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Beschlussvorlage (- Öffentlich-Rechtliche Investorenvereinbarung (Entwurf))

                                    
                                        Öffentlich-rechtliche Investorenvereinbarung
zwischen
Land Baden-Württemberg
vertreten durch
Landesamt für Denkmalpflege (LAD)
im Regierungspräsidium Stuttgart
Berliner Straße 12, 73728 Esslingen
und der
Stadt Lahr / Schwarzwald
vertreten durch
Oberbürgermeister Dr. Wolfgang G. Müller,
Rathausplatz 4, 77933 Lahr

Präambel
Die Wohnbau Stadt Lahr GmbH beabsichtigt in Lahr / Schwarzwald (Ortenaukreis),
Gemarkung Lahr, Leopoldstraße, Flurstücke 24324/12 und 24324/13, „KleinfeldNord“, auf einem ca. 1200 m² großen Grundstück ein Wohngebäude zu errichten.
Das Baugrundstück liegt innerhalb des seit 20.06.1955 nach § 22 DSchG BadenWürttemberg ausgewiesenen Grabungsschutzgebietes „Lahr-Mauerfeld, römische
Siedlung“ (Denkmallisten-Nr. 9) auf der Gemarkung Lahr. Unterschiedliche römische
Großbauten, die bei Baumaßnahmen zwischen 1950 und 1970 im näheren Umfeld
des Baugrundstücks nur lückenhaft beobachtet werden konnten, lassen vermuten,
dass der Geltungsbereich des Bebauungsplans KLEINFELD-NORD, 5. Änderung im
Kernbereich der römischen Siedlung – Vicus – liegt.
Im November 2018 führte das LAD auf dem Baugrundstück (Fläche: ca. 1200 m 2)
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archäologische Voruntersuchungen durch: Dazu wurde zunächst auf ca. 560 m der
Oberboden flächig abgetragen und in der Südostecke des Grundstücks auf 4 ×
2,5 m ein Schurf angelegt, um die Stratigraphie der römischen Schichten zu erfassen
(12.-13.11.2018). Zudem wurde kurzfristig eine Bodenradar-Untersuchung angesetzt
(15.11.2018).
Direkt unter dem Oberboden, ca. 0,20 m unter der heutigen Oberfläche des Baugrundstücks, wurde eine nahezu ungestörte römische Kulturschicht angetroffen, in

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deren erhaltener Oberfläche scheinbar Reste der jüngsten römischen Bebauung in
situ erhalten sind. Im angelegten Profil ist diese Kulturschicht ca. 0,60 m mächtig:
Sie verbirgt vermutlich 3 aufeinanderfolgende Siedlungsschichten; die Ergebnisse
der Bodenradar-Untersuchung zeigen unter der Oberfläche dieser römischen Kulturschicht Anomalien in Tiefen von 0,16 und 0,40 m (ca. 0,36 und 0,60 m unter der
heutigen Oberfläche). Unter dieser dunkelfarbigen Kulturschicht wurden im angelegten Schurf, in der Südostecke des Grundstücks, bis ca. 1,20 m unter der heutigen
Oberfläche sowohl Steinlagen in eventuellen Fundamentgräben als auch ein Graben
angetroffen. Im nördlichen Teil des Baugrundstücks bildeten die BodenradarUntersuchung ca. 1,20 m unter der heutigen Oberfläche eine etwa 2,50 m breite,
bogenförmige Struktur sowie etwa 4,50 m östlich davon und ca. 0,20 m tiefer (ca.
1,40 m unter der heutigen Oberfläche) ein ebenfalls bogenförmiges Lineament ab.
Zusammenfassend haben die Voruntersuchungen gezeigt, dass auf der gesamten
Fläche (1200 m2) Befunde und Funde aus dem römischen Vicus anzutreffen sind.
Unter dem ca. 0,20 m hohen Oberboden, reichen die ungestörten, römischen
Schichten von insgesamt etwa 1,20 m Höhe (Stratigraphie) bis ca. 1,40 m unter die
heutige Oberfläche. Einzelne Befunde wie Brunnen oder Latrinen können tiefer reichen. Das bei der Voruntersuchung geborgene Fundmaterial reicht von Gebrauchskeramik, darunter die sog. „Lahrer Ware“, über Tafelgeschirr aus Terra Sigillata, römische Dachziegel, Fundamentsteine und Steinmauerschutt bis zu Metallartefakten
und römischen Münzen aus dem 2. Jahrhundert.
Das gesamte Baugrundstück ist bisher von tieferen Bodeneingriffen verschont geblieben. Nach dieser Lage der Dinge ist mit umfangreichen archäologischen Befunden und Funden zu rechnen, die als Kulturdenkmale gemäß § 2 DSchG gelten und
der Erhaltungspflicht nach § 6 DSchG unterfallen. Das Bauvorhaben wird zur unwiederbringlichen Zerstörung geschützter Denkmalsubstanz führen. Um dem öffentlichen Erhaltungsinteresse zu genügen und das Bauvorhaben dennoch zu ermöglichen, bedarf es daher zum Erhalt des Dokumentwerts der zu erwartenden Befunde
und Funde für künftige Generationen vor Beginn der Baumaßnahmen einer archäologischen Rettungsgrabung nach dem Veranlasserprinzip, d.h. auf Veranlasserkosten, mit der die Befunde und Funde fachgerecht dokumentiert und geborgen
werden.
Da das LAD aus Personalkapazitätsgründen keine zeitnahe Rettungsgrabung mit
eigenem Personal (Amtsgrabung) leisten kann, soll der Stadt Lahr ermöglicht werden, die Rettungsgrabung durch eine private Grabungsfirma (Firmengrabung) ausführen zu lassen.
Hierzu wird nachfolgende Vereinbarung geschlossen, um einerseits eine undokumentierte Zerstörung archäologischer Kulturdenkmale nach § 2 DSchG zu vermeiden und andererseits eine zügige Umsetzung des Bauvorhabens auch mit Blick auf
§ 20 DSchG zu ermöglichen.

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§ 1 Rettungsgrabung
(1)

Vorbehaltlich der abzuschließenden Bebauungsplanänderung erfolgt anstatt
einer Amtsgrabung eine Firmengrabung durch eine von der Stadt Lahr auf deren Kosten zu beauftragende private Grabungsfirma im o.g. Areal des Baugrundstücks (1200 m2).

(2)

Auf der Basis der bisherigen Erkenntnisse erfolgt die Erstellung einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis durch das LAD als Grundlage für
eine Ausschreibung und Vergabe der Firmengrabung seitens der Stadt Lahr an
eine private Grabungsfirma. Das LAD ist bereit, sich an der Angebotsprüfung
als fachliche Beratung zu beteiligen und behält sich vor, eine
Grabungsgenehmigung bei fachlichen Mängeln abzulehnen.

(3)

Die Grabungsfirma ist darauf aufmerksam zu machen, dass es für deren Tätigkeit einer Grabungsgenehmigung nach § 21 DSchG bedarf. Ein Antragsformular ist angeschlossen und der Grabungsfirma mit der Auftragserteilung zu
übermitteln. Das LAD verpflichtet sich zu einer unverzüglichen Entscheidung
über die Grabungsgenehmigung.

(4)

Für die Vorbereitungsleistungen des LAD und auch die Nachbereitung der Firmengrabung werden der Stadt vom LAD lediglich der gängige Tagessatz sowie
eine anteilige Pauschale für die Erstkonservierung des Fundmaterials in Höhe
von insgesamt maximal 10.000,00 € in Rechnung gestellt.

§ 2 Eigentums- und Nutzungsrechte
(1)

Da bei einer Amtsgrabung gemäß dem Schatzregal nach § 23 DSchG das Eigentum an allen Funden dem Land zufallen würde, ist dementsprechend bei
der Firmengrabung das Eigentum an solchen Funden dem Land zu übertragen,
bei denen das Schatzregal nicht anderweitig nach § 23 DSchG greift.

(2)

Auch das Eigentum an der Grabungsdokumentation ist dem Land zu übertragen. Soweit Urheberrechte entstehen, ist dem Land das ausschließliche Nutzungsrecht einzuräumen, insbesondere das Recht zur Veröffentlichung, Verwertung und öffentlichen Wiedergabe, auch in elektronischer Form. Die Stadt
Lahr ist mit einer Übertragung der Nutzungsrechte an Dritte einverstanden.

(3)

Die Stadt Lahr verpflichtet sich, entsprechende Regelungen zu Gunsten des
Landes mit der zu beauftragenden Grabungsfirma zu vereinbaren, denn entsprechende Regelungen sollen dann auch in die Grabungsgenehmigung nach
§ 21 DSchG aufgenommen werden.

§ 3 Sonstige Bestimmungen
(1)

Alle Verkehrssicherungspflichten für die Rettungsgrabung sind von der Stadt
Lahr bzw. der Grabungsfirma zu übernehmen.

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(2)

Alle Maßnahmen, die die Öffentlichkeits- und Medienarbeit betreffen, sowie
Presseanfragen sind mit dem LAD abzustimmen. Die Presse- und Medienarbeit
liegt federführend beim LAD. Das LAD setzt die Stadt Lahr und die ausführende Grabungsfirma über entsprechende Maßnahmen rechtzeitig in Kenntnis.

(3)

Öffentlichkeitswirksame Maßnahmen des LAD, die auf den Grabungsflächen
durchgeführt werden (Besucherführungen, Pressetermine etc.), werden von der
Stadt Lahr und der Grabungsfirma ermöglicht. Die Verkehrssicherungspflicht im
Rahmen solcher Maßnahme obliegt dem LAD.

(4)

Die Stadt Lahr stellt dem LAD zu der Grabungsfläche alle Unterlagen zur
Verfügung, die für die Rettungsgrabung bedeutsam sind wie Leitungsauskünfte
und z.B. Baugrund- und Bodenuntersuchungen.

(5)

Änderungen und Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform.

Lahr, den

Freiburg, den 28.1.2019

Dr. Wolfgang G. Müller

Dr. Gertrud Kuhnle

Oberbürgermeister

Landesamt für Denkmalpflege
im Regierungspräsidium Stuttgart