Straßenraum, ist dabei in der Vergangenheit zum Teil vernachlässigt worden,
sodass die nachfolgende Straßenraumverträglichkeitsanalyse die Gestaltung für die Nahmobilität
sowie den Aufenthalt in den Mittelpunkt stellt.
Den Straßenraum bestimmen neben Regelbreiten und dem grundsätzlichen Vorhandensein von
Infrastruktur weitere Indikatoren, die zum Teil quantifizierbar, teils aber auch subjektiver Natur
sind. Die erhobenen Kfz-Belastungen stellen bei der Ermittlung der Belastung des Straßenraums
einen wichtigen Aspekt dar. Lediglich diese Größe als Indikator für eine gelungene Straßenraumgestaltung heranzuziehen, würde allerdings nicht ausreichen. Eine schwach belastete Straße über die
geringe Verkehrsstärke pauschal als attraktiv zu bezeichnen, greift zu kurz. Dieses wird z. B. bei Betrachtung der Gereutertalstraße in Reichenbach deutlich. Durch die Doppelstruktur, die den Gereutertalbach in Reichenbach begleitet, entsteht ein Straßenzug mit erhöhter Trennwirkung und nicht
ausreichender Barrierefreiheit. Dadurch sinkt die Attraktivität der Nutzung durch Fuß- und Radverkehr – auch ohne starke Kfz-Verkehrsströme.
Im Rahmen der Straßenraumverträglichkeitsanalyse wurden systematisch Konfliktpotenzial und
Qualität entlang ausgewählter und mit der Verwaltung abgestimmter Abschnitte von innerörtlichen
Straßen bewertet.

Methodik
Entsprechend der unterschiedlichen Nutzungsansprüche wurden in die Straßenraumverträglichkeitsanalyse mehrere relevante Themenbereiche einbezogen. Hierzu zählen im Wesentlichen:

•
•
•
•

die Umfeldnutzung und Art der Bebauung
der motorisierte Verkehr
die Nahmobilität (Fuß- und Radverkehr)
die Straßenraumgestaltung und -qualität

Diese Themenbereiche sind mit Bewertungskriterien belegt worden, die möglichst in allen Situationen zu finden sind, um eine gewisse Vergleichbarkeit und ein Problembewusstsein herstellen zu

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Verkehrsentwicklungsplan Lahr | Zwischenbericht

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können (vgl. Tabelle 29). Die Bewertungskriterien folgen dabei gängigen Entwurfsrichtlinien aus
den aktuell geltenden technischen Regelwerken unter anderem aus RASt 2006 (Richtlinien für die
Anlagen von Stadtstraßen), ESG 2011 (Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete), EFA 2002 (Empfehlungen für Fußverkehrsanlagen) und ERA 2010 (Empfehlungen für
Radverkehrsanlagen).
Tabelle 29: Themenbereiche und Kriterien der Verträglichkeitsanalyse
Themenbereich

Bewertungskriterien

Umfeldnutzung und

•

Art der Umfeldnutzung (reines Wohnen, Gewerbe, Mischnutzung etc.)

Art der Bebauung

•

Anbauart (ein-/beidseitig) und Dichte der Bebauung

•

Sensible Einrichtung (Schule/ Kita)

•

Signalisierte Geschwindigkeit

•

Subjektive Geschwindigkeit

•

Fahrbahnqualität

•

Baulicher Zustand der Wege

•

Bedingungen für Fußgänger/ Radfahrer im Längs- und Querverkehr, Trenn-

Kfz-Verkehr

Nahmobilität

wirkung
Straßenraum und Stra-

•

ßenraumqualität

Räumliche Proportionen (Verhältnis Seitenraum – Fahrbahn), Trennwirkung

•

Ruhender Verkehr: Lage und ggf. Beeinträchtigung (z. B. optisch)

•

Art und Wirkung von Grünelementen (privat und öffentlich)

Quelle: Eigene Darstellung

Die Bewertung basiert auf einer Begehung der einzelnen Abschnitte und der Analyse vorliegender
Daten. Zur Untersuchung wurden beispielhafte Straßenabschnitte in Lahr ausgewählt, auf denen
mit einem hohen und vielseitigen Nutzungsanspruch zu rechnen ist und die damit als besonders
sensibel gelten. Untersucht werden im Hauptstraßennetz die zentralgelegenen Abschnitte in den
Ortsteilen und bedeutende Straßenzüge im Innenstadtbereich. Durch eine umfassende Erhebung
der Verkehrsbelastungen kann für alle Streckenabschnitte auch die aktuelle Kfz-Stärke abgeleitet
werden und fließt in die Betrachtung mit ein.
Mit Ausnahme der Bewertung des straßenbegleitenden Grüns kann jedes Kriterium von
0 bis 2 Punkten das Ergebnis beeinflussen. Das Kriterium „Straßenbegleitendes Grün“ beeinflusst
das Ergebnis von -1 bis +1, um den positiven Einfluss vorhandenen Grüns besonders hervorheben
zu können. Mit steigender Punktzahl des Gesamtergebnisses wird der zu erhebende Straßenraum
schlechter bewertet, sodass ein Gesamtergebnis mit hoher Punktzahl ein schlechtes Ergebnis widerspiegelt. Ergebnis der Verträglichkeitsanalyse ist je Straßenraum ein Punktwert, der die in der
folgenden Tabelle dargestellten Klassen der Verträglichkeit widerspiegelt:

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Tabelle 30: Bewertungssystematik
Punktwertklasse

Erklärung
verträglich: Der Straßenabschnitt weist keine oder nur sehr geringe Mängel in

Von 3 bis 6

Hinblick auf die Verträglichkeit auf. Es leitet sich i. d. R. nur ein nachgeordneter
Handlungsbedarf ab.

weitestgehend verträglich: Der Straßenabschnitt weist einzelne Mängel auf,
Von 6 bis 8

die Verträglichkeit ist insgesamt aber positiv zu beurteilen. Für einzelne Nutzergruppen oder Bereiche besteht Handlungsbedarf.

Von 8 bis 10

eingeschränkt verträglich: Der Straßenabschnitt weist eine vermehrte Anzahl
an Mängeln auf, wobei mehrere Nutzergruppen und Bereiche betroffen sind.

Über 10 Punkte

nicht verträglich: In nahezu allen Bereichen sind größere Mängel festzustellen.
Es besteht vordringlicher Handlungsbedarf.

Quelle: Eigene Darstellung

Das Gesamtergebnis wird in gewissen Situationen auch noch von Auf- und Abschlägen oder Gewichtungen beeinflusst. Die Art der Nutzung und die Bebauung wirken sich mit Auf- und/ oder Abschlägen auf die Bruttopunktzahl aus. Die Kriterien „Geschwindigkeit“ und „baulicher Zustand“
summieren Teilaspekte19 und werden deswegen schwächer gewichtet, um gleichwertig in das Gesamtergebnis einzufließen. Diese beiden Kriterien fließen deswegen unter Umständen mit Zahlwerten ein, die nicht ganzzahlig sind.

Ergebnisse
Die Ergebnisse der Straßenraumverträglichkeitsanalyse sind tabellarisch (vgl. Abbildung 99) aufbereitet. Anhand einzelner Kriterien sollen Schwerpunkte einer verträglichen Straßenraumgestaltung
verdeutlicht werden. Durch das Aufzeigen von Schwachpunkten und Stärken aus den Abschnitten
kann verdeutlich werden, wie Straßenräume gestaltet werden können, um einer Vielzahl an Nutzungsansprüchen gerecht werden zu können.
In Lahr lassen sich Straßenabschnitte aus allen Bewertungsklassen identifizieren. Die Straßenzüge
Kuhbacher Hauptstraße und Gereutertalstraße (Reichenbach) sowie ein Abschnitt auf der Dinglinger Hauptstraße (Glockengumpen bis Alte Straße) fallen im gewählten Bewertungsraster in die Kategorie nicht verträglich. Die überwiegende Mehrheit der bewerteten Straßenabschnitte befindet
sich in den Kategorien weitestgehend verträglich und verträglich. Dieses Ergebnis, mit mehr positiv
bewerteten als negativ bewerteten Straßenabschnitten zeigt, dass in Lahr schon heute Rahmenbedingungen geboten sind, die Attraktivität abseits des Kfz-Verkehrs bieten. Straßenzüge werden häufig mit einem ansprechenden Grün begleitet, das sich im öffentlichen Raum und zum Teil auch im
privaten Raum befindet. Der Bewertungstabelle ist allerdings auch zu entnehmen, dass es in einzelnen Themen Entwicklungschancen gibt. Die Querungssituation bildet sich über die Analyse als
Thema mit Entwicklungspotenzial heraus. Auch die Verteilung von Fahrbahn zu Seitenraum ist in
vielen Bereichen noch „ganz klassisch“ zu Gunsten der Fahrbahn verteilt.

19 „baulicher Zustand“: Gehweg/ Radweg (wenn vorhanden und Fahrbahn/ „Geschwindigkeit“: signalisierte Geschwindigkeit/ gefühlte gefahrene Geschwindigkeit während der Erhebung

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Abbildung 99: Ergebnisse der Straßenraumverträglichkeitsanalyse (tabellarisch)

Quelle: Eigene Auswertung

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Ableitungen aus den Ergebnissen der Straßenraumverträglichkeitsanalyse
Aus den Ergebnissen der Straßenverträglichkeitsanalyse lassen sich grundsätzliche Herausforderungen aus einzelnen Kriterien ziehen. Hier soll auf die Kriterien eingegangen werden, bei denen die
Straßenraumverträglichkeitsanalyse die größten Herausforderungen erkennt. Darauf folgt die
exemplarische Beschreibung eines verträglichen Straßenabschnitts und eines nicht verträglichen
Straßenabschnitts.

Herausforderungen
Die Ergebnisse zeigen eine besondere Herausforderung beim Queren der beobachteten Abschnitte
für Fußgänger. Häufig gibt es keine oder zu wenige Querungshilfen. Dabei braucht es nicht immer
Querungshilfen, die dem Fußverkehr einen Vorrang gewähren. Rein bauliche Unterstützung in Form
von Mittelinseln können zum Teil zur Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls beitragen. Es sei
darauf hingewiesen, dass das Kriterium der Querungshilfe mit einer erhöhten Sensibilität bewertet
wurde. Das Land Baden-Württemberg hat innerhalb des Leitfadens Anlage und Ausstattung von
Fußgängerüberwegen in Baden-Würt- Abbildung 100: Fehlende Querung über Lahrer Straße
temberg (vgl. VM BW: 2019) grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt, Fußgängerüberwege (Zeichen 350) wieder
in Straßenabschnitten anzuordnen, die
sich in Tempo 30 Zonen befinden und
schützenswerte Fußgängergruppen unterstützen. Auffällig sind fehlende Querungsmöglichkeiten unter anderem in
der Hugsweierer Hauptstraße. Dort beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit nach StVO 50 km/h kombiniert mit
dem Schild „freiwillig 40 km/h“. Eben- Quelle: Planersocietät
falls über weite Abschnitte wird auf der Lahrer Straße in Sulz dem Fußverkehr keine Querungsmöglichkeit geboten. Verstärkend kommt hinzu, dass die Brücken über den Sulzbach heute nur geringe
Aufstellflächen besitzen, bevor der Fußgänger die Fahrbahn betreten muss. Die Bauwerke sind darüber hinaus nicht barrierefrei ausgebaut. Die Fahrbahn der Lahrer Straße muss dann ohne Querungshilfe an einem Stück gequert werden (vgl. Abbildung 100).
Die Kriterien Trennwirkung und Querungssituation hängen thematisch eng miteinander zusammen
und bedingen sich in vielen Situationen gegenseitig. Die Herausforderungen für einen Straßenraum,
die aus dem Kriterium Trennwirkung entstehen, sind exemplarisch durch die Situation an der Lahrer
Straße und der Gereutertalstraße in Reichenbach zu verdeutlichen. Beide Straßenzüge werden
durch einen Bachlauf geprägt, der durch Brücken gequert werden kann. Diese Brücken sind bis auf
einzelne wenige Ausnahmen nicht barrierefrei. Das erschwert das Queren der Bäche mit Hilfsgeräten wie Rollatoren, Kinderwagen oder Ähnlichem und erhöht somit die Trennwirkung. Über diese
natürliche Trennwirkung kann in anderen Straßenabschnitten z. B. auch von der Kfz-Verkehrsstärke

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Verkehrsentwicklungsplan Lahr | Zwischenbericht

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eine Trennwirkung ausgehen, wie in der Dinglinger Hauptstraße oder der Kuhbacher Hauptstraße.
Breite Fahrbahnen erschweren das Queren und erhöhen ebenso die Trennwirkung für Fußgänger.
Breite Fahrbahnen bedingen knappe, nicht ausreichend ausfallende Seitenräume. Herausforderungen aus diesem Themenbereich werden im Kriterium räumliche Proportionen untersucht. Überwiegend sind Straßenräume heute zugunsten der Fahrbahn angelegt. Zurückzuführen ist dies auf Planungsleitlinien wie der autogerechten Stadt und älteren Verwaltungsvorlagen, die dazu anhalten,
Fahrbahnquerschnitte in bebauten Bereichen in der Breite unverändert fortzuführen. Eine Nahmobilität mit attraktivem Straßenraum entsteht bei einer Flächenverteilung zu Gunsten des Seitenraums. Als optimal wird aktuell die Verteilung von linkem und rechten Seitenraum zur Fahrbahn
von 30 % : 40 % : 30 % angesehen. Diese Verteilung ist auf den betrachteten Straßenräumen in Lahr
nicht anzutreffen. Häufig dominieren enge Seitenbereiche, die dem Fußgänger keine komfortable
Gehlinien bieten und Menschen mit Rollstühlen oder Kinderwagen durch häufige Wechsel in der
Längs- und Querneigung durch Hofeinfahrten die Nutzung erschweren.
Abbildung 101: Flächenverteilung zugunsten der Fahrbahn (Hugsweier) (links); Kaiserwaldstraße Kippenheimweiler ohne Radinfrastruktur (längs) (rechts)

Quelle: Planersocietät

Der Seitenraum wird dabei in einzelnen Situationen auch durch den Radverkehr mitgenutzt, sodass
sich die Konfliktlage noch einmal erhöht. Die Straßenraumverträglichkeitsanalyse zeigt in dem Kriterium Radverkehr längs, dass sich innerhalb von Straßenzügen auch entlang von Abschnitten mit
einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht immer Radverkehrsinfrastruktur befindet. Davon können konfliktreiche Nutzungen des Seitenbereichs ausgehen. Besonders auffällig ist
das Fehlen einer Radinfrastruktur im Stadtteil Kippenheimweiler und Kuhbach auf den Stadtteildurchfahrten und auf der Dinglinger Hauptstraße.

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Verkehrsentwicklungsplan Lahr | Zwischenbericht

Ein verträglicher und nicht verträglicher Straßenraum
Der untersuchte Abschnitt der Gereutertalstraße in Reichenbach wird in der Straßenraumverträglichkeitsanalyse als nicht verträglich eingestuft. Hauptsächlich die Trennwirkung und die fehlenden
barrierefreien Querungsmöglichkeiten führen zu diesem Ergebnis. Die Gereutertalstraße führt zu
beiden Seiten des Gereutertalbachs Straßeninfrastruktur. Die nördliche Straße ist als Fahrbahn dem
Fahrzeugverkehr gewidmet. Der Fahrzeugverkehr erreicht darüber den Golfclub und die Aussiedlerhöfe. Die Verkehrserhebung hat ein Aufkommen von ca. 2.000 Kfz pro Werktag ermittelt. Entlang
des Teils der Gereutertalstraße, auf der die Fahrzeuge fahren, gibt es keinen durchgehenden baulich gesicherten Seitenbereich für den Fußverkehr. Der Abschnitt der Gereutertalstraße, der sich
südlich des Baches befindet, ist zwischen Burgstraße und Lindenstraße als Fußweg (Zeichen 239)
ausgewiesen. In Kombination mit dem Lindenplatz ergibt sich eine platzartige Fläche für den Fußverkehr mit Aufenthaltsfunktion. Trotz der Widmung als Fußweg wurden am Tag der Erhebung parkende Fahrzeuge in dem Abschnitt angetroffen.
Die Eichholzstraße in Langenwinkel wird in der Straßenraumverträglichkeitsuntersuchung als verträglich bewertet. Der beobachtete Straßenabschnitt von der Langenwinkler Hauptstraße bis zur
Georg-Kappus-Straße bietet zum Zeitpunkt der Erhebung attraktive Elemente für die Nutzung und
den Aufenthalt aller Verkehrsteilnehmer. Die Einfahrtssituationen an beiden Enden des Abschnitts
sind durch eine Verengung und einen Belagswechsel so gestaltet, dass der Kfz-Lenker auf die Charakteristik eines temporeduzierten Straßenabschnitts mit Wohnbebauung effektiv hingewiesen
wird. Diese Elemente der Geschwindigkeitsreduzierung durch Einbauten und Markierungen auf der
Fahrbahn wiederholen sich im Verlauf der Straße. Zum Zeitpunkt der Erhebung konnte unter anderem wegen dieser temporeduzierenden Elemente festgestellt werden, dass sich die Kfz mehrheitlich an die zugelassene Geschwindigkeit halten. Dem Fußverkehr wird im Seitenraum ein ausreichend breiter Gehweg geboten, der stellenweise von der Fahrbahn abgesetzt ist. Die Querung der
Fahrbahn erscheint durch die gefahrene Geschwindigkeit und die Einbauten auf der Fahrbahn problemlos. Innerhalb des Straßenzugs stehen Bäume, die alleeartig eine Straßenseite begleiten. Im südlichen Teil kann von der Straße ein Spielplatz direkt erreicht werden. Die Barrierefreiheit wird an
einzelnen

Stellen

durch

fehlende

Bordabsenkung

und

Infrastruktureinbauten

(DSL-

Versorgerkasten) erschwert.
Abbildung 102: Einfahrtssituation Belagswechsel (l.); temporeduzierende Einbauten und Markierungen (r.)

Quelle: Planersocietät

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Verkehrsentwicklungsplan Lahr | Zwischenbericht

3.5.8

171

Kurzfazit

Abschließend soll die Situation des fließenden motorisierten Individualverkehrs in Lahr übersichtlich
bewertet werden:
Sehr gute Erreichbarkeit mit dem MIV
Direkter Autobahnanschluss der Gewerbegebiete
Gut ausgebautes Hauptverkehrsstraßennetz mit z. T. „Grüner Welle“-Schaltung
Verkehrsberuhigte, aber befahrbare Innenstadt (z. B. Rathausplatz, Urteilsplatz)
Nahezu durchgängige Verkehrsberuhigung in Wohngebieten, baulich nicht immer klar
Innerstädtische Parallelen zur B 415 (z. B. Dinglinger Hauptstraße/ Kaiserstraße,
Schwarzwaldstraße/ Lotzbeckstraße) entlasten die Bundesstraße, belasten aber zugleich
auch die angrenzenden Siedlungsbereiche
Vergleichsweise geringer Durchgangsverkehr (aus gesamtstädtischer Sicht), jedoch teils
hohe Verkehrsbelastung auf Hauptachsen (als stadtteilbezogener Durchgangsverkehr)
Starke Belastung auf der Ost-West-Achse
Enge, oft vielbefahrene Ortsdurchfahrten (z. B. Reichenbach, Kuhbach, Sulz); aber auch
in der Innenstadt selbst (B 415/ Tiergartenstraße)
Schwierige Erschließungssituation Ortenau Klinikum und Clara-Schumann-Gymnasium
(Lage in gewachsener Struktur)
Stetige Verkehrszunahmen und damit steigende Konkurrenz um den innerstädtischen
Straßenraum (v. a. mit dem Radverkehr)
Aufteilung des Straßenraumes auch in zentralen Bereichen häufig stark auf den Kfz-Verkehr ausgerichtet; erschwerte Querungsbedingungen für den Fußverkehr (Straßenraumverträglichkeitsanalyse)

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