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Beschlussvorlage (- Sondagebericht)

                                    
                                        REGIERUNGSPRÄSIDIUM STUTTGART
REFERAT ARCHÄOLOGISCHE DENKMALPFLEGE
DIENSTSITZ FREIBURG

Sondagebericht / Baubegleitung

Abbildung 1
1. Daten

Grabungsnummer

2018-0437

Landkreis

Ortenaukreis

Gemeinde

Lahr

Gemarkung

Lahr

Adresse/Flurnummer/Flurname Leopoldstraße; Flst.: 24324/12, 24324/13
Zeitstellung/Befunde

römischer Vicus

Anlass der Maßnahme

Geplanter Bau eines Mehrfamilienhauses

Sondage durchgeführt von

Inga Willmes

Zuständige Referentin

Dr. Gertrud Kuhnle

Dauer der Maßnahme

5 Tage inklusive Nachbereitung
Frau Bischler (2 Tage), Herr Wehler (1 Tag), Herr Steinborn (Ehrenamtlicher)
Frau Koch von Wohnbau Stadt Lahr GmbH
Maschineller Oberbodenabtrag und Anlegen eines Schurfes

Zusätzliche Mitarbeiter
Ansprechpartner vor Ort
Vorgehensweise bzw. Art der
Sondage
Größe des Untersuchungsgebietes in qm
Größe der tatsächlich geöffneten Fläche in qm
Eingesetztes Gerät / Eigentümer

Ca. 1232 m²
Ca. 556 m²
20t Bagger mit zahnlosem Schwenklöffel und Bediener,
Firma Singler GmbH

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2. Bericht

Einleitung
Mit Blick auf das Grabungsschutzgebiet bestanden seitens der archäologischen Denkmalpflege erhebliche Bedenken gegen den Bebauungsplan „Kleinfeld-Nord, 5. Änderung“ und
das LAD hatte angeregt, Alternativstandorte außerhalb des Grabungsschutzgebiets in Betracht zu ziehen.
Begründung:
Der Geltungsbereich des Bebauungsplans „Kleinfeld-Nord, 5. Änderung“ liegt innerhalb
des seit 20.06.1955 nach § 22 DSchG Baden-Württemberg ausgewiesenen Grabungsschutzgebietes „Lahr-Mauerfeld, römische Siedlung“, Listen-Nr. 9, auf der Gemarkung Lahr
(Abb. 1).
Seit dem frühen 19. Jahrhundert ist im Gewann „Mauerfeld“ in Lahr-Dinglingen ein ausgedehntes römisches Straßendorf (Vicus) bekannt.
Die Siedlung lag an der von Basel nach Heidelberg und Mainz führenden römischen
Rheintalstraße, die der heutigen B 3 entspricht. 1963 bis 1965 kamen bei Grabungen im
Südteil des Vicus mehrere Töpferöfen ans Tageslicht. Die in den Jahren 1991 bis 2002
großflächig durchgeführten Grabungen im Gewann „Schillinger“ ermöglichten einen Einblick in den südlichen Randbereich des Vicus, wo Wohn- und Gewerbehäuser, Brunnen,
Darren, Brennöfen usw. freigelegt wurden.
Der Geltungsbereich des Bebauungsplans Kleinfeld-Nord liegt im Nordteil des Vicus, wo
die Ergebnisse der oft nur flüchtig durchgeführten archäologischen Beobachtungen bei
Aushubarbeiten die Organisation der römischen Siedlung nur lückenhaft erahnen lässt.
Unmittelbar westlich und östlich bzw. nordöstlich des Geltungsbereichs sind drei wichtige
Befunde bekannt:
1) 1965 wurden beim maschinellen Ausheben der Baugrube für einen Wohnblock auf
Parzelle 5672 – heute Leopoldstraße 25 (Flst.-Nr. 25669/8, nur 15 m westlich der
Westgrenze des Geltungsbereichs) – mindestens drei, vielleicht vier, Mauerzüge
sowie Böden aus Kiesestrich von zwei Räumen angeschnitten und zerstört. Es handelte sich um ein größeres Steingebäude, dessen Ausmaße nicht bekannt sind.
2) 1950 wurden bei den Ausschachtungen von zwei Tanks einer Tankanlage – heute
Freiburger Straße 11 (Flst.-Nr. 25560, ca. 35 m östlich der Ostgrenze des Geltungsbereichs) – zwei Ost-West ausgerichtete, parallele (Abstand: 14 m) Steinreihen beobachtet. Beide Reihen bestanden aus großen Steinquadern (0,50 m × 0,50 m ×
0,50 m), die durchschnittlich 0,30 m voneinander entfernt lagen; die Zwischenräume
waren mit kopfgroßen Kalksteinbrocken ausgefüllt. Auch hier muss es sich um ein
größeres Gebäude gehandelt haben.
3) 1970 wurden in sechs Flächen auf dem Areal einer weiteren Tankanlage – heute
Freiburger Straße 9 (Flst.-Nr. 20391/18, ca. 50 m nord-östlich der Nordostecke des
Geltungsbereichs) – Teilabschnitte des bislang größten Steinbaubefunds von Lahr
beobachtet. Es handelt sich um ein 25 m × 10 m großes Gebäude, das durch seine
charakteristische Bauweise (massive Mauern mit, in regelmäßigen Abständen vorgelagerten, Stützpfeilern sowie Pfeiler im Gebäudeinneren für einen hochliegenden,
unterlüfteten Boden) als Getreidespeicher interpretiert werden kann.

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Diese Befunde von unterschiedlichen Großbauten lassen vermuten, dass im Umkreis des
Geltungsbereichs des Bebauungsplans „Kleinfeld-Nord, 5. Änderung“ der Kernbereich des
Vicus liegen könnte.
Die Sadt Lahr hatte in den Vorgesprächen darauf hingewiesen, dass auf Grund des dringenden Bedarfes an Sozialwohnungen nicht auf das Projekt verzichtet werden kann und
keine Alternativstandorte zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund sollte eine Lösung gefunden werden, wie das Projekt denkmalgerecht durchgeführt werden kann.

Untersuchungsmethoden
Das Landesamt für Denkmalpflege, Referat 84.2 im Regierungspräsidium Stuttgart,
Dienststelle Freiburg, hat am 12.11. und 13.11.2018 auf dem Grundstück des Bebauungsplans „Kleinfeld-Nord, 5. Änderung“ archäologische Voruntersuchungen durchgeführt.
Die Prospektion umfasste einen archäologiegerechten Oberbodenabtrag der zentralen
Fläche von 556 m2 sowie, im südlichen Bereich des Untersuchungsgebietes, eine Baggersondage von 10 m2 zur qualitativen und quantitativen Beurteilung der Befunde (Abb. 2).
Oberbodenabtrag und Baggersondage wurden mit einem Kettenbagger mit zahnlosem
Schwenklöffel, von der Firma Singler GmbH, durchgeführt; das Aushubmaterial wurde abgefahren und auf einem Grundstück am Kanadaring zwischengelagert. Das Baggerplanum
wurde lediglich partiell feingeputzt (Abb. 3).
Am 15.11.2018 konnte Dr. Harald von der Osten, LAD, auf der abgezogenen Fläche zusätzlich ein Bodenradar erstellen; die Ergebnisse dieses elektromagnetischen Reflexionsverfahrens sind in seinem Bericht vom 2.12.2018 vorgelegt (Annex).

Abbildung 2

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Abbildung 3

Untersuchungsergebnisse
Der flächige Abtrag des Oberbodens (Befund 1, siehe Abb. 3 und 8) erfolgte bis auf das
Niveau der römischen Kulturschicht (Befund 2 / 13, siehe Abb. 3 und 8), welche bereits
1965 in der Baugrube des Wohnblocks Leopoldstraße 25 beobachtet und durch Herrn Dr.
Fingerlin dokumentiert worden ist (Anlage 1).
Da das Baugrundstück (Flurstücke 24324/12 und 24324/13) bis 2017 als Schrebergärten
genutzt wurde, variiert die Oberbodenabdeckung von durchschnittlich 0,20 m im Detail um
bis zu 0,15 m. Die darunter erhaltene römische Kulturschicht ist nahezu ungestört auf der
gesamten freigelegten Fläche angetroffen worden.
Im nördlichen Bereich der abgezogenen Fläche sind zwei relativ kleine, moderne Bodeneingriffe zu verorten (Befunde 3 und 4, Abb. 4). Ebenfalls im Norden ist eine kleine, kreisrunde Verfärbung von ca. 0,20 m Durchmesser (Befund 5, Abb. 5) untersucht worden.
Beim Anlegen eines Profils konnten jedoch weder klare Grenzen noch Sedimentunterschiede festgestellt werden. Es handelt sich wohl eher um ein hydrologisches Phänomen
als um ein Pfostenloch oder die Standspur eines Pfostens.

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Abbildung 4

Abbildung 5

Insbesondere im mittleren Bereich der abgezogenen Fläche lassen römische Dachziegelkonzentrationen und Sandsteinquader in verschiedenen Größen (Abb. 7) sowie schemenhafte lineare Strukturen, Reste von Gebäudegrundrissen vermuten (Befund 6, Abb. 6).

Abbildung 7

Abbildung 6

Mit dem durch die Dokumentation von 1965 (Anlage 1) erlangten Wissen, dass im Prinzip
unter der bis zu 0,40 m mächtigen Kulturschicht intakte römische Schichten anzutreffen
sind, wurde lediglich im Süden des Untersuchungsgebietes eine kleine Baggersondage
(Schurf) angelegt.

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Abbildung 8

In dem ca. 2,5 m × 4,0 m messenden Schurf konnten die Befunde 7 bis 12 dokumentiert
werden (Abb. 8). Das rötliche, lehmige Sediment mit geringem grobkörnigem Anteil von
Befund 11 ist als gewachsener Boden anzusehen. Darauf ist flächig Befund 9 anzutreffen.
Befund 9 beschreibt einen, bis ca. 0,30 m mächtigen, mittelbraun-grauen, recht kompakten
Lehm. Der Befund ist mäßig durchsetzt mit Holzkohleflittern, gelegentlich können auch
Ziegel- und Keramikpartikel erkannt werden. Im Nord-Osten des Schurfes sind einige
Buntsandsteinbruchsteine (Kantenlängen bis ca. 0,25 m × 0,40 m) mit größeren Ziegelfragmenten in das Sediment von Befund 9 eingetieft. Eine intentionell angelegte Struktur ist in
diesem kleinen Ausschnitt nicht zu erkennen. Die Grenzen zu der darüberliegenden
Schicht 7 sind fließend, aber durch Farbe und Sedimentzusammensetzung deutlich zu erkennen.
Befund 7 ist ebenfalls sehr kompakt und besteht aus einem hellen bis fahlgelben, feinschluffigem Sediment. An Einschlüssen können vereinzelt kleine Kiesel (Ø bis 0,01 m),
Ziegelpartikel und Holzkohleflitter erkannt werden. Die ca. 0,15 m mächtige Schicht ist mit
Wurzel- und Tiergängen durchsetzt. Sie wird von einer grabenähnlichen Struktur geschnitten (Befund 8).
Befund 10 beschreibt eine, nur an der Nord-östlichen Grabungsgrenze zu erkennende,
gräulich-braune, lehmig-schluffige Schicht. Auf oder in Befund 10 befindet sich eine Konzentration von Kalkbruchsteinen (Befund 12), mit Kantenlängen bis max. 0,35 m. Die Steine befinden sich direkt an der Nord-östlichen Grabungsgrenze und scheinen sich gen Norden weiter fortzusetzen. Um eine Aussage über ihre Funktion treffen zu können ist der
Ausschnitt des Schurfes zu klein. Das stratigraphische Verhältnis zwischen Befund 10 und
Befund 8 konnte durch den Sondageschnitt nicht abschließend geklärt werden.

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Befund 8 ist eine ca. 0,75 m breite, Nord-Süd
orientierte lineare Struktur. Die Ausdehnung
gen Norden fluchtet nicht in die bereits abgezogene Fläche (Abb. 9) und konnte daher von
der Bodenradarmessung nicht erfasst werden.
Der Graben schneidet eindeutig Befund 7 und
ist in Befund 9 eingetieft. Die Grenzen sind
dabei scharf und deutlich. Auch hier können
Einschlüsse anthropogener Art erkannt werden. Auffällig sind die verhältnismäßig vielen
Schlacken.
Befund 13 entspricht der allgegenwärtigen
Kulturschicht (Befund 2). Im Bereich des
Schurfes sind die Einschlüsse jedoch von geringerem Kaliber im Vergleich zu den beobachteten Einschlüssen an der freigelegten
Oberfläche der Schicht. Über Befund 8 hat
sich die Schicht gesetzt und beinhaltet hier
wiederum gröberes Material.
Abbildung 4

Zusammenfassung
Das Baugrundstück „Kleinfeld-Nord“ liegt innerhalb des seit 20.06.1955 nach § 22 DSchG
Baden-Württemberg ausgewiesenen Grabungsschutzgebietes „Lahr-Mauerfeld, römische
Siedlung“ (Denkmallisten-Nr. 9) auf der Gemarkung Lahr. Unterschiedliche römische
Großbauten, die bei Baumaßnahmen zwischen 1950 und 1970 im näheren Umfeld des
Baugrundstücks nur lückenhaft beobachtet werden konnten, lassen vermuten, dass der
Geltungsbereich „Kleinfeld-Nord“ im Kernbereich der römischen Siedlung – Vicus – liegt.
Im November 2018 führte das LAD auf dem Baugrundstück (Fläche: ca. 1200 m2) archäologische Voruntersuchungen durch: Dazu wurde zunächst auf ca. 560 m2 der Oberboden
flächig abgetragen und in der Südostecke des Grundstücks auf 4 × 2,5 m ein Schurf angelegt, um die Stratigraphie der römischen Schichten zu erfassen (12.-13.11.2018). Zudem
wurde kurzfristig eine Bodenradar-Untersuchung angesetzt (15.11.2018).
Direkt unter dem Oberboden, ca. 0,20 m unter der heutigen Oberfläche des Baugrundstücks, wurde eine nahezu ungestörte römische Kulturschicht angetroffen, in deren erhaltener Oberfläche scheinbar Reste der jüngsten römischen Bebauung in situ erhalten sind.
Im angelegten Profil ist diese Kulturschicht ca. 0,40 m mächtig: Sie verbirgt vermutlich drei
aufeinanderfolgende Siedlungsschichten; die Ergebnisse der Bodenradar-Untersuchung
zeigen unter der Oberfläche dieser römischen Kulturschicht Anomalien in Tiefen von 0,16
und 0,40 m (ca. 0,36 und 0,60 m unter der heutigen Oberfläche).

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Unter dieser dunkelfarbigen Kulturschicht wurden im angelegten Schurf, in der Südostecke
des Grundstücks, bis ca. 1,20 m unter der heutigen Oberfläche sowohl Steinlagen (in
eventuellen Fundamentgräbchen?) als auch ein Graben angetroffen. Im nördlichen Teil
des Baugrundstücks bildeten die Bodenradar-Untersuchung ca. 1,20 m unter der heutigen
Oberfläche eine etwa 2,50 m breite, bogenförmige Struktur sowie etwa 4,50 m östlich davon und ca. 0,20 m tiefer (ca. 1,40 m unter der heutigen Oberfläche) ein ebenfalls bogenförmiges Lineament ab.
Zusammenfassend haben die Voruntersuchungen gezeigt, dass auf der gesamten Fläche
(1200 m2) Befunde und Funde aus dem römischen Vicus anzutreffen sind. Unter dem ca.
0,20 m hohen Oberboden, reichen die ungestörten, römischen Schichten von insgesamt
etwa 1,20 m Höhe (Stratigraphie) bis ca. 1,40 m unter die heutige Oberfläche. Einzelne
Befunde wie Brunnen oder Latrinen können tiefer reichen.
Beim Ortstermin am 15.11.2018 mit Baubürgermeister Tilman Petters wurde festgehalten,
dass in das römische Bodendenkmal (= Teilbereich des Vicus) nicht ohne eine archäologische Flächenausgrabung eingegriffen werden kann.

3. Funde

Das bei der Voruntersuchung geborgene Fundmaterial reicht von Gebrauchskeramik, darunter die sog. „Lahrer Ware“, über Tafelgeschirr aus Terra Sigillata, römische Dachziegel,
Fundamentsteine und Steinmauerschutt bis zu Metallartefakten und römischen Münzen
aus dem 2. Jahrhundert.
4. Dokumentation

Die Dokumentation umfasst Einzelbefundbeschreibungen, digitale Fotografien (Übersicht-,
Einzelbefund- und Fotogrammetrieaufnahmen) und die Vermessungsrohdaten sowie die
daraus resultierenden Pläne. Gemessen wurde in UTM Zone 32 (EPSG 25832). Die Höhenangaben beziehen sich auf Normalhöhennull des DHHN2016.
5. Datum/Verfasser

8. Februar 2018, Frau Willmes, Frau Dr. Kuhnle

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Anlage 1

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Annex
Geophysikalische Prospektion archäologischer Denkmale
Die geophysikalische Prospektion in Lahr, Leopoldstrasse, Ortenaukreis
vorgelegt von Dr. Harald von der Osten am 02. Dezember 2018